Schneider Marie
Geb. Wien, 15.10.1898
Gest. Wien, 7.11.1979
Herkunft, Verwandtschaften: Katholischer Beamtenhaushalt; Vater: Anton Schneider (*1875), Inspektor im k. k. Eisenbahnministerium, bzw. der Staatsbahnen, Regierungsrat; Mutter: Maria, geb. Butz (*1881), Hausfrau, Tochter eines Gast- und Landwirts in Obersiebenbrunn, Gründer und erster Obmann der Landwirtschaftlichen Genossenschaft; beide christlichsozial; ein Bruder (*1899), Gymnasiallehrer, Dr.phil., ebenfalls in der GDVP tätig.
LebenspartnerInnen, Kinder: „Ihr intensives politisches Engagement habe ihr keine Zeit zu heiraten gelassen, meinte ihr Neffe Herwig Schneider, vielleicht sei auch nicht der Richtige gekommen.“ (Hauch S. 323)
Ausbildungen: Besuchte die Volksschule in Wien und Weidling, ab 1909 das private Mädchengymnasium mit Öffentlichkeitsrecht des Vereins für erweiterte Frauenbildung. Im WS 1917 inskribierte sie Geschichte, Geographie und Biologie an der Universität Wien. Staatswissenschaften, für die sie sich interessierte, war für Frauen bis 1919 nicht zugänglich. Dissertation im Hauptfach Botanik, Nebenfach Geographie über „Der Bau der Koralle bei Macrotomia, Arnebia und Onosmodium“ (Wettstein, Molisch), Doktoratsprüfung mit Auszeichnung am 4.11.1921, Promotion 18.11.1921; danach Ausbildung zur Gymnasiallehrerin (Lehramtsprüfung 1922).
Laufbahn: Im Frühling und Sommer 1923 arbeitete sie als Erzieherin im Ruhrkinderheim der GDVP in Saalfelden, 1925-30 als Lehrerin und Erzieherin in der Bundeserziehungsanstalt für Mädchen in Wien im 17. Bezirk. Danach war sie in der Hietzinger Mädchenschule, Wenzgasse 7 und im NS in Wien 8., Lange Gasse 14 (Vertreterin der Direktorin) tätig. Ihr politisches Engagement begann mit 21 Jahren im Nationaldemokratischen Volksverein (1919 Ersatzmitglied), 1920 war sie Gründungsmitglied der Großdeutschen Volkspartei (GDVP), wurde Vertreterin des Reichsfrauenausschusses, 1924 und 1925 als solche Mitglied der Reichsparteileitung. Dann wurde sie erst wieder Anfang der 1930er Jahre in dieser Funktion genannt. Nach einem 1930 vom BÖFV unterstützten Wahlkampf war sie von 2.12.1930 bis 2.5.1934 Abgeordnete zum Nationalrat der Liste Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund für den Wahlkreisverband I, Wien. M. Sch. war mit 32 Jahren jüngste Abgeordnete und einzige Akademikerin im NR der Ersten Republik. Sie agierte bis auf einen Antrag 1931 zur Errichtung von Hauswirtschaftskammern nicht „im Namen der Frauen“, sondern als „wir Nationale“. Sie publizierte aber im Verbandsorgan des BÖFV, etwa im Februar 1931 über die (faschistische) „Neubegründung der Frauenbewegung“. Ab 1930 Vorsitzende des Reichsverbandes deutscher Frauenvereine, Ausschussmitglied des Verbands für Jugendwohlfahrt des Verbands Deutscher Frauen „Volksgemeinschaft“, 1931 eine der vier StellvertreterInnen des Parteiobmanns; M. Sch. trug in Vorbereitung und Abschluss maßgeblich zum zwischen GDVP und NSDAP geschlossenen Kampfbündnis bei. Damit seit 15.5.1933 Mitglied der illegalen NSDAP mit der Mitgliedsnummer 6,242.154, sie selbst gab im Gauakt einmal 1932, einmal 1935 an, ihre Beiträge zahle sie nach Linz; 1931 Gründerin der Völkischen Nothilfe, 1933 des Fürsorgeverbands Deutsche Nothilfe, dessen Vorsitzende sie war, der jedoch 1934 verboten wurde; 1935 Gründerin der Volkshilfe mit derselben Adresse wie der Deutsche Volksbund für Wien und NÖ, der Verein war eine Tarnorganisation der NSDAP und NS-Frauenschaft. Weihnachten 1936 kam es zu einer Hausdurchsuchung, bei der Werbematerial und Spenden für die NSDAP konfisziert wurden, der Verein bestand jedoch weiter. Während des Nationalsozialismus war sie eine ranghohe Frauenfunktionärin der NSDAP: Gauhauptstellenleiterin (Grenzland-Ausland) des Deutschen Frauenwerks und der Nationalsozialistischen Volksfürsorge (NSV). Nach 1945 flüchtete sie nach Obertrum bei Salzburg, wurde am 17.6.1946 verhaftet und am 1.7.1946 ins Lager Glasenbach bei Salzburg eingewiesen. Dabei handelte es sich um ein „education-camp“ für ehemalige NS-Funktionäre, eine Umerziehung fand jedoch nicht statt. Sie beteiligte sich am Unterrichtsprogramm des Lagers mit einem Kurs über „General Geography and Economical Geography“, mit Certficate von der Lagerleitung. Nach Forderung der Häftlinge, Frauen zu entlassen, erfolgte am 26.4.1947 ihre Überstellung nach Wien, ins Polizeigefangenenhaus Rossauer Lände bis 30.4.1947. Nach den Novellierungen des Entnazifizierungsgesetzes „minderbelastet“ eingestuft und 1948 in den Ruhestand versetzt. Da ihr Dienst nach dem 13.3.1938 nicht angerechnet werden sollte, kam es zu einem Prozess beim Verwaltungsgerichtshof, den sie gewann. In der Zweiten Republik war sie Teil des deutschnationalen politischen Milieus, Präsidentin des Vereins Österreichischer Frauen-Ring, Vorstandsmitglied der Vereinigungen Arbeitsgemeinschaft der Freiheitlichen Akademikerverbände Österreichs und des Freiheitlichen Akademikerverbands für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Am 20. und 21.2.1954 nahm sie an einer in Wien stattfindenden Tagung des Komitees der nationalen Einigung, einem VdU-nahen Verein teil. Im Familienverband war für sie nach Glasenbach der Nationalsozialismus nie mehr ein Thema. Durch einen Sturz auf der Straße war sie zuletzt pflegebedürftig. Die „große alte Dame der Landsmannschaft“ wurde im Nachruf des „Eckartboten“ als „letztlich einsam“ beschrieben, die „für ihren Entschluß, auch 1938 ihrem Volk zu geben, was dem Volk zukam […] Bestrafung und Verfemung“ erlebt hätte. (Eckartbote, 12 (1979), S. 14, zit. n. Hauch)
Ausz., Mitglsch.: Mitglied des Alpenvereins, des Turnerbunds, der Deutschen Gewerkschaftskommission, im Hagenbund und im Deutschen Schulverein; Mitglied des Deutschen Volksbundes für das Deutschtum im Ausland, zahlreiche Kontakte zu deutschen NSDAP-FunktionärInnen (u. a. mit NS-Frauenführerin Gertud Scholtz-Klink), als Leiterin der Abteilung Grenzland-Ausland der Deutschen Frauenschaft Referat im August 1937 in Stuttgart bei einer Tagung der Auslandsorganisation über die politische Situation in Österreich; am 29. Juni 1939 im Rahmen der „Ernennung und Beförderung alter Kämpfer der Ostmark“ durch die Reichskammer für Wiedervereinigung auf Vorschlag der Abteilung IV des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten zur „Oberstudienrätin“ ernannt; Mitglied des nationalsozialistischen Lehrerbunds (NSLB), Mitgliedsnummer 376.247, Mitglied in der Reichskammer für Bildung, Mitglied beim Deutschen Roten Kreuz (DRK); nach 1945 Mitglied des Vereins abstinenter Frauen in Wien, Mitglied der 1982 gegründeten Österreichischen Landsmannschaft.
biograph. Mitteilungen, Hinweise u. a.: Tonarchiv der Forschungsgemeinschaft Boltzmann-Institut/Steinocher-Fonds Salzburg; Institut für Geschichte der Universität Wien, Projektgruppe Frauennachlässe.
Werke
„Aus dem Ruhrkinderheim. In: Die deutsche Zeit, 21“ (1923), „Wertung der Frau im öffentlichen Leben. Referat am Landesparteitag 1924“, „Referat über Schulfragen am vorausgehenden Landesfrauentag 1926“, „Die Entwicklung der Schulmädchenbildung. Referat am Landesfrauentag 1927“, „Welche Aufgaben hat ein Abgeordneter zu erfüllen. Referat am Landesparteitag 1931″
Literatur / Quellen
Qu.: AdR, UA Wien, WStLa, Parlamentsarchiv, Tagblattarchiv (Personenmappe)
L.: Dokumentationsarchiv 1993, Gehmacher/Hauch 1995, Hauch 1995, Parlamentarierinnen, Svoboda 1995, Wolfram 1990, Die deutsche Frau, 26.10.1930, Eckartbote 12, 1979