Wodak, Erna
* 1916, Wien, † 15.4.2003, Wien
Chemikerin
Studium in Wien, Liverpool und Manchester. In Wien Studium vor allem der physikalischen Chemie am 1. Chemischen Institut bei Herman(n) Mark von 1934-1938. Untersuchungen, die zur Dissertation führen sollten, sind 1938 verloren gegangen. 1939 konnte E. M. ihr Studium an der Abteilung für organische Chemie (Alexander Robertson) der Universität Liverpool fortsetzen, 1940 Master of Science. Forschungsstudentin und Demonstratorin bei Michael Polanyi an der Universität Manchester. Dissertation über die Geschwindigkeit der thermischen Zersetzung iodhaltiger organischer Moleküle, Ph.D. 1943. Von Juli 1942 bis September 1943 am Grosvenor Laboratory von Chaim Weizmann in London mit Verfahren zur Gewinnung von aromatischen Verbindungen aus Erdöl-Kohlenwasserstoffen beschäftigt. Diese Verfahren wurden in der Manchester Oil Refinery erprobt. Seit Herbst 1943 in einem Laboratorium für Kunststoffe in Surrey bei Victor E. Yarsley. 1945/46 „senior research chemist“ in den Chavendish Laboratories in London.
10.7.1944 Heirat mit Walter Wodak, der seit 1946 österreichischer Botschaftsmitarbeiter in London war, ab 1951 in Paris. E. W. wurde zur „Frau des Botschafters“ von 1953-59 in Belgrad und 1964-1970 in Moskau, zwischenzeitlich und danach in Wien.
Nach dem Tod Walter Wodaks im Februar 1974 begann E. W. wieder als Chemikerin zu arbeiten, bei der Jungbunzlauer AG Karl Kahanes. Mitbegründerin der Österreichischen Gesellschaft der Freunde des Weizmann Institute of Science, Rehovot, Israel; E. W. war lange Zeit deren Generalsekretärin und damit Förderin wichtiger Wissenschaftskooperationen.
E. M. wurde 1916 als Tochter des Rabbiners Prof. Dr. Aron Löb Mandel in Wien geboren. Ihr Vater war Rabbiner der Synagoge am Humboldtplatz in Wien-Favoriten und Religionslehrer. Er ist am 7.11.1929 verstorben. E. M. besuchte von 1926 bis 1934 das Realgymnasium des Frauenerwerbvereins am Wiedner Gürtel.
Seit 1934 Studium der Chemie an der Universität Wien, vor allem am 1. chemischen Institut, das vom Pionier der Kunststoffforschung Herman(n) Mark geleitet wurde. Mark hatte in den 1930er Jahren aus dem 1. chemischen Institut ein „institute of excellence“ für Hochpolymerforschung gemacht, das durch Vertreibung und Flucht zerschlagen wurde. Bereits 1936/37 begann E. M. an ihrer von Otto Kratky betreuten Dissertation am Institut zu arbeiten. Da ihr am 14.3.1938 der Zutritt zum Institut durch Nazi-Studenten verwehrt wurde, gingen alle ihre Vorarbeiten verloren. Im Mai 1938 wurde sie offiziell von der Universität ausgeschlossen und im Sommer 1938 ist sie mit ihrem Bruder, dem Arzt Emanuel Emil Mandel, über Italien nach England geflohen. Die Geschwister wurden dann auch zu Fluchthelfern für ihre Mutter Anna Mandel und ihre Schwester Amalie (Lilly) Hoff (vormals Weizenhof) – Mandel, die mit „Domestic Permits“ 1939 nach England kamen, und ihren Schwager Arthur Weizenhof, in den USA, dann Hoff.
Bereits 1939 konnte E. M. ihr Studium in Liverpool fortsetzen und lernte dort Walter Wodak kennen. In ihrer Diplomarbeit beschäftigte sie sich 1939 mit der Gewinnung des roten bakteriellen Farbstoffes „Prodigiosin“. Emil Mandel hatte ihr 1940 eine Ph.D. Stelle in Chicago organsiert, die sie wegen ihrer Liebe zu Walter Wodak ausschlug. Daher wechselte sie auf die Universität Manchester, wo ihre Mutter lebte. Dort dissertierte sie zur Festigkeit und Reaktionsfähigkeit von Verbindungen, die über die Struktur der Moleküle erforscht wurden. Diese Arbeit versuchte theoretische Fragestellungen der physikalischen Chemie zu erhellen. 1943 verteidigte E. M. ihre Dissertation bei Michael Polanyi, der sie an das Londoner Laboratorium von Chaim Weizmann vermittelt hatte. Dort wurde unter der Leitung von Ernst Bergmann an der kriegsnotwendigen Rohstoffsubstitution geforscht. Von Juli 1942 bis September 1943 war E. M. an Weizmanns Grosvenor Laboratory, wo sie an Verfahren zur Gewinnung aromatischer Verbindungen aus nichtaromatischen Erdöl-Kohlenwasserstoffen mitarbeitete. Die Laboratoriumsversuche wurden in der Manchester Oil Refinery in großem Maßstab umgesetzt, daran arbeitete E. M. stark. Weizmann war mit seiner Rohstoffsubstitution bei den Erdölkonzernen auf keine Gegenliebe gestoßen, daher arbeitete der große Chemiker und zionistische Führer mit einer „refugee-industry“ zusammen. Die Manchester Oil Refinery war gerade erst von mitteleuropäischen Emigranten gegründet worden.
