Rohr Christine Rosa Olga Marie

Baronin von Denta; Bibliothekarin
* 1.8.1892, Rodaun, NÖ, † 19.11.1961, Wien

Herkunft, Verwandtschaften: Ihr Vater Franz Joseph Rohr Baron von Denta (1854–1927) war kgl. ungar. Feldmarschall; sowohl dieser wie auch ihre Mutter Maria Theresia Szilva von Szilvas (geb. 1869) stammten aus Offiziersfamilien.
LebenspartnerInnen, Kinder: Christine Rohr blieb ledig.
Freundschaften: Sie studierte bei Elise Richter, die als erste Frau Deutschlands und Österreichs die „venia legendi“ erhalten hatte.
Ausbildungen: 1901 bis 1909 Besuch von Schulen mit ungarischer Unterrichtssprache in verschiedenen ungarischen Garnisonen. Studium der Romanischen Philologie und vergleichenden Sprachwissenschaft an der Universität Wien. Promotion zum Dr.phil. 1918. 1919 Ablegung der Lehramtsprüfung für Latein und Französisch.
Laufbahn: Im November 1919 wurde sie als erste Frau in den akademischen Bibliotheksdienst der Österreichischen Nationalbibliothek (damals noch „Hofbibliothek“) aufgenommen, zunächst als Hospitantin. Als 1923 aus Spargründen alle BeamtInnen, die noch keine Dienstzeit von drei Jahren aufwiesen, ausscheiden und jene über 54 Jahre in Pension gehen mussten, wurde für sie und eine zweite Akademikerin eine Ausnahme wegen Unentbehrlichkeit erwirkt. Sie führte das Referat für Romanistik und war für Ungarisch und vor allem für den Lesesaaldienst zuständig. 1935 wurde sie zum „Staatsbibliothekar [sic] I. Klasse“ ernannt. Die Bibliothekarin und Schriftstellerin Maria Razumovsky, die 1946 ihren Dienst an der Österreichischen Nationalbibliothek antrat, erinnerte sich gut an die kleine gebückte alte Dame, die ihr sympathisch und etwas schusselig erschien; sie sei aus der Beamtenschar durch ihre Freundlichkeit und Lebhaftigkeit herausgestochen. „Wir alle, die wir Dr. Rohr in der Bibliothek kennenlernen durften, stellten immer wieder ihre außerordentliche Hilfsbereitschaft und selbstlose Güte fest“, heißt es im Nachruf (Biblos 11/1965). Und diese bewies sie besonders auch in der Zeit nach dem „Anschluss“: Da ihre Universitätslehrerin Elise Richter als Jüdin nach dem „Anschluss“ 1938 keinen Zugang mehr zu Bibliotheken hatte, versorgte Christine Rohr sie „mit Literatur, Zitaten und Zuwendung“ (vgl. Hofmann-Weinberger/Wille) und rettete ihren Nachlass. Am 7.3. 1941 schrieb sie ihr: „ Meine liebe, hochverehrte Frau Professor, ich kann Sie versichern, daß ich Ihnen das Paket mit den biographischen Schriften mit dem größten Vergnügen aufhebe und daß ich froh bin, wenn ich Ihnen in diesen schweren Zeiten wenigstens damit behilflich sein kann […].“ Nach dem Zweiten Weltkrieg übergab sie die geretteten Papiere der Wiener Stadt- und Landesbibliothek.
Mit 17.11.1951 wurde sie krankheitshalber (sie litt an schwerer Kniegelenksentzündung) vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Auszeichnungen, Mitgliedschaften: Auszeichnung „Pro Ecclesia et Pontifice“ (1918). Sie war Mitglied der Zentralvereinigung christlicher Angestellter in öffentlichen Diensten (1933–1938), der Vaterländischen Front (1933–1938), des Wolfverbandes (einer Buchgemeinschaft, seit 1919), des Reichsbundes der Österreicher (seit 1936) und der ostmärkischen Sturmscharen (1934–1935).

Literatur / Quellen

Hofmann-Weinberger, Helga/Wille, Christa: Von der „Palatina“ zur Virtual Library – Frauenspuren, Frauenberuf, Fraueninformation. In: Stumpf-Fischer, Edith (Hg.): Der wohlinformierte Mensch. Eine Utopie. Festschrift für Magda Strebl. Graz 1997.
Stummvoll, Josef (Hg.): Geschichte der Österr. Nationalbibliothek. Bd. 2. Wien 1973.
Hall, Murray G./Köstner, Christina: „…allerlei für die Nationalbibliothek zu ergattern…“ Eine österreichische Institution in der NS-Zeit. Wien, Köln,Weimar 2006.
Stumpf-Fischer, Edith: Wie überlebt man „finstere Zeiten“? 5 Bibliothekarinnen, 5 Antworten. In: Korotin, Ilse (Hg.): Österreichische Biblothekarinnen auf der Flucht. Verfolgt, verdrängt, vergessen? Wien 2007.
Personalakt, mündliche Mitteilungen von Maria Razumovsky.

Werke

Neue Quellen zu den Entdeckungsfahrten der Portugiesen im Indischen Ozean. In: Beiträge zur hist. Geographie, Kulturgeographie… vornehmlich des Orients. 1929.
Neue Quellen zur zweiten Indienfahrt Vasco da Gamas. 1933. (= Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Geogr. u. Völkerk. 3).

BiografieautorIn:

Edith Stumpf-Fischer

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