Sandmann, Hedwig

geb. Schulhof; Bibliothekarin und Übersetzerin
* 1.8.1917, Wien, † 4.11. 2001, Wien

Hedwig Sandmann (geb. Schulhof) wurde am 1. August 1917 in Wien in einer jüdischen Familie geboren. Ihre Mutter war Näherin bzw. Hausfrau, ihr Vater Staatsbeamter an der Börse. Beide gehörten der Sozialdemokratischen Partei als Mitglied an.
Bis 1931 besuchte sie jeweils vier Jahre die Volks- und Hauptschule, im Oktober dieses Jahres begann sie eine Lehre als Verkäuferin und wurde Mitglied der Gewerkschaft. Seit dem August 1934 war Sandmann im illegalen Kommunistischen Jugendverband (KJV) im Bezirksmaßstab als Funktionärin aktiv und folgte Ende August 1935 nach Abschluss der Lehre ihrem Lebensgefährten Anton Sandmann in die Sowjetunion nach, wohin dieser als aktiver Februarkämpfer und Schutzbundangehöriger geflüchtet war. Sandmann, der im Mai 1934 in einem Flüchtlingslager in Brno zur KPÖ gestoßen und im Juni mit dem zweiten Schutzbundtransport in die Sowjetunion gelangt war, war in Leningrad in seinem angestammten Beruf als Buchbinder tätig. Am 22. November 1935 heirateten sie. Bis zur Geburt ihrer ersten Tochter im Juni 1936 arbeitete Hedwig Sandmann in der Großdruckerei „Petschatny dwor“. In politischer Hinsicht wurde sie 1935 in der Sowjetunion vom KJV in die KPÖ überführt.
Den Beruf der Bibliothekarin ergriff Sandmann im Jahr 1938, als sie im September in der Leningrader Staatsbibliothek „Saltykow-Schtschedrin“ (benannt nach dem gleichnamigen russischen Schriftsteller und Satiriker), der heutigen Russischen Nationalbibliothek, zu arbeiten begann. 1940 besuchte sie einen Bibliothekarskurs zur Erhöhung ihrer Qualifikation, worauf sie im Oktober 1940 zur Leiterin einer kleinen Filiale der Staatsbibliothek im Zentralen Park für Kultur und Erholung avancierte. Diese Tätigkeit übte sie bis zum 13. Dezember 1941 aus, als die Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht bereits begonnen hatte.
Ihr Ehemann war bereits im Mai 1937 nach Spanien gegangen, um dort auf Seiten der Republik gegen den Franco-Faschismus zu kämpfen. Bis zum Februar 1939 war er Offizier in den Reihen der Internationalen Brigaden, nach der Niederlage der Republik wurde er im französischen Lager Saint-Cyprien interniert. Nach gelungener Flucht kehrte er im April 1939 in die Sowjetunion zurück, wo er wieder als Buchbinder zu arbeiten begann. 1941 erhielten Anton und Hedwig Sandmann die sowjetische Staatsbürgerschaft und wurden in die WKP(b), die russische Kommunistische Partei, überführt. Es war dem Kriegsverlauf und der Kaderpolitik der KPÖ geschuldet, dass Hedwig Sandmanns berufliche Laufbahn als Bibliothekarin nun unterbrochen wurde. So wurden Anton und Hedwig Sandmann 1942 aus dem belagerten Leningrad evakuiert und besuchten von August 1942 bis Juni 1943 die Parteischule des Exekutivkomitees der Komintern in Kušnarenkovo. Für Anton bedeutete dies auch die militärische Vorbereitung auf den Partisaneneinsatz in Österreich, um hierauf ab Herbst 1943 als Partisan in der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee und in der „Kampfgruppe Steiermark“ gegen den Faschismus zu kämpfen. Im November 1944 fiel er schwer verletzt der Gestapo in die Hände und war bis 5. Mai 1945 – bis zu seiner Befreiung aus dem Klagenfurter Gestapogefängnis – inhaftiert. Mitte Juni 1945 kehrte er nach Wien zurück.
Hedwig Sandmann wiederum remigrierte im September 1945 aus der Sowjetunion nach Wien und begann ebenso wie ihr Mann Anton an verschiedenen Stellen im Parteiapparat der KPÖ zu arbeiten, zunächst ab Februar 1946 in der Parteischule, dann von Dezember 1946 bis November 1947 im Frauenreferat des Zentralkomitees. Von Februar 1948 bis August 1950 war sie als Dolmetscherin in der Zentralkommandantur der Sowjetarmee in Österreich beschäftigt.
