Lesky Erna

Bibliothekarin, Archivarin, Dokumentarin und Medizinhistorikerin
*22.5.1911 Hartberg, Stmk, † 28.11.1986 Innsbruck, Tirol; begraben am Friedhof in Amras, Innsbruck

Erna Lesky war die Tochter von Paul Klingenstein, Kaufmann in Hartberg/Oststeiermark, und der Luise Fuchsbichler. Grete Walter-Klingenstein (*1939), Univ.-Prof.in der Allgemeinen Geschichte der Neuzeit an der Universität Graz, ist Leskys Nichte.

1939 schloss Erna Klingenstein die Ehe mit Albin Lesky (7.7.1896–28.2.1981), Gymnasiallehrer in Graz (1920–1932), Univ.-Prof. für Klassische Philologe an den Universitäten Graz, Wien und Innsbruck (1932–1967), Rektor der Universität Wien (1963/64), Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1969/70). Albin und Erna Lesky hatten keine gemeinsamen Kinder.
Albin Lesky war in erster Ehe mit Grete Strobl (1898–1982), Emblemforscherin, verheiratet (Scheidung: 1938), mit der er einen Sohn hatte: Peter Lesky (1926–2008), Univ.-Prof. für Mathematik in Stuttgart.
Mit ihrem Mann verlegte sie, bedingt durch ihre jeweilige berufliche Tätigkeit, mehrmals ihren Wohnsitz zwischen Graz, Innsbruck und Wien. Während ihrer Wiener Zeit verbrachten sie regelmäßig und über viele Jahre gemeinsam die Sommermonate (vorlesungsfreie Zeit) in einer Ferialwohnung im Schweizer Luftkurort Schwellbrunn im Kanton Appenzell, später dann in ihrer Innsbrucker Wohnung.

Nach der Absolvierung der Volks- und Bürgerschule in Hartberg besuchte Erna Lesky das Akademische Gymnasium in Graz, wo sie im Juni 1931 maturierte. Danach studierte Lesky Medizin in Innsbruck und Wien, wo sie im Dezember 1936 zur Dr.in med. promoviert wurde; zwischen 1937 und 1940 absolvierte sie eine pädiatrische und eine allgemeinmedizinische Ausbildung an verschiedenen Universitätskliniken in Innsbruck. Ab 1940 arbeitete sie als Kinderärztin in Innsbruck und in der Tiroler Kinderfürsorge. Erna Lesky war wie ihr Mann Mitglied der NSDAP; der Beitritt erfolgte allerdings, wie in einer Studie über die Universität Wien 1945 bis 1955 festgestellt wurde, „nur aus karrierepolitischen Ängsten und Überlegungen“.
1949 beendete Lesky ihre Tätigkeit als praktische Ärztin und übersiedelte gemeinsam mit ihrem Mann von Innsbruck nach Wien, wo sie zwischen 1952 und 1956 ein Studium der Altphilologie und der Geschichte absolvierte und Hörerin bei den Professoren Leo Sanifaller (1890–1974), Alphons Lhotsky (1903–1968), Hugo Hantsch (1895–1972) und Heinrich Fichtenau (1912–2000) war. Ihre Dissertation schrieb Lesky zum Thema „Staat und Heilkunde im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus in Österreich“.
1957 habilitierte sich Lesky an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien für Geschichte der Medizin, im selben Jahr und im selben Fach wie Marlene Jantsch (1917–1994) – und die beiden habilitierten Frauen wurden in der Folge Gegenspielerinnen, von denen sich sehr bald Lesky durchsetzen sollte.
