Wittgenstein Clara; Pianistin, Frauenrechtlerin und Wohltäterin

Geb. Leipzig, Deutschland, 9.4.1850
Gest. Laxenburg, NÖ, 29.5.1935

Der Vater Hermann Christian Wittgenstein (1802-1878) war ein ursprünglich aus Deutschland stammender Wollgroßhändler und Gutsbesitzer. Die Mutter Franziska (Fanny) Figdor (1814-1890) kam aus einer gehobenen Wiener Kaufmannsfamilie. Die zehn Geschwister C.s heirateten in namhafte österreichische Familien von Wissenschaftern, Militärs und Unternehmern. Von ihren Brüdern erlangte Karl (1847-1913) als einer der mächtigsten Unternehmer der späten Donaumonarchie größte Bedeutung. Unter ihren zahlreichen Neffen und Nichten sind insbesondere Paul (1887-1961) als „einarmiger Pianist“ und Ludwig (1889-1951) als einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts hervorzuheben.

C. W., die aus einem gehobenen deutsch-jüdischen Milieu stammte, wurde 1850 in Leipzig als achtes von elf Kindern Hermann Christian Wittgensteins und seiner Frau Franziska Figdor geboren. Ihr Vater hatte es mit Wollhandel und dem Aufkauf von heruntergekommenen Gütern zu beachtlichen Wohlstand gebracht. Die Mutter Fanny Figdor stammte aus einer angesehenen Wiener Kaufmannsfamilie. Anlässlich ihrer Trauung hatten beide sich vom Judentum abgewandt und waren zum Protestantismus konvertiert. C. kam bereits als Kleinkind nach Österreich, da die Familie, die anfänglich in Gohlis bei Leipzig lebte, schon bald nach ihrer Geburt übersiedelte. Aufgewachsen in einer Großfamilie wurde ihr − wie damals oft üblich − die Betreuung der behinderten Schwester Clothilde übertragen. Dieser Umstand mag möglicherweise dazu beigetragen haben, dass sie als einzige der Schwestern unverheiratet blieb, obwohl sie äußerst hübsch war. Wie die meisten Wittgensteins war auch C. eine engagierte Musikerin. Johannes Brahms, bei dem sie Klavierstunden nahm und der ein Freund der Familie war, soll in die junge C. verliebt gewesen sein. Sie selbst förderte diverse Musikerinnen, u. a. die Pianistin Marie Baumayer und die Geigerin Marie Soldat-Roeger, die beide dem Umfeld von Brahms angehörten.

Neben ihrer Leidenschaft für die Musik war C. W. sehr an Frauenfragen interessiert und engagierte sich − zum Entsetzen der konservativen Familie − für die Suffragetten-Bewegung in England. 1901 agierte sie gemeinsam mit Editha Mauthner-Markhof u. a. als Mitbegründerin des „Neuen Wiener Frauenclubs“, der Frauen ein Forum für Diskussionen und Ausstellungen bot. Im Sinne dieser Ausrichtung beteiligte sie sich auch an der Erziehung ihrer Nichten, die sie zu eigenständigem Denken anhielt und deren Bildung sie durch Bücher und Theateraufführungen zu erweitern suchte. In fortgeschritteneren Jahren adoptierte sie ihre Nichte Lydia Oser. Über die Sommermonate lebte sie im ehemaligen Palais Kaunitz in Laxenburg, NÖ, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder Paul besaß. Hier engagierte sie sich karitativ, in dem sie Schulen, Kindergärten und diverse Wohltätigkeitsvereine unterstützte. Während des 1. Weltkrieges versorgte sie hier auch Soldaten. In der Folge ist C. W. als Wohltäterin in die Annalen von Laxenburg eingegangen. Ungeachtet dessen hat sie es aber offensichtlich verstanden mit ihrem ererbten Geld sehr umsichtig umzugehen und über Krieg und Inflationszeiten zu retten, denn als sie 1935 hoch betagt verstarb, hatte sie ihren zahlreichen Nichten und Neffen ein beachtliches Vermögen hinterlassen. Einen nicht unerheblichen Teil vermachte sie auch diversen karitativen Institutionen.

Qu.: H. Wittgenstein, Familienerinnerungen (unpubl. Typoskript) Wien 1944/48.

L.: Gaugusch 2001, Nedo/Ranchetti 1983, Veigl/Janik 1998

Ursula Prokop