Němcová Božena, geb. Barbara (Betty) Novotná, Pankl (Panklowá); Schriftstellerin
Geb. Wien, 4.2.1820
Gest. Prag, Böhmen(Praha, Tschechien), 21.1.1862
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Johann Pankl (*1794), Kutscher der Fürstin v. Sagan. Mutter: Terezie Novotná (1797-1863), herrschaftliche Wäscherin. 12 Geschwister, von denen nur die Hälfte überlebte.
Die später verbreiteten Vermutungen, nach denen nicht Johann Pankl, sondern ein adliger Herr der Vater von B. N. gewesen sei, konnten nie bewiesen werden. Von den verschiedenen Varianten scheint die plausibelste, nach der Dorothea von Biron ihre Mutter und Fürst Karl Clam-Martinic ihr Vater gewesen sei. Die beiden sollen sich am Wiener Kongress getroffen und eine Affäre gehabt haben. Dorothea brachte das Kind, das aus dieser Verbindung entstand, bei ihrer Schwester Katharina Wilhelmine von Sagan zur Welt, welches möglicherweise durch deren Vermittlung von Johann Pankl und Theresie Novotná als Tochter Barbara angenommen und anerkannt worden war.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1837 auf Drängen der Mutter Heirat mit Josef Nemec (1805-1879), Finanzbeamter und tschechischer Patriot. Vier Kinder: Hynek (1838-1853), Karel (1839-1901), Gärtner und später Direktor der Landespomologieanstalt in Troja, starb 1901. Theodora (*1841), Lehrerin; Jaroslav (1842-1898), Gymnasialprofessor.
Ausbildungen: B. N. erhielt mit Unterstützung der Herzogin Katharina Wilhelmine von Sagan, auf deren Schloss Náchod die Eltern beschäftigt waren, eine gute Bildung. Sie wurde von einem Hauslehrer unterrichtet und besuchte später die Schule, lernte Klavierspielen und sprach ein einwandfreies Deutsch.
Laufbahn: B. N.s Ehe war geprägt von den ständigen Versetzungen ihres Mannes wegen dessen „demokratischer Gesinnung“ und bedrückenden finanziellen Verhältnissen. 1842 wurde B. N.s Mann nach Prag versetzt, wo sie in Kontakt mit Vertretern der tschechischen Intelligenz und mit führenden Mitgliedern der tschechischen Nationalbewegung kam. Unter ihrem Einfluss begann sie zu schreiben und nahm den tschechischen Vornamen Božena an. 1843 erschien ihr erster veröffentlichter Text in der Zeitschrift „Blüten“: das patriotische Gedicht „An die tschechischen Frauen“. Ab 1845 publizierte sie zahlreiche Erzählungen und verschiedene Folgen von Märchen und Sagen. Ihr berühmtestes Werk ist „Babička” (Großmutter), das 1855 erschien und Eindrücke aus B. N.s Kindheit in Böhmen unter der prägenden Obhut ihrer Großmutter beschreibt. Dieses Werk gehört heute zur wichtigsten tschechischen Nationalliteratur. Das Jahr 1848 verbrachte das Ehepaar N. mit eifriger politischer Tätigkeit. Wegen seiner Aktivitäten in der gescheiterten Revolution des Jahres 1848 wurde Josef Němec in die Slowakei versetzt. B. N. verblieb mit den Kindern in Prag, besuchte ihren Mann jedoch mehrmals für längere Zeiträume. Auf den Reisen zu ihm lernte B. N. die Slowakei, Ungarn und Kärnten kennen, schloss Freundschaft mit slowakischen Schriftstellern und Patrioten. Zu ihrem Werk gehören auch einige Bücher, die slowakische Themen zum Inhalt haben. B. N.s Lebensverhältnisse wurden immer schwieriger. Sie starb verarmt und verlassen nach schwerer Krankheit 1862 und wurde unter großer Anteilnahme auf dem Prager Ehrenfriedhof Vyšehrad beigesetzt. B. N. hatte sich stets für die Bildung des Volkes und der Frauen eingesetzt und interessierte sich für die Lösung der sozialen Fragen. Als Frau hatte sie sich um ein eigenständiges Leben bemüht, ein Versuch sich den begrenzenden Konventionen ihres Jahrhunderts zu entziehen und ein Ausdruck dafür, dass sie ihrer Zeit weit voraus war.
W. u. a.: „Národni báchorky a povesti. (Volksmärchen und Sagen). 7 Bde.“ (1845-46), „Die schwarze Prinzessin (O cerne princezne). Ein Märchen in Ost und West.“, „Babicka. (Die Großmutter). 1855 bis 1970 über 200 Ausgaben. Übersetzungen in 26 Sprachen, auf Deutsch in 23 Ausgaben erschienen“, „Pohorská vesnice. (Das Gebirgsdorf)“ (1856), „Slovenské pohádky a povesti. (Slowakische Märchen und Sagen). 10 Bde.“ (1857-58), „Gesammelte Schriften. 8 Bde. hg. v. A. Augusta“ (1862-63), „14 Bde. hg. v. M. Gebauerová, J. Vlcek und V. Tille“ (1904-20), „14 Bde. hg. v. M. Novotny“ (1928-30), „15 Bde. red. v. B. Havránek“ (1950-61), „Ausgewählte Schriften. 3 Bde. hg. v. F. Vodicka“ (1962-63), „3 Bde. hg. v. M. Pohorsky“ (1974), „Auswahl der Korrespondenz: Ocima lásky. (Mit den Augen der Liebe). hg. v. R. Havel“ (1969), „Durch diese Nacht sehe ich keinen einzigen Stern. Drei Brief-Entwürfe“ (1997), „Ostern im alten Böhmen. In: Das alte Prag. Gedichte, Geschichten und historische Reiseberichte aus der altehrwürdigen Altstadt an der Moldau“ (2007). Gedichte: „Slavné ráno (Der glorreiche Morgen)“ (1846)
L.: Berwanger 2001, Iggers 2000, Laiske 1962, Morava 1995, ÖBL, Otruba 1962, Roth 2000, Tille 1911, Tosch 1962, Wurzbach, Wikipedia