Laufbahn: 1960 erfolgte Erna Leskys Betrauung mit einem Lehrauftrag und die Übertragung der vorerst unbezahlten Leitung des Instituts für Geschichte der Medizin, das zwischen 1945 und 1960 vom Chirurgen Leopold Schönbauer (1888–1963) provisorisch geleitet worden war. Weil sie in diesen Jahren auch auf den Berufungslisten von Berlin, Göttingen und Hamburg stand und ihre Abwanderung aus Wien durchaus möglich war, erhielt sie 1962 die von ihr ersehnte außerordentliche Professur und wurde auch zum Vorstand des Instituts bestellt. 1966 wurde sie ordentliche Professorin und war damit erste Ordinaria an der Universität Wien seit deren Bestehen. Sie leitete das Institut bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1979.
Lesky publizierte zahlreiche Fachbeiträge zur Medizingeschichte, wobei sie ihren Themenschwerpunkt ausgehend von der antiken Medizin zunehmend auf die Wiener Medizinische Schule verlegte; besonders erwähnenswert sind ihre Hauptwerke „Die Wiener Medizinische Schule im 19. Jahrhundert“ (1965) und „Meilensteine der Wiener Medizin: große Ärzte Österreichs in drei Jahrhunderten“ (1981) sowie ihre Herausgeberschaft für die Zeitschrift „Clio Medica“ von 1965/66 bis 1973. Leskys Literaturverzeichnis umfasst 269 Publikationen.
Während die Ära Lesky sehr lange von einer positiven Grundstimmung getragen war, wurde ihr erfolgreiches Wirken ab Mitte der 1970er Jahre von äußeren Einflüssen überschattet. Das 1975 in Kraft getretene Universitätsorganisationsgesetz (UOG) mit seinem demokratischen Bestreben, alle universitären Gruppen in die universitären Entscheidungen einzubinden, lehnte sie rigoros ab. Nachdem ihr Mann Albin Lesky zwei Herzinfarkte erlitten hatte, übersiedelte sie, seinem Willen folgend, mit ihm nach Innsbruck und unternahm regelmäßige Fahrten von Innsbruck nach Wien und retour, um die Vorlesungen abhalten zu können. Nach einem Sabbatjahr in Innsbruck beantragte sie unter Verweis auf ihre altersbedingte Schwerhörigkeit, ihre wissenschaftliche Tätigkeit von Innsbruck aus ausüben zu dürfen. Otto Kraupp (1920–1998), damals Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, interpretierte das Schreiben irrtümlich als Antrag auf Emeritierung, die von ihm umgehend eingeleitet wurde. Lesky sah darin eine Intrige, was zu einem endgültigen Zerwürfnis mit dem Institut führte. Eine von den Mitarbeitern des Instituts 1981 anlässlich ihres 70. Geburtstages herausgegebene Festschrift, die ihr per Post nach Innsbruck übermittelt wurde, nahm sie nicht entgegen. Als Geste der Annäherung kam sie 1985 zur 200-Jahr-Feier des Josephinums, an der auch der damalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger (1915–2000) teilgenommen hat.
Bibliothekarin, Dokumentarin, Archivarin: Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit (ausführlich dargestellt von Helmut Gröger in „Wissenschafterinnen in und aus Österreich“, hg. von Brigitta Keinzel & Ilse Korotin, 2002) hat sich Erna Lesky während ihrer Jahre im Josephinum von 1960 bis 1979 auch große Verdienste auf dem Gebiet des medizinischen Bibliotheks-, Dokumentations- und Archivwesens erworben. 1979 – im Jahr ihrer Emeritierung – hat Erna Lesky im Fachjournal „Labor aktuell“ eine positive Bilanz über ihr diesbezügliches Wirken gezogen: „Noch 1960 waren Institut und Josephinum in einem deplorablen Zustand. Durch die Generalsanierung […] gelang es, dieses einzigartige Erbe Alt-Österreichs, das Josephinum in Wien 9, Währinger Straße 25, mit seinen kostbaren Schätzen nicht nur zu retten, sondern das medizinhistorische Institut zu einem internationalen Zentrum medizinhistorischer Forschung auszubauen. Heute besitzt dieses Forschungs- und Dokumentationszentrum eine durch Autoren- und Schlagwortkataloge fachgemäß erschlossene Bibliothek von ca. 80.000 Bänden, ein ebenso erschlossenes Bildarchiv von ca. 30.000 Objekten, eine reichhaltige Handschriften-Sammlung und eine sehr informative Ausstellung über die Entwicklung der Wiener Medizin […]“
Vorangegangen waren fast zwei Jahrzehnte, in denen Erna Lesky als Leiterin des Instituts für Geschichte der Medizin intensiv die Renovierung des historischen Gebäudes des Josephinums, das 1785 im Stil des Frühklassizismus von Isidor Canevale (1730–1786) errichtet worden war, sowie die Neuaufstellung und Erschließung der wertvollen medizinhistorischen Bestände betrieben hat.
