Mirtow (von) Paula, geb. Fürth; Botanikerin, Gartenarchitektin, Pädagogin und Schulleiterin

Geb. Strakonitz, Böhmen (Strakonice, Tschechien), 19.4.1897
Gest. wahrscheinlich London, Großbritannien, um 1970

Herkunft, Verwandtschaften: P. M. war das jüngste von vier Kindern von Adolf Fürth (1854-nach 1929) und Helene geb. Dub (1871-1920). Die wohlhabende jüdische Familie übersiedelte Anfang der 1900er Jahre von Strakonitz in Südböhmen nach Wien, wo der Vater Realitätenbesitzer war. Als Kind erkrankte P. M. an Kinderlähmung. Diese Krankheit griff ihre Arme und Beine an, so dass sie Zeit ihres Lebens hinkte.

LebenspartnerInnen, Kinder: Im März 1937 heiratete P. M. den griechisch-katholischen Schriftsteller Serge von Mirtow (1886-?); die Ehe blieb kinderlos.

Freundschaften: Über Minna Bernays war die Familie Fürth eng mit der Familie von Martha und Sigmund Freud verbunden. P. M.s Freundschaft zur etwa gleichaltrigen Anna Freud reichte bis in das Exil in Großbritannien. P. M. dürfte auch andere Staudengärtnerinnen, wie z. B. Grete Salzer, die ganz in ihrer Nähe wohnte und ebenfalls eine Gartenbauschule betrieb, gekannt haben.

Ausbildungen: P. F. inskribierte von 1915 bis 1920 an der Wiener Universität und besuchte naturwissenschaftliche Vorlesungen. Während ihres Studiums war sie von 1917 bis 1918 Praktikantin an der Höheren Gartenbaulehranstalt Dahlem in Berlin. Am 18.2.1921 wurde sie mit ihrer am Pflanzenphysiologischen Institut unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Molisch durchgeführten Dissertation „Zur Biologie und Mikrochemie einiger Pirola-Arten“ promoviert.

Laufbahn: In den 1920er Jahren eröffnete P. M. auf dem ausgedehnten Grundstück des Elternhauses eine Gärtnerei und die Döblinger Gartenbauschule. Die zweijährige Fachschule bot Frauen die Möglichkeit, auf dem für sie sehr begrenzten Arbeitsmarkt eine Lehre im Gartenbau zu absolvieren. Ein Lehrabschluss war gleichzeitig Voraussetzung für den Besuch einer höheren Gartenbauschule. Darüber hinaus richtete P. M. an der Schule Kurse ein, in denen Schülerinnen Kinder in einfache gärtnerische Arbeiten einführten, um ihnen einen Bezug zur Natur und zum Gärtnerhandwerk zu vermitteln. P. M. bezeichnete sich selbst als Pädagogin.

Neben der Schule und der Gärtnerei führte P. M. ein Blumengeschäft, entwarf Gärten und beteiligte sich regelmäßig an Ausstellungen. Auf der großen Werkbund-Ausstellung im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie 1930 war P. M. für die Innenausstattung des Muster-Blumenladens zuständig, den der Architekt Fritz Rosenbaum entwarf. Im selben Jahr stellte sie auf der Ausstellung „Wie sieht die Frau“ der Wiener Frauenkunst in der Neuen Hofburg gemeinsam mit Liane Zimbler einen kleinen Innen-Garten mit Steingärtchen aus. 1931 gestaltete P. M. mit dem Architekten Otto Prutscher einen Hofgarten auf der Ausstellung „Blume und Plastik“ im Wiener Künstlerhaus. P. M. war nicht nur mit Vertreterinnen und Vertretern moderner Architektur und Kunst bekannt, sondern engagierte sich auch im Bereich Gartenbau und Gartenkunst. Ab 1926 war P. M. Vorsitzende Stellvertreterin des Vereins der Gärtnerinnen Österreichs, des ehemaligen Absolventinnenverbandes der Höheren Gartenbauschule für Frauen in Wien. Sie veröffentlichte zwischen 1930 und 1938 mehrere Artikel in Fachzeitschriften, darunter u. a. auch über Gartengestaltungen des renommierten Wiener Gartenarchitekten Albert Esch.

P. M. lebte auch nach ihrer Heirat im März 1937 gemeinsam mit ihrem Ehemann in ihrem Elternhaus, wo sie ihren Betrieb führte. Da P. M. als Jüdin verfolgt wurde, emigrierte sie im Juli 1939 gemeinsam mit ihrem Ehemann nach London. Im Januar 1946 absolvierte sie am Wistow Training Centre for Post War Christian Service, einer evangelisch-theologischen Ausbildungsstätte für deutschsprachige „rassisch“ verfolgte Emigranten, die zweite Prüfung zur Pfarrgehilfin. P. M., Lehrerin, wohnhaft in Bristol, wurde im November 1949 britische Staatsbürgerin. Im britischen Exil beschäftigte sich P. M. mit religiösen Fragestellungen, publizierte und übersetzte Anfang der 1960er Jahre zwei Bücher religiösen Inhalts aus dem Englischen ins Deutsche. Sie verstarb in den 1970er Jahren in London.

Qu.: Nachlass verschollen.

W.: Garten Heinrich Gans, Wien (1929), Garten Langer, Wien (1929), Innenraumgarten auf der Ausstellung „Wie sieht die Frau“ der Wiener Frauenkunst gemeinsam mit Liane Zimbler, Wien (1930), Blumenpavillon auf der Werkbundausstellung gemeinsam mit Fritz Rosenbaum, Wien (1930), Laubengarten auf der Ausstellung „Blume und Plastik“ gemeinsam mit Otto Prutscher, Wien (1931).

Zur Biologie und Mikrochemie einiger Pirola-Arten. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Abteilung I, Bd. CXXIX“ (1920), „Der moderne Garten. Architektur und Bautechnik“ (1930), „Wiener Gartenbauschulen. Die Bühne 284“ (Juli 1930), „Gärtnerinnen sprechen über ihre Gärten. Österreichische Kunst Heft 7“ (Juli 1932), „Ein Wohngarten. Gartenzeitung der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft Nr. 9“ (1937), „Der Kriegerfriedhof in Arnbach, Osttirol. Gartenzeitung der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft Nr. 11“ (1937), „Stein und Beton als Gartenwerkstoffe. Innendekoration“ (1937), „Die Pflanze im Gefäß. Gartenzeitung der Österreichischen Gartenbau-Gesellschaft Nr. 3“ (1938), „Wohnecke im Hausgarten. Die Gartenschönheit 19.9“, „The Glory of Christ in the Fourth Gospel. Theology XLIX“ (1946), „Jesus and the religion of the Old Testament (1957)

Übersetzungen: Davey, Charles, Klage um den Sieg: Die Geschichte König Davids wie sie sein Hoherpriester Abjathar erzählte (Originaltitel: Lament for victory), Übersetzung Paula von Mirtow (1961), Knox, Ronald Arbuthnott, Innere Erneuerung (Originaltitel: The Layman and his conscience), Übersetzung Paula von Mirtow (1963)

L.: Krippner/Meder 2010

Ulrike Krippner