Mechthild von der Pfalz; Frau Herzog Albrechts VI. von Österreich (Habsburg) (†1463)
Geb. 7.3.1419
Gest. 22.8.1482
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Kurfürst Ludwig III. der Bärtige von der Pfalz (†1436) und Mechthild (†1438), Tochter des Grafen Amadeus von Savoyen (†1402); Geschwister: Halbbruder Ruprecht (Pipan) genannt von England, aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Blanca (†1409), Tochter König Heinrichs IV. von England (†1413); Brüder: Kurfürst Ludwig IV. (†1499), verheiratet mit Margaretha (†1479), Tochter des Grafen/Herzogs Amadeus VIII. von Savoyen (†1458) und späteren Papstes Felix V. (143)/40-1449); Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz (†1476), verheiratet mit Clara Dett (Tott), Bürgerstochter aus Augsburg (†1520)
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet in erster Ehe mit Graf Ludwig I. von Württemberg (†1450), in zweiter Ehe mit Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (†1463), seit 1446 Regent der Vorlande, 1458-1463 Regent des Landes ob der Enns, seit 1462 Regent des Landes unter der Enns; Kinder aus der ersten Ehe: Mechthild (†1495), verheiratet mit Landgraf Ludwig II. von Hessen (†1471); Graf Ludwig (†1457); Andreas (geboren und † 1443); Graf Eberhard V. im Bart, seit 1495 Herzog von Württemberg (†1496), verheiratet mit Barbara Gonzaga (†1503), Tochter des Markgrafen Ludovico II. Gonzaga von Mantua (†1478); Elisabeth, verheiratet in erster Ehe mit Graf Johann III. von Nassau-Saarbrücken (†1472), in zweiter Ehe mit Graf Heinrich dem Älteren von Stolberg-Wernigrode (†1511).
Laufbahn: M. wuchs an dem für Kunst, Wissenschaft und Literatur sehr aufgeschlossenen Hof ihrer Eltern und im Umfeld der Universität in Heidelberg heran. Noch im Jahr ihrer Geburt wurde sie am 25. November 1419 dem damals siebenjährigen Grafen Ludwig I. von Württemberg zur Ehe versprochen. Als Aussteuer wurden 30 000 Gulden festgelegt. Die prunkvoll gefeierte Hochzeit erfolgte, nachdem M. die Heiratsfähigkeit erlangt hatte, wohl am 21. Oktober 1436 in Stuttgart. Neben Stuttgart wurde Waiblingen der Hauptwohnsitz des Paares in den folgenden Jahren. Als Wittum wurden ihr 30 000 Gulden zugesichert, verschrieben auf die Städte, Schlösser und Ämter sowie einige Dörfer der Ämter Herrenberg und Leonberg. Die Morgengabe von wahrscheinlich 13 000 Gulden wurde mit dem Amt Herrenberg versichert.
Aus der anscheinend harmonischen Ehe gingen vier Kinder, zwei Söhne, Ludwig und Eberhard, und zwei Töchter, Mechthild und Elisabeth, hervor, die das Kindesalter überlebten. Unklar ist, ob die Tochter Mechthild oder der Sohn Ludwig zuerst geboren wurde. Neben Andreas, der bereits wenige Tage nach der Geburt starb, wurden möglicherweise noch weitere früh verstorbene Kinder geboren. Leider litt der älteste Sohn an Epilepsie.
Ludwig I., der seit 1433 mit seinem Bruder Ulrich V. (†1480) die Regierungsgeschäfte der Grafschaft Württemberg führte, diese aber seit 1441/42 mit ihm geteilt und die Landeshälfte mit der neuen Residenzstadt Urach erhalten hatte, starb im September 1450 plötzlich am Pesttod. Ludwigs früher Tod führte zu einer mehrjährigen Auseinandersetzung zwischen M.s Bruder Pfalzgraf Friedrich und ihrem Schwager Ulrich in Stuttgart über die Vormundschaft ihrer Söhne. M. verzichtete wohl deshalb nach wenigen Monaten auf die Mitvormundschaft und zog sich auf ihren Witwensitz in Böblingen zurück, wenngleich sie nach der Volljährigkeitserklärung Eberhards 1469 als dessen Ratgeberin immer wieder in die württembergische Politik eingriff.