Unter seinem Vorstand Max Neuburger (1868–1955) war das 1914 gegründete Institut für Geschichte der Medizin mit der Unterstützung Julius Tandlers (1869–1936) 1920 in das Josephinum, das 1785 von Joseph II als militärärztliche Ausbildungsstätte begründet worden war, übersiedelt. Als Erbe der (mit zwei Unterbrechungen) bis 1918 bestehenden Josephs-Akademie befinden sich noch heute eine einzigartige Sammlung anatomischer Wachspräparate und eine historische Bibliothek, bestehend aus mind. 15.000-20.000 Bänden aus dem 15. bis 19. Jahrhundert (unter anderem die Bestände der sogenannten „Josephinischen Bibliothek“), im Josephinum. Neuburger, der im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung 1938 von der Universität entlassen wurde und nach England fliehen musste, überließ dem Institut auch zahlreiche Bücher, Bilder und Instrumente. Dank Neuburger war ein einzigartiges medizinhistorisches Material im Josephinum zusammengeführt, aber noch nicht wissenschaftlich erschlossen worden.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zeigte sich das Josephinum renovierungsbedürftig, die Bestände waren aufgrund der durch den Krieg bedingten Auslagerungen von Büchern und sonstigen Objekten nach Niederösterreich und Oberösterreich unter dem Institutsleiter Fritz Lejeune (1892–1966) sowie deren Rückführung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und mangels Nachweisinstrumenten kaum benutzbar. Sehr anschaulich beschreibt Erna Lesky in einem anlässlich der 600-Jahrfeier der Universität Wien 1965 erschienenen Aufsatz, wie ambitioniert sie sich als neu ernannter Vorstand mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den aufwändigen bibliothekarischen Herausforderungen gestellt hat: „Die innere Besitznahme dieses alten Erbes hat sich zunächst in einer sehr nüchternen Weise vollzogen. Wir haben jedes von den vielen tausend Büchern, Museumsobjekten, Bilder, Diplomen, Medaillen usw. in die Hand genommen, uns mit ihm auseinandergesetzt, es auf seinen Wert und seinen Inhalt befragt und diesen in Tausenden von Karteikarten gemäß den Anforderungen einer modernen Bibliotheks-, Bild- und Museumsaufnahme registriert.“
Lesky formulierte bei ihrem Antritt als Leiterin zwei Ziele, die sie erreichen wollte. Das Institut für Geschichte der Medizin sollte ein gut funktionierendes Dokumentations-, Informations- und Forschungszentrum für das Fach Medizingeschichte sein. Und die historischen Bestände der Universitätskliniken und Institute der Medizinischen Fakultät der Universität Wien sollten im Josephinum vereint und durch eine fachgemäße Bearbeitung wissenschaftlich erschlossen werden. Hierfür konnte sie die finanzielle Unterstützung des Wellcome Trusts in London und der Carnegie Mellon Foundation (New York) gewinnen.
