Rothe Hilde

Bibliothekarin
* 30.4 1893 [30.6.1893, laut Staatsarchiv], † 1985 [begraben am 22.2.1985]

Herkunft, Verwandtschaften: Hilde Rothe entstammt einer nordböhmischen Lehrerfamilie. Seit den 1890er Jahren in Wien ansässig.
Ausbildungen: Matura mit Auszeichnung an einem Wiener Gymnasium, Studium der Germanistik, Promotion am 26.3.1917. Ihre Dissertation verfasste sie zum Thema „Der Tod bei Wilhelm Raabe“. Im selben Jahr legte sie die Lehramtsprüfung aus Englisch ab.
Laufbahn: Am 24. Juli 1920 trat sie in die Bibliothek des Nationalrats ein, wo sie bis zur Versetzung in den Ruhestand am 31. Juli 1957 blieb. Zunächst Bibliothekspraktikantin und Beamtenanwärter wurde sie am 1. Juli 1922 Staatsbibliotheksbeamtin, am 6. Oktober 1926 Unterstaatsbibliothekar. Am 3. November 1933 zum Staatsbibliothekar II Klasse ernannt, stieg sie zwei Jahre danach mit Wirkung vom 1. Juli 1935 zum Staatsbibliothekar I Klasse auf. Mit Wirkung vom 1. Juli 1954 wurde sie Oberstaatsbibliothekar im Personalstand des höheren Bibliotheksdienstes. Chronische Mehrfacherkrankungen führten dazu, dass sie mit Wirkung vom 31. Juli 1956 vorzeitig in den dauernden Ruhestand versetzt wurde. Dr. Hilde Rothe verblieb bis zum Schluss in der Verwendungsgruppe B und wurde nicht in A eingestuft, wie es der akademischen Ausbildung und ihrer Verdienste entsprochen hätte.
In den 36 Jahren, in denen sie der Bibliothek des Nationalrates angehört hatte, hatte sie allgemein ausgezeichnete Dienstleistungen erbracht. Ihre Aufgabe war die Ausgestaltung der Kataloge, weiters führte sie den 1895 gedruckten alphabetischen Bandkatalog handschriftlich weiter und arbeitete daneben an dem nach Materie geordneten systematischen Katalog. Darüber hinaus begann sie mit dem Schlagwortkatalog, der laut Zeitungsbericht sehr populär wurde; er machte den Inhalt der Parlamentsbibliothek auch weiteren interessierten Kreisen zugänglich. Ab 1935 arbeitete Dr. Rothe am alphabetischen Zettelkatalog. Dazu führte sie rege internationale Korrespondenz hinsichtlich der Anschaffung neuer Werke, besonders zu erwähnen sind hier die Gesetzessammlungen und Parlamentsverhandlungen Japans – Dr. Rothe hat dazu eigens die japanische Sprache erlernt.
1938 sollte die Parlamentsbibliothek aufgelöst werden. Vorgesehen war, wertvolle Dokumente an andere Stellen zu übergeben, wobei es eine größere Anzahl von Interessenten gab.
Rothe gelang es, den Termin der Übergabe mit Kriegsende zu fixieren. Außerdem konnte sie jeden Tag einige Stunden in der Parlamentsbibliothek Dienst tun, obwohl sie eigentlich der Administrativen Bibliothek zugeteilt war. Es gelang ihr, den systematischen Katalog der Parlamentsbibliothek in die Administrative Bibliothek zu nehmen und so in Sicherheit zu bringen − das Parlamentsgebäude wurde in der letzten Kriegszeit stark beschädigt. Besonders im Jahre 1945 hat sich Dr. Rothe große Verdienste um die Bibliothek erworben, weil sie „durch ihr unerschrockenes Verhalten während der Umsturzzeit viele Übergriffe abwehren und vereiteln konnte.“ Die Bibliothek konnte somit vor großen und teilweise unersetzlichen Verlusten bewahrt werden. Sobald es möglich war und sie die Erlaubnis dazu erhalten hatte, trat Dr. Rothe die Arbeit in den Räumen der Parlamentsbibliothek an. Rothes unermüdlichen Bemühungen ist es zu verdanken, dass die Bibliothek bald nach der Konstituierung des Nationalrates 1945 wieder eröffnet werden konnte. Von Zeitgenossen wurde sie als „Retterin der Parlamentsbibliothek“ bezeichnet.
Auszeichnungen, Mitgliedschaften: Das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich wurde ihr im Oktober 1956 verliehen. Mitglied des VÖB.
Quellen: Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Präsidentschaftskanzlei, Ehrenzeichenantrag.

Literatur / Quellen

Literatur
Dietrich-Schulz, Elisabeth: Die österreichische Parlamentsbibliothek im Wandel. In: Mitteilungen der VÖB 56 (2003), Nr. 2, S. 54–63.
Dietrich-Schulz, Elisabeth: Die österreichische Parlamentsbibliothek im Wandel. Ein Streifzug von 1869 bis 2003, http://www.parlament.gv.at/ZUSD/PDF/Jahresbilanz_2010_WEB.pdf (zu Dr. Rothe vgl. S. 87).
Malina, Peter: Die Sammlung „Tanzenberg“: Ein riesiger Berg verschmutzter mit Schnüren verpackter Bücher. In: Bauer, Bruno/Köstner-Pemsel, Christina/Stumpf, Markus (Hg.): NS-Provenienzforschung an österreichischen Bibliotheken. Anspruch und Wirklichkeit. Neugebauer, Graz/Feldkirch 2011 (= Schriften der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 10), S. 133–154. Österreichische Bibliotheken, Statistik und Personalverzeichnis, Wien 1957.
Pech, Christian: Nur was sich ändert, bleibt. Die österreichische Parlamentsbibliothek im Wandel der Zeit, 1869–2002, S. 62ff.
Vereinigung Österreichischer Bibliothekare (Hg.): Verzeichnis österreichischer Bibliotheken, Biblos Schriften 1, 1953.
Wiener Zeitung, 25. Nov 1956, S. 3: Hohe Auszeichnung für Frau Oberstaatsbibliothekar i. R. Dr. Hilda Rothe.

Quellen
Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Präsidentschaftskanzlei, Ehrenzeichenantrag], AdR, Unterricht, Personalakten.

BiografieautorIn:

Veronika Pfolz