Piesch, Johanna (Hansi) Camilla

Bibliothekarin, Physikerin und Mathematikerin
* 6.6.1898, Innsbruck, Tirol, † 28.9.1992, Wien?

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Rittmeister Oswald Piesch; Religion: evangel. A. B.
Ausbildungen: Besuch des Mädchenlyzeums des Schulvereins für Beamtentöchter Wien VIII, (einjährige Unterbrechung: k.k. Staatsschule Leitmeritz als Hospitantin), Reifezeugnis 11.7.1914, danach Reform-Realgymnasium Dr. Wesely, Wien III; Reifezeugnis 5.7.1916 sowie Gymnasialmatura. Studium der Physik in Wien, mit der Dissertation „Ein Beitrag zur Farbenlehre. Über die Gültigkeit des Additivitätsgesetzes der Helligkeit“ (approbiert am 5.12.1920) promoviert Piesch am 21. März 1921 zum Dr. phil. Theoretische Staatsprüfung für Versicherungswesen. Lehramtsprüfung aus Mathematik und Physik 6.7.1928. Englisch und Französisch in Wort und Schrift.
Laufbahn: 9. November 1921–30. September 1923 AEG Union, 20. Oktober 1924–31. März 1926 Fernverstärkergesellschaft Ing. Strauss & Co., Wien XVII, 1. Juli 1926 –10. Jänner 1928 Vertragsbedienstete der Post- und Telegraphenverwaltung, pragmatisiert mit 11. Jänner 1928. Mit Ende Oktober 1938 auf Grund der BBV mit 3/4 des Ruhegenusses in den Ruhestand versetzt; mit 1. Juli 1945 konnte sie den Dienst wieder antreten, die Rehabilitierung erfolgte mit 13. November 1945.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1945 war sie Vorstand des Laboratoriums der Post- und Telegraphenverwaltung. Ab 1. Februar 1956 in der Bibliothek der Technischen Hochschule Wien, Dokumentationszentrum für Technik und Wirtschaft, verwendet, der Amtstitel „Vorstand des Laboratoriums der Post- und Telegraphenverwaltung“ wurde beibehalten. Die Versetzung in den dauernden Ruhestand erfolgte mit 31.10.1962.
Aufgrund einer Organisationsänderung beim fernmeldetechnischen Zentralamt in Wien war der Arbeitsplatz von Piesch als Vorstand des Laboratoriums weggefallen (Dienstposten: Dienstzweig Nr. 43, Höherer Dienst an physikalisch-technischen oder chemischen Laboratorien). Da eine Verwendung im Bereich der Post- und Telegraphenverwaltung, die ihrer Fachrichtung entsprochen hätte, nicht gegeben war, bemühte man sich seitens der Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung um einen anderen Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A: Die Konstruktion war, Piesch im Bereich des Unterrichtsministeriums zu verwenden. Dies ging durchaus zu Lasten des im Dienstpostenplan der Post- und Telegraphenanstalt vorgesehenen Dienstpostens, allerdings sollten die Bezüge refundiert werden. So konnte Piesch mit 1. Februar 1956 den Dienst in der Bibliothek der damaligen Technischen Hochschule in Wien aufnehmen. Den Titel „Vorstand des Laboratoriums“ scheint sie beibehalten zu haben. (AdR BM f Unterricht, Zl. 528881961).
Unklar ist die Zeit von 1938–1945, laut Personalunterlagen im Staatsarchiv wurde sie im Oktober 1938 in den Ruhestand versetzt, in einem Nachruf hält Heinz Zemanek jedoch fest, dass Piesch 1938 nach Berlin geschickt worden sei, wo dann Arbeiten zur Schalt-Algebra entstanden.
Bedeutung erlangte Johanna Piesch durch ihre Schriften zur Schaltalgebra, wobei sie nach einer ersten Publikation eine vereinfachte Methode erarbeitete und vorstellte. Sie war damit eine der ersten Personen, die sich mit dem Thema der technischen Anwendung der Boolschen Algebra beschäftigten. Sie steht in der Nachfolge von Paul Ehrenfest, einem österreichischen Physiker, der 1910 die Schaltalgebra definierte. Zemanek zählt Piesch mit A. Duschek und Otto Plechl zu den sehr wichtigen Autoren, die sich mit Schaltalgbra – essentielle Basis für die Computertechnologie – beschäftigt haben.
Ihre Leistung ist international anerkannt. Sie wird in einem Atemzug mit Akira Nakasima und Masao Hanzawa – auf deren Arbeiten Piesch sich bezieht – sowie Vitali I. Shestakov genannt. Von den russischen Pionieren wurde sie oft zitiert, wie auch Konrad Zuse von ihren Arbeiten beeinflußt war.