Zeitgleich mit der zwischen 1962 und 1965 erfolgten Generalsanierung des Gebäudes (Kosten: 13,7 Mio. öS) als einem der schönsten frühklassizistischen Gebäude Wiens betrieb Lesky auch die Reorganisation des Instituts und nahm eine Gliederung in vier Abteilungen vor: Bibliothek, Bildarchiv, Handschriftensammlung und Museum. In der zweiten Auflage der von ihr herausgegebenen Broschüre über „Das Wiener Institut für Geschichte der Medizin im Josephinum“ (1979) hielt Lesky fest, dass in neunzehnjähriger Arbeit die beiden von ihr formulierten Ziele in den vier Abteilungen des Instituts erreicht werden konnten. Sie instruierte persönlich die mit den Katalogisierungsaufgaben befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, überwachte deren Tätigkeit und beteiligte sich selbst an den bibiothekarischen Arbeiten, wie Helmut Wyklicky (1921–2007), ihr Nachfolger als Vorstand des Instituts für Geschichte der Medizin, in verschiedenen Publikationen festgehalten hat. So besprach sie mit der zuständigen Mitarbeiterin am Institut regelmäßig die zu vergebenden Schlagwörter für den Katalog und traf auch persönlich die Auswahl der Bücher, die in den Handapparat der essentiellen medizinhistorischen Werke aufgenommen werden sollten. Halbjährlich nahm sie Termine mit Antiquariaten wahr, um Dubletten des Instituts gegen benötigte Monografien zu tauschen.
Mit verschiedenen bibliothekarischen, dokumentarischen und archivarischen Aufgaben wurden wenn auch in unterschiedlicher Intensität, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Medizin befasst; in der 19jährigen Ära von Erna Lesky als Institutsvorstand waren insgesamt 22 Personen in den Funktionen Assistenten, Vertragsassistenten, gehobener Fachdienst an Bibliotheken sowie sonstiges Personal beschäftigt und diese trugen somit dazu bei, Leskys Konzept für Bibliothek, Bildarchiv, Handschriftensammlung und Museum zu realisieren: Marlene Jantsch, Helmut Wyklicky, Hilde Münster, Jutta Lauber, Hilde Dönt, Robert Schön, Marie Luise Leder, Karl Sablik, Edith Rohleder, Wilhelm Schramek, Michael Oberhummer, Eva Renate Rohl, Helmut Leitner, Erna Poschinger, Robert Nedorost, Gretel Rind-Radlmüller, Maria Herbst, Antonia Glorius, Hugo Mihsliwetz, Manfred Skopec, Brigitte Maurer, Margarete Dvorak und Ingeborg Schidla (Quelle: Personalstand der Universität Wien für das Studienjahr 1960/61 bis 1979/80).
Die zu Leskys Zeiten ca. 80.000 Bände, 80.000 Separata und 5.200 medizinische Dissertationen umfassende Bibliothek wurde in mehreren Autoren- und einem gemeinsamen Schlagwortkatalog systematisch erschlossen. Als eines der ersten Arbeitsprojekte wurde die Josephinische Bibliothek in den Jahren 1962 bis 1965 in einem eigenen Katalog erfasst. Für die Neuerwerbungen der Bibliothek konnte 1976 ein neuer Bücherspeicher mit 1.000 Laufmeter Regalfläche eröffnet werden. Lesky bezeichnete die Bibliothek und den neu erstellten Katalog als „Blüthner Flügel“, der nunmehr für Mitarbeiter und Gäste des Instituts zur Verfügung gestellt worden und von diesen zu bespielen sei.
Das Bildarchiv, dessen Grundstock auf die Bildersammlung Max Neuburgers zurückgeht, wurde als eigenständige Abteilung eingerichtet und die ca. 30.000 Objekte wurden in einem Katalog wissenschaftlich erschlossen. 1966 gelangten zahlreiche Ärzteporträts aus den Beständen der Gesellschaft der Ärzte in Wien an das Institut, darunter die Sammlung von Theodor Billroth (1829–1894).
Auch die Handschriftensammlung, deren Kern ebenfalls von Max Neuburger stammt und die u. a. Nachlässe von bedeutenden Vertretern der Wiener Medizinischen Schule beinhaltet, wurde neu geordnet.