Von Herbst 1943 bis 1945 arbeitete E. M. im Laboratorium in Surrey von Victor E. Yarsley, dem Plastik-Fachmann in Großbritannien. Am 10. Juli 1944 heirateten E. M. und Walter Wodak, der im September 1945 mit der „British Army Legal Unit (BALU)“ nach Wien kam. Hier konnte er zwischen der Regierung Renner und den Alliierten vermitteln, weswegen er umgehend an die österreichische Botschaft nach London entsandt wurde. Dort war er für die Staatsvertragsverhandlungen wichtig und seine Frau musste ihre Karriere als Chemikerin der Botschafterkarriere opfern. Am 12.7.1950 kam ihre Tochter Ruth in London zur Welt. In den 1950er Jahren war E. W. die „Dame“ an der österreichischen Gesandtschaft in Belgrad, in den 1960er Jahren in Moskau.
Bevor Walter Wodak am 25.2.1974 plötzlich verstarb, hatte E. W. 1973 von Karl Kahane eine Arbeit als Chemikerin bekommen. Sie baute eine wissenschaftliche Dokumentation im Chemiekonzern der Jungbunzlauer AG auf. Diese Arbeit endete 1978. Aber E. W. war seit 1974 bei der Gründung der Österreichischen Gesellschaft der Freunde des Weizmann Institute of Science, Rehovot, engagiert, zusammen mit dem Physiker Michael J. Higatsberger. 1977 wurde E. W. Generalsekretärin dieser Gesellschaft. In den Jahren 1978 bis 2001 wurden 36 israelisch-österreichische Forschungsprojekte durchgeführt. 1992 wurde E. W. mit der Gründung des „Erna Wodak – Weizmann Laboratoriums für Zellforschung und medizinische Biotechnologie“ in Krems geehrt. E. W. starb am 15.4.2003 in Wien.
Werke
A preliminary investigation on the colouring matter of the red pigmenting bacteria, M. Sc. Thesis, University of Liverpool, October, 1940.
Gem. mit Butler, E. T. / Polanyi, M.: Rates of Pyrolysis and Bond Energies of Substituted Organic Iodides, Part I, Transactions of the Faraday Society 39, 1943, S. 19.
Gem. mit Butler, E. T. / Polanyi, M.: Rates of Pyrolysis and Bond Energies of Substituted Organic Iodides, Part II, Transactions of the Faraday Society 41, 1945, S. 298-306.
Gem. mit Steiner, H. / Whincup, S.: Seperation of aromatics, Brit. Pat. 585 166, 1947.
Gem. mit Weizmann, C. / Bergmann, E. / Boyd-Barrett, H. S. / Steiner, H. / Sulzbacher, M. / Holker, J. R. / Porges, J. / Rowley, D.: Aromatic cracking of hydrocarbon oils – polycyclic fractions, Industrial and Engineering Chemistry 43, 1951, S. 2318.
Literatur / Quellen
Kratky, O. / Mark, H.: Anwendung physikalischer Methoden zur Erforschung von Naturstoffen, in: L. Zechmeister (Hg.): Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe, Bd. 1, Verlag J. Springer, Wien 1938. Bezug zu E. Mandels verlorener Dissertation.
Adunka, E. / Hecht, D. / Mayr, S.: Brücken, Beziehungen, Blockaden. Initiativen und Organisationen in Österreich und Israel seit 1945, Wien, 2007.
Kuschey, B.: Die Wodaks. Exil und Rückkehr. Eine Doppelbiographie. Jüdische Linke – Wissenschaft und Politik im englischen Exil – Diplomatie für Österreich, mit einem Vorwort von Heinz Fischer. Wien, 2008.
Reiter, W. L.: Naturwissenschaften und Remigration. In: Wiesinger-Stock, S. / Weinzierl, E. / Kaiser, K. (Hg.): Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft, Wien, 2006.
Wodak, W.: Diplomatie zwischen Ost und West. Graz, Wien, Köln, 1976.