Literatur / Quellen

Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Unterricht, Personalakten, Archiv der Universität Wien.
Bauer, F. L.: Kurzer Abriß der Geschichte der Informatik 1890–1990. In: Ein Jahrhundert Mathematik 1890–1990: Festschrift zum Jubiläum der DMV, hg. von Gerd Fischer, Deutsche Mathematiker Vereinigung, Braunschweig 1990, S. 113–148.
Nachruf Institute of electrical and elecronical enigineers – IEEE Annals of the History of Computing, Vol. 15, N. 3, S. 72 (Heinz Zemanek).
Nachruf: http://computer.org/computer-pioneers/pdfs/P/Piesch.pdf, beruft sich v. a. auf Zemanek, Heinz, „Johanna Piesch”, Ann. Hist. Comp., Vol. 15.
Zemanek, H.: Information Theory and technology in Austria after 1945. In: Weibel, P.: (Hg.): Beyond art – a third culture: a comparative study in cultures, art and science in 20th century Austria and Hungary; [exhibition, 17/10–23/11, 1996, Ludwig Museum Budapest, C3 Center for Culture and Communication, Budapest; 07/02–30/03, 1997, Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Austria; 19/09–06/12, 1998, MUKHA, Museum van Hedendaagse Kunst, Antwerp, Belgium]; Kortárs Művészeti Múzeum; Wien [u. a.], Springer 2005, S. 323.
Stanković, R. S./Astola, J.: From Boolean logic to switching circuits and automata. Towards modern information technology, Berlin [u. a.], Springer 2011, (Studies in computational intelligence; 335).
Methods by Piesch used in Gilbert, E.N.: N-terminal switching circuits. The Bell System Technical Journal, Vol. 30, 1951, S. 668–688.

Werke

Ein Beitrag zur Farbenlehre. Über die Gültigkeit des Additivitätsgesetzes der Helligkeit. Diss. Univ. Wien (approbiert am 5.12.1920).
Begriff der Allgemeinen Schaltungstechnik. In: Archiv für Elektrotechnik, Vol. 33, 1939, S. 672–686.
Über die Vereinfachung von Allgemeinen Schaltungen. In: Archiv für Elektrotechnik, Vol. 33, 1939, S. 733–746.
Systematik der automatischen Schaltungen. Springer, Wien 1951, aus ÖTB. Österr. Zeitschrift f. Telegraphen, Telephon-, Funk- u. Fernsprechtechnik. Jg. 5. H. 3/4, S. 29–43.
Die Matrix in der Schaltungsalebgra zur Planung Relaisgesteuerter Netzwerke. In: Archiv für elektrische Übertragung, Vol. 9, 1955, S. 460–468.
Beiträge zur Modernen Schaltalgebra. Conference in Como, 1956, S. 16–25.
Gem. mit Sequenz, H.: Die österreichischen Wegbereiter der Theorie der Elektrischen Schaltungen. In: Elektrotechnik & Maschinenbau, Vol. 75, 1958, S. 241–245.
Kerndokumentation Studiengesellschaft. Kerndokumentation der S. G. A. E. Wien. Schriftleitung: J(ohanna) Piesch, Jg. 1–8. 1959–1966. [Mehr nicht erschienen]. Piesch, Johanna [Hg.]; Tisljar, Maria [Hg.]. Österr. Studienges. f. Atomenergie, Wien 1959–1966.

Biografieautor:

Veronika Pfolz

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