Weiters wurde das medizinhistorische Museum, das die Geschichte der Wiener Medizinischen Schule des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts darstellt, nach den damals modernen museologischen Prinzipien völlig neugestaltet. Die Wachsmodelle wurden in den Jahren 1960 bis 1962 neu katalogisiert; in den Folgejahren bis 1966 wurden die 360 goldverzierten Rosenholz- bzw. Palisandervitrinen restauriert und die gröbsten Schäden an den Wachsmodellen behoben.
Lesky wollte das Institut aufgrund seiner großen Verdienste nach seinem ersten Leiter in „Neuburger-Institut“ umbenennen, was aber von der Medizinischen Fakultät der Universität Wien untersagt wurde. Neuburger, der einer jüdischen Kaufmannsfamilie entstammte und 1939 nach England emigrieren musste, war 1952 nach Wien zurückgekehrt, wo er 1955 verstorben ist.
Die unter der Anleitung von Lesky erstellten Zettelkataloge für die Josephinische Bibliothek und die Wachsmodelle-Sammlung bildeten die Basis für die entsprechenden im Druck veröffentlichten Bestandskataloge. Vorausschauendes Ziel in einer Ära ohne die Möglichkeiten des Internets war es, die internationale medizinhistorische Forschung durch die Erstellung bzw. Zurverfügungstellung gedruckter Kataloge über die beiden besonders wertvollen Vermächtnisse aus der Zeit Josefs II – ohne Besuch vor Ort – informieren zu können: „Katalog der Josephinischen Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin in Wien“ (1974).
Im Zuge der Generalsanierung wurde auch ein Arbeitsbereich zur Erstellung von Reproduktionen („Fotokammer“) aus Büchern und Zeitschriften, aus dem umfangreichen Handschriftenbestand und aus dem Bildarchiv eingerichtet.
Unter Erna Lesky gelangten auch bedeutende Schenkungen und Dauerleihgaben an das Institut für Geschichte der Medizin. Als besonders wertvolle Zuwächse in ihrer Ära sind die Übergabe der historischen Bibliothek des medizinischen Doktorencollegiums, bestehend aus ca. 2.500 Bänden (1970), und von ca. 30.000 Bänden der historischen Bibliothek der Gesellschaft der Ärzte in Wien (1976) zu nennen.
In den 1970er Jahren traf sich Erna Lesky in Wien regelmäßig mit József Antall (1932–1993), dem späteren ungarischen Ministerpräsidenten von 1990 bis 1993. Antall war Bibliothekar, Leiter des Semmelweis-Museums für Geschichte der Heilkunde in Budapest sowie Medizinhistoriker und engagierte sich demnach in denselben Berufsfeldern wie Lesky.
Wie sehr Lesky die Bibliothek am Herzen lag, spiegelt sich im letzten Absatz eines 1976 in der „Wiener Medizinischen Wochenschrift“ publizierten umfangreichen Aufsatzes über das Institut für Geschichte der Medizin in Wien: „Die Zukunftsaufgaben des Instituts stellen sich vor allem als sinnvolle Weiterführung der hier geschilderten Unternehmungen, wobei die Katalogisierung und Aufschließung der neu zugewachsenen Bücherbestände (1000 Regalmeter!) im Vordergrund stehen. Durch sie hoffen wir, die Bibliothek des Instituts zu einer der größten und wohl erschlossensten medizinhistorischen Bibliotheken der Welt auszubauen.“
Dass Erna Lesky ihren Weg der Neugestaltung des Instituts für Geschichte der Medizin in den Jahren 1960 bis 1979 erfolgreich umsetzen konnte, wird in der Aussage von Erwin Ackerknecht (1906–1988), Medizinhistoriker in Zürich, deutlich, der erklärte, das Josephinum sei „ein internationaler Wallfahrtsort aller medizinhistorisch Interessierten“ geworden.
