Rosenstrauch, Hazel Elfriede

* 13.5.1945, London, Großbritannien
Kulturwissenschafterin, Literaturwissenschafterin und Fachschriftstellerin

Besuch der Volksschule in Floridsdorf, Wien, anschließend das Gymnasium in der Stubenbastei, danach Wechsel in die 4-jährige Handelsakademie, Matura; mit 18 Jahren Reise in die USA, anschließend nach Toronto, Canada, dort Anstellung an der Canadian Imperial Bank of Commerce; nach anderthalb Jahren Rückkehr nach Wien zurück, Ablegen der ExternistInnenprüfung; Tätigkeit als Journalistin bei einem Wirtschaftsblatt; 1965 Umzug nach Berlin, Studium der Germanistik, Philosophie und Soziologie an der Universität Berlin; ab 1976 Studium der empirischen Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen; 1983 Promotion; 1982-1988 Assistentin für Kultursoziologie an der Freien Universität Berlin; 1988 Rückkehr nach Wien, bis 1889 Redakteurin der Kulturzeitschrift „Wiener Tagebuch“; lehrte Geschichte, Zeitgeschichte und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien, 1992-1994 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozioökonomie der Österreichischen Akademie der Wissenschaft; 1997- 2005 Redakteurin der Zeitschrift „Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen“.

H. E. R. ist die Tochter von Oskar Rosenstauch und Edith Königsberg, die 1946 aus dem englischen Exil nach Wien zurückkehrten. Als Juden und Kommunisten waren sie gezwungen gewesen zu emigrieren.
H. E. R. besuchte die Volksschule in Floridsdorf, Wien, und anschließend das Gymnasium in der Stubenbastei, das als Hauptfach Russisch anbot und deswegen viele Remigrantenkinder als SchülerInnen hatte. Wegen Problemen mit dem Klassenlehrer wechselte H. E. R. jedoch in die 4-jährige Handelsakademie, ein Unterricht der sie wenig begeisterte. Trotzdem schaffte sie als eine der wenigen die Matura abzulegen. Mit 18 Jahren ging sie in die USA, anschließend nach Toronto, Canada, wo sie in der Canadian Imperial Bank of Commerce Briefe arbeitete. Immer wieder stieß sie auf Antisemitismus, aber auch von den jüdischen Glaubensanhängern. Nach anderthalb Jahren kehrte sie mit dem Schiff nach Wien zurück, wo sie ein Zimmer zur Untermiete nahm und bald die ExternistInnenprüfung ablegte. Sie erlangte einen Job als Journalistin bei einem Wirtschaftsblatt, das sie jedoch bald verließ, da ihre poltische Einstellung mit der des Blattes nicht vereinbar war. 1965 zog sie nach Berlin, wo sie das Studium der Germanistik, Philosophie und Soziologie an der Universität Berlin aufnahm und der Studentenbewegung angehörte. Ab 1976 studierte sie außerdem empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen. 1983 promovierte sie mit einer Dissertation über den Buchhändler und Verleger Philipp Erasmus Reich bei Prof. Hermann Bausinger. 1982-1988 war sie als Assistentin für Kultursoziologie an der Freien Universität Berlin tätig. 1988 kehrte sie nach Wien zurück, wo sie bis 1989 Redakteurin der Kulturzeitschrift „Wiener Tagebuch“ war. Sie lehrte Geschichte, Zeitgeschichte und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien und war 1992-1994 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozioökonomie der Österreichischen Akademie der Wissenschaft. 1997-2005 war H. E. R. redaktionell für die Zeitschrift „Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen“ herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, verantwortlich. Sie verfasste zahlreiche Kritiken, Essays und Beiträge für Zeitungen, Zeitschriften und den Rundfunk. Die thematischen Schwerpunkte ihrer publizistischen Arbeit bilden die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, das jüdisch-deutsche Verhältnis und kulturelle Umbrüche um 1800.
Sie selbst glaubt, dass sie durch das Schreiben von Liebesbriefen für ihre Mitschülerinnen zum literarischen Schreiben kam. Einige Texte verfasste sie später unter dem Pseudonym Hazel E. Hazel, da sie den Antisemitismus der älteren Generationen nicht ertrug. In ihrem Plädoyer für die Emanzipation der Männer schreibt sie: „wenn die Frauen sich allein emanzipieren, (werden) sie eines Tages vor den Männern stehen … und die können nichts mehr mit ihnen anfangen, weil sie Angst haben, impotent zu werden, nicht die nötige Bestätigung zu bekommen“. (www.hazel.rosenstrauch.com)
H. E. R. wurde 1999 mit dem Essay-Förderungspreis des Österreichischen Rundfunks ausgezeichnet und 2012 mit dem Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik.
Sie ist Mutter eines Sohnes und lebt heute in Berlin.