Bereits im November 1451 gab M. in Böblingen dem wohl aus finanziellen Gründen gestellten Heiratsantrag Erzherzog Albrechts VI. von Österreich, dem Bruder Kaiser Friedrichs III. (1452-14), Regent der vorderösterreichischen Lande, statt. In Böblingen wurde am 10. August 1452 eine prunkvolle Hochzeit gefeiert, wohl das größte höfische Fest, das Böblingen je gesehen hat. M. brachte 73 000 Gulden in die Ehe ein, von denen allerdings nur 43 000 Gulden als Wittum festgelegt wurden, die in gleicher Höhe widerlegt und mit der Verpfändung der Unteren Grafschaft Hohenberg mit Rottenburg als Hauptort und Verwaltungszentrum versichert wurden. Darüber hinaus erhielt sie von Albrecht eine Morgengabe von 10 000 Gulden, die auf die Dörfer Hirschau und Wurmlingen verschrieben wurden. Hinzu kamen zur Sicherung ihrer Morgengabe aus erster Ehe 1452 die Herrschaft Haigerloch als Pfand. 1453 erhielt sie ebenfalls als Pfandherrschaft die Obere Herrschaft Hohenberg. In beiden Pfandherrschaften nahm M. die Rechte einer Landesfürstin wahr.
Durch die Ehe mit Albrecht wurde M. die ranghöchste Dame des Reiches nach der Kaiserin. M. und Albrecht, aus deren Ehe keine Kinder hervorgingen, blieben sich wohl zeitlebens fremd. Seit 1456 lebten sie zudem zumeist weit voneinander getrennt. Bekannt ist nur mehr ein einziges Zusammentreffen der beiden Ehegatten und zwar aus dem Jahr 1459, als Albrecht von Wien aus in die österreichischen Vorlande reiste und im Juni gemeinsam mit M. in einem prächtigen Aufzug nach Augsburg zog.
M., die seit ihrer Heirat mit Abrecht den Beinamen „Fräulein von Österreich” trug, hielt sich, besonders seit sie von Albrecht getrennt lebte, bis zu ihrem Tod vornehmlich in Rottenburg am Neckar, dem Hauptort der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg auf. Hier richtete sie sich ihren eigenen Hofstaat ein, über dessen Größe ihr Testament Aufschluss gibt. Er bestand aus mindestens zehn Edelleuten und fünf Edeljungfrauen und zahlreichem Gesinde. Die Gründung der Universität Freiburg im Breisgau durch Albrecht 1457 unterstützte sie von hier aus kräftig. Mit ihrer Zustimmung wurden der Universität auch Pfarreien zur Dotation der Lehrstühle zugewiesen, die ihrem Heiratsgut entstammten; besonders die Rottenburger Pfarrkirche besoldete einzelne Lehrstühle.
Albrecht starb 1463 unvermutet in Wien. M. ließ ihm aufwändige Trauerfeierlichkeiten zuteil werden. Nach Albrechts Tod versuchte M. die Grafschaft Hohenberg für Eberhard zu sichern (Geheimvertrag von 1475), so kam es zum Konflikt mit Herzog Sigmund von Tirol (†1496) bei dem Eberhard schließlich einlenkte. Nach M.s Tod fiel die gesamte Herrschaft Hohenberg und auch das verpfändete Haigerloch wieder an das Haus Österreich zurück.