Als am 16. September 1950 von der sowjetischen Besatzungsmacht das „Sowjetische Informationszentrum“ (SIZ) in der Treitlstraße am Karlsplatz etabliert wurde, eröffnete sich für Sandmann die Möglichkeit, wieder als Bibliothekarin zu arbeiten. Die Gründung des so genannten „Porrhauses“ und weiterer Informationszentren in den Bundesländern erfolgte vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Kalten Krieges. Diese Kulturzentren und Volksbildungsstätten sollten der Aufklärung über die sowjetische Kultur, Kunst und Wissenschaft dienen, wozu Vorträge, Kurse, Ausstellungen, Film- und Theateraufführungen usw. für die österreichische Bevölkerung organisiert wurden. Neben einem Kino- und Theatersaal war im SIZ im Porrhaus auch eine Bibliothek mit Lesesaal untergebracht, die „alle wichtigsten Werke und Neuheiten der sowjetischen Literatur auf den Gebieten der Politik, des Schöngeistigen, der Wissenschaft und der Technik“ enthielt, sowohl in Originalausgaben als auch in Übersetzungen („Heute feierliche Eröffnung des neuen sowjetischen Informationszentrums“. In: Österreichische Zeitung, 16.9.1950, S. 3). Neben der klassischen russischen und neuen sowjetischen Literatur, den wichtigsten Werken der Weltliteratur und Büchern fortschrittlicher SchriftstellerInnen aller Länder lagen im Lesesaal die wichtigsten Zeitungen, Zeitschriften und Journale aus den sozialistischen Ländern auf, schwerpunktmäßig jene, die auch in deutschen Ausgaben erschienen. Die Werke konnten von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 22 Uhr vor Ort eingesehen oder auch nach Hause entlehnt werden (Verzeichnis 1953, S. 65).
Als Leiterin der Bibliothek des „Sowjetischen Informationszentrums“ hielt Sandmann hier auch Vorträge, etwa über das Bibliothekswesen in der Sowjetunion („Die Bibliotheken in der Sowjetunion“. In: Österreichische Volksstimme, 28.4.1953). Im März 1954 lud sie anlässlich der Eröffnung eines neuen Lesesaales zu einer LeserInnenkonferenz ein, wo sie in ihrem Bericht auf die Aufgaben der Bibliothek hinwies, „die in erster Linie darin bestehen, die Wahrheit über die Sowjetunion zu verbreiten und dem österreichischen Leser das Kulturgut der sowjetischen Völker näherzubringen. Darüber hinaus ist die Bibliothek ein Heim der fortschrittlichen und klassischen Literatur der Völker“. Allmonatlich fanden im SIZ literarische Vorträge und Diskussionen statt, fortan auch Dichterlesungen und Rezitationsabende junger österreichischer AutorInnen („M. S.: In der Treitlstraße: Die Bibliothek wird ausgebaut.“ In: Österreichische Zeitung, 21.3.1954, S. 5).
Hedwig Sandmanns berufliche Tätigkeit als Bibliothekarin war stets auch mit der jeweiligen politischen Konstellation und den daraus resultierenden Optionen verknüpft. Dies hatte zur Folge, dass ihre Laufbahn 1955 ein Ende fand, musste doch im August nach Abschluss des Staatsvertrages und angesichts des bevorstehenden Abzugs der sowjetischen Besatzungstruppen das SIZ und damit auch die dortige Bibliothek geschlossen werden. Im März 1956 trat Sandmann als Aushilfe in die Abonnementabteilung des Globus-Verlags der KPÖ ein, wo sie mit Übersetzungsarbeiten russischer Korrespondenzen betraut war. Nach Ablauf der Befristung Ende September dieses Jahres war sie ohne Beschäftigung. Anton Sandmann, der zunächst bis 1950 als Angestellter der Wiener Stadtleitung der KPÖ arbeitete, dann in der Globus-Buchbinderei, sowie später im Zentralen Kulturreferat der USIA-Betriebe und als Landessekretär der „Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft“ (ÖSG) in Wien, war ab 1957 im Globus-Buchvertrieb bzw. ab 1963 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1972 in der Buchbinderei tätig.
Politisch waren beide bis zuletzt in der KPÖ engagiert, wobei Hedwig Sandmann in der Friedensbewegung ein Politikfeld fand. Sie war Mitglied des Vorstands des „Österreichischen Friedensrates“ und Mitarbeiterin des 1957 vom Weltfriedensrat in Wien eingerichteten „Internationalen Instituts für den Frieden“. In den 1960er Jahren war sie gemeinsam mit Cilly Gründorfer Herausgeberin von dessen Publikationsreihe „Aktive Koexistenz“. Hedwig Sandmann starb am 4. November 2001 in Wien.

Literatur / Quellen

Mugrauer, Manfred: Anton und Hedwig Sandmann. Spanienkämpfer – Partisan der „Kampfgruppe Steiermark“ – Bibliothekarin. In: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 23. Jg. (2016), Nr. 3, S. 15–20.
Vereinigung Österreichischer Bibliothekare (Hg.): Verzeichnis österreichischer Bibliotheken. Verlag Brüder Hollinek, Wien 1953 (Biblos-Schriften, Bd. 1).
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Zentrales Parteiarchiv der KPÖ

BiografieautorIn:

Manfred Mugrauer

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