Werke

Mitherausgabe unter dem Pseudonym Hazel E. Hazel

Zum Wohnsystem. Materialien/Materials. omnibus press, München, 1971. (architecture. Bd. 1)
Maskulin – Feminin. Verlag Rogner und Bernhard, München, 1972, 2. vermehrte Aufl. (mit dem Untertitel Die Sexualität ist das Unnatürlichste von der Welt) 1975.

Herausgabe

Gem. mit Kuserau, A. (Hg.): Brückenschlag per Sprache. Schreiben – Denken – Lesen – Reden in der Universität. Lit-Verlag, Hamburg, 2002. (Berliner Blätter. Ethnographische und ethnologische Beiträge. Bd 27)
Erstaunter Blick zurück. Edith Rosenstrauch-Königsberg 1921-2003. Theodor Kramer Gesellschaft, Wien, 2004.
Buchhandelsmanufaktur und Aufklärung. Die Reformen des Buchhändlers und Verlegers Ph. E. Reich (1717- 1787). In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd 26, 1. Halbbd, 1985, S. 1 – 129; Sonderdruck: Buchhändlervereinigung, Frankfurt am Main 1986. [Zugl. Diss. Tübingen, 1983]
Aus Nachbarn wurden Juden. Ausgrenzung und Selbstbehauptung 1933-1942. Transit Buchverlag, Berlin 1988, 2. Aufl. 1991.
Beim Sichten der Erbschaft. Wiener Bilder für das Museum einer untergehenden Kultur. Persona Verlag, Mannheim, 1992, 2. verbesserte Aufl. 1994.
Kulturpolitik. Ein Schalk in Europas Nacken. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, 1992. (Reihe Eurokolleg. Bd 16)
Die Grazie der Intellektuellen. Natascha und der Faktor S. Persona Verlag, Mannheim, 1995.
Karl August Varnhagen und die Kunst des geselligen Lebens. Eine Jugend um 1800. Biographischer Essay. Verlag Das Arsenal, Berlin, 2003.
Wahlverwandt und ebenbürtig. Caroline und Wilhelm von Humboldt. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2009, 2. u. 3. Aufl. 2009. (Die Andere Bibliothek. Bd 292)
Karl Huß, der empfindsame Henker. Eine böhmische Miniatur. Verlag Matthes & Seitz, Berlin, 2012.
Juden Narren Deutsche. Essays. Persona Verlag, Mannheim 2010 und Persona Verlag, Mannheim, 2013. (E-Book)
Eitelkeit. Ein spärlicher Name für einen überquellenden Inhalt. Verlag hochroth, Wien, 2013.

Literatur / Quellen

Herms, U.: Mit dem Mut zur Aufhellung. Über Hazel Rosenstrauch. In: die horen. Bd 48, H. 3, 2003, S. 178 f.
Knickmann, H.: „Seit ich aus der Akademie der Wissenschaften gegangen bin, besuche ich regelmäßig Clownskurse.“ Kulturhistorikerin mit einer Vorliebe für Stolpersteine: Hazel Rosenstrauch. In: literaturblatt Baden- Württemberg 18, Heft 1, 2011, S. 14 f.
Blumesberger, S. / Doppelhofer, M. / Mauthe, G. (Bearb.) / Österr. Nationalbibliothek (Hg.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Saur, München, 2002.
Die Publizistin Hazel Rosenstrauch im Gespräch mit Joachim Scholl, Deutschlandfunk, Zwischentöne, 8. Mai 2011.
„Das Lachen, das über die Furcht siegt.“ Die Journalistin, Wissenschaftlerin und Schriftstellerin Hazel Rosenstrauch, Österreichischer Rundfunk (ORF), Programm Ö 1, Menschenbilder, 18. März 2012.
Der Standard, 16. November 2012.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. November 2012.
Neue Zürcher Zeitung, 29. November 2012.
Westdeutscher Rundfunk, 3. Programm, 4. Januar 2013.
Zur Biographie der Mutter: Müller-Kampel, B. (Hg.): Edith Rosenstrauch-Königsberg. Von der Metallschleiferin zur Germanistin. Lebensstationen und historische Forschungen einer Emigrantin und Remigrantin aus Wien. M. e. Vorw. v. Ernst Wangermann. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2001 (Literatur und Leben. Neue Folge. Bd 56).
www.hazel.rosenstrauch.com

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