Seit 2004 ist die Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin als Zweigbibliothek der Universitätsbibliothek der neu errichteten Medizinischen Universität Wien zugeordnet, seither sind Bildarchiv, Handschriftensammlung und medizinhistorisches Museum Teil der Sammlungen der Medizinischen Universität Wien. 2007 wurde von der Medizinischen Universität Wien ein Projekt zur NS-Provenienzforschung und Restitution von Büchern gestartet, die während der NS-Herrschaft ihren ursprünglichen Besitzerinnen und Besitzern geraubt worden waren und danach an die damalige Institutsbibliothek gekommen sind. Dieser Problematik stellt man sich in Österreich erst seit den 1990er Jahren, weshalb sie auch in der Ära von Erna Lesky noch nicht thematisiert worden ist.
Erna Lesky wurde als erste Frau an der Universität Wien ordentliche Professorin und sie war auch als Medizinhistorikerin und als Organisatorin der Renovierung und der Neukonzeption des Josephinums sehr erfolgreich. Aber auch wenn Lesky eine erfolgreiche Karriere in einem von Männern dominierten Umfeld gemacht hat, so war sie dennoch keine Feministin im modernen Sinn. So gestattete der von ihr für das Institut verfügte Dresscode Mitarbeiterinnen ausschließlich das Tragen von Röcken, während Hosen strengstens untersagt waren. Auch war sie keine Fördererin von Frauen, deren Anstellung sie mit dem Hinweis darauf, dass diese schwanger werden könnten, zumeist ablehnte. Lesky engagierte sich aber in der Organisation der Ärztinnen Österreichs und war deren Präsidentin, als das Haus der Ärztinnen als Alterswohnheim für unverheiratete Ärztinnen 1973 eröffnet worden ist.
Auszeichnungen und Mitgliedschaften: Erna Lesky war Mitglied in vielen europäischen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften, u. a. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (seit 1965), der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1965) und der Internationalen Akademie für Geschichte der Medizin (seit 1963), deren Generalsekretärin sie von 1971 bis 1973 war.
Lesky wurden auch zahlreiche Ehrungen zuteil, u. a. die Jubiläumsmedaille der Universität Innsbruck (1969), Esculape D’or (1970), die Karl-Sudhoff-Plakette (1976) sowie die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik e.V. (1981), die Johann-Peter-Frank-Medaille für besondere Verdienste im öffentlichen Gesundheitsdienst (1977), die Billrothmedaille der Gesellschaft der Ärzte in Wien (1983) und die Cothenius-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1983). Darüber hinaus erhielt sie die Ehrenmitgliedschaft zahlreicher europäischer und internationaler medizinhistorischer Gesellschaften. Besonders bemerkenswert sind die Verleihung des Universitätspreises der Wiener Wirtschaft an Erna Lesky (1979), ihre Berufung als erste Senatorin in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle (1970) und die Verleihung des Ehrendoktorates der Universität Zürich (1978). 1994 erfolgte die Benennung einer Gasse im 22. Wiener Gemeindebezirk nach Albin und Erna Lesky (Leskygasse). 1998 wurde auch ein Tor am Universitätscampus der Universität Wien nach dem Professorenpaar benannt.

Literatur / Quellen

Quellen
Archiv der Universität Wien, Handschriftensammlung und Bildarchiv der Sammlungen der Medizinischen Universität Wien, Gespräch mit Univ.-Doz. Dr. Manfred Skopec im Josephinum (12.3.2014).

Literatur
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Horn, Sonia: Jantsch, Marlene, geb. Ratzersdorfer. In: Keintzel , Brigitta/Korotin, Ilse (Hg.): Wissenschaftlerinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Böhlau, Wien – Köln – Weimar 2002, S. 333–334.
Hubenstorf, Michael: Von Erfolg und Tragik einer Medizinhistorikerin: Erna Lesky (1911–1986). In: Meinel, Christoph/Renneberg, Monika (Hg.): Geschlechterverhältnisse in Medizin, Naturwissenchaft und Technik. Verlag für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, Bassum – Stuttgart 1996.
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Biografieautor:

Bruno Bauer