Ihr Hof in Rottenburg war Treffpunkt sowohl spätmittelalterlich-ritterlich als auch frühhumanistisch gebildeter Dichter, Künstler und Gelehrter. Als ihr Kanzler fungierte der Jurist Bernhard Schöfferlin, der Eberhard bei seiner Brautwerbung an den Hof der Gonzaga in Mantua begleitet hatte und durch seine Bildung und feinen Umgangsformen guten Eindruck machte. Ihr Hofkaplan war Antonius von Pforr (†1483). Er war ein ausgezeichneter Latinist, der für M. aus dem Lateinischen das Pancantantra, das „Buch der Beispiele der alten Weisen”, eine Fabelsammlung auf einen altindischen Fürstenspiegel basierend, übersetzte. Zu M.s Umkreis gehörten auch drei Schriftsteller. An ihrem Hof nahm Niklas von Wyle (†1479) längere Zeit Aufenthalt. Vier seiner Translationen (auch „translatzen” oder „tütschungen“), Übersetzungen mit jeweils einen Widmungsbrief an adelige Gönner, widmete er M. Er übersetzte ein Werk von Francesco Petrarca (1304-1374) sowie mehrere Arbeiten des italienischen Humanisten Aeneas Silvio Piccolomini (1405-1464), seit 1458 Papst Pius II. In der 16. Translation „Lob der Frauen” zeichnet er M. als Idealgestalt der mittelalterlichen Hochepik, die aller Weisheit Tugend verkörpere, die eine unendlich große Menschlichkeit auszeichne, Kunst und feine Sitten liebe. Ebenfalls eine Hommage an die Fürstin ist der „Ehrenbrief” von Jacob Püterich von Reichartshausen (†1469). Jacob Püterich beschreibt auch M.s Büchersammlung von insgesamt 94 Büchern, die in ihrem Testament keine Erwähnung findet und deren Verbleib ungeklärt ist. Mit Blick auf den Hof M.s schreibt Hermann von Sachsenheim (†1458), dessen Arbeiten in der Tradition der Minnerede stehen. Gewidmet sind M. und ihrem Bruder Friedrich „Die Mörin” von 1453 sowie die 1444 entstandenen „Unminne”; im „Spiegel” von 1452 wird sie mit ihrem zweiten Ehemann Albrecht von Österreich genannt. Das in Dichtungen verherrlichte freie Sinnenleben und geschilderte ausgelassene Treiben wurde auf den Rottenburger Hof M.s bezogen, der nicht nur als „Musenhof” gerühmt, sondern auch als „Venusberg” geschmäht wurde (Zimmersche Chronik).
Die kulturelle Förderung blieb nicht auf ihren Hof beschränkt. Ihre Mitwirkung an der Gründung der Universität Tübingen 1477 ist als eine kulturpolitische Leistung ersten Ranges zu würdigen. Sie unterstützte ihren Sohn Eberhard aufs vortrefflichste bei dem Wagnis, in dem kleinen und armen Landesteil Württemberg-Urach eine Universität zu etablieren. Das Sindelfinger Chorherrenstift, das Teil ihres Heiratsgutes aus ihrer ersten Ehe war, wurde an die St. Georgskirche in Tübingen verlegt. Tübingen wurde zum bedeutenden Zentrum des Frühhumanismus in Württemberg.
Trotz ihrer Hinneigung zu einem freieren Lebenswandel und ihrer Hofhaltung mit zahlreichen Festen und Spielen, blieb sie ihrem katholischen Glauben sehr verbunden. Sie engagierte sich bei der Reform der Klöster und dotierte zahlreiche fromme Stiftungen. In Rottenburg erzog sie auch die beiden unehelichen Kinder ihres Sohnes Eberhard, den in Rom zum Doktor der Rechte promovierten Ludwig (um 1465-1495) und die Tochter Margarethe (†1493).
Während eines Besuchs in Heidelberg bei ihren Verwandten, denen sie sich zeitlebens sehr verbunden fühlte, ist M. am 22. August 1482 vermutlich an Gicht gestorben. Begraben wurde sie zunächst an der Seite ihres ersten Mannes Graf Ludwig I. von Württemberg in der Klosterkirche von Güterstein, dann wurde sie in das Kartäuserkloster Güterstein umgebettet, bis sie schließlich ihre letzte Ruhestätte 1554 in der Tübinger Stiftskirche, in dem von ihr selbst in Auftrag gegeben Grabmal fand.
L.: Baum 1993, Eberlein/Schmauder/Schukraft 1997, Fischer 1994a, Scholz 1987, Schweickert 1998, Stievermann 1985, Theil 1983
Ingrid Roitner