Kolmer, Eva

Ps. Mitzi Hartmann, Ps. Eva Lindt, Kolmer-Wolloch, Schmidt-Kolmer

* 25.6.1913, Wien † 29.8.1991, Berlin
Verbandsfunktionärin, Schriftstellerin und Sozialhygienikerin

1931 Externistinnenmatura; Studium der Medizin an der Universität Wien 1931-1938 als Werkstudentin (mit Unterbrechungen) u. a. im Labor bei Prof. Freund; 1938 Emigration über die Schweiz, Frankreich nach GB; Laborantin bei der Pearson-Stiftung; aktives Mitglied der KPÖ als Generalsekretärin der österreichischen Flüchtlingsorganisation ”Austrian Centre“; 1941 Mitbegründerin des ”Free Austrian Movement“; Dr.med. 1952, Fachärztin für Sozialhygiene; 1954-1956 Assistentin am Institut für Sozialhygiene an der Karl-Marx-Universität in Leipzig; 1957 Habilitation; 1956-1965 am Institut für Sozialhygiene der Humboldt-Universität, Berlin, tätig; 1966-1974 Direktorin der Zentralstelle, 1963 Vaterländischer Verdienstorden in Gold und Großer Stern der Völkerfreundschaft.
Heirat mit Jakob Wolloch, Dipl.-Ing., geschieden; 1947 Heirat mit Heinz Schmidt, zwei Kinder.

Bereits als Schulmädchen besuchte E. K., die aus einer bürgerlichen, jüdischen Familie stammte, an der Volkshochschule Kurse in analytischer und Mikrochemie. Unter der Leitung von Feigl arbeitete sie experimentell und war an der Veröffentlichung „Ein spezifischer Nachweis des Cadmiums“ 1930 beteiligt. 1930 verließ sie das Gymnasium, um in einer Glühlampenfabrik, dann im bakteriologischen Labor des Wiener Universitätsinstituts für experimentelle Pathologie als wissenschaftliche Hilfskraft zu arbeiten und legte 1931 das Abitur als Externistin ab. Parallel zum Studium arbeitete sie halbtags im Wiener Institut für Krebsforschung (Pearsonstiftung). Aus dieser Zeit stammen weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen. Im Alter von 13 Jahren wurde sie in der sozialistischen Jugendorganisation „Rote Falken“ aktiv und trat bereits mit 17 Jahren im September 1930 der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) bei. Hier übte sie verschiedene Funktionen bis hin zur Mitarbeit in der Organisationsabteilung des Zentralkomitees aus. Zur Zeit des Parteiverbots ab 1933 war sie halblegal in Vereinen und Massenorganisationen für die KPÖ tätig. Als „kommunistische Emissärin“ wurde sie im August 1934 verhaftet und aus Mangel an Beweisen ohne Gerichtsverfahren auf administrativem Wege mit einer sechswöchigen Polizeistrafe und drei Monaten Anhaltelager belegt. Ihr Studium durfte sie anschließend fortsetzen. Die Arbeit im Labor bei Professor Freund verlor sie aufgrund anhaltender politischer Aktivität erst 1937. März 1938 Emigration über die Schweiz und Frankreich nach Großbritannien. Laborantin bei der Pearson-Stiftung, Ausscheiden aus politischen Gründen. In London arbeitete sie weiter für die KPÖ als Generalsekretärin der österreichischen Flüchtlingsorganisation ”Austrian Centre“ und begründete 1941 den Koordinierungsrat aller politischen Richtungen ”Free Austrian Movement“ mit, der 1944 zum ”Free Austrian World Movement” erweitert wurde. Von hier aus gelang es ihr auch, ihren drei Geschwistern zur Flucht zu verhelfen. Obwohl sie für eine Parteilaufbahn im österreichischen Parlament vorgesehen war und sich nach Teilnahme am Gründungskongress der Internationalen Demokratischen Frauenförderation bereits ab Januar 1946 wieder in Wien befand, folgte sie Heinz Schmidt im August 1946 in den Osten Deutschlands. Sie war zunächst Mitarbeiterin verschiedener politischer und Gesundheitseinrichtungen, nach dem Studienabschluss und der Assistentinnenzeit (1954-1956) am Institut für Sozialhygiene an der Karl-Marx-Universität in Leipzig kehrte sie an die Humboldt-Universität zurück und war von 1956 bis 1965 am Institut für Sozialhygiene der Universität tätig. Sie habilitierte sich 1957 und bekam danach eine Dozentur übertragen. 1961 erhielt sie die erste Professur mit Lehrauftrag für Hygiene des Kindes- und Jugendalters. Sie leitete ab 1959 die Abteilung für Hygiene im Kindesalter und war von 1966 bis zu ihrer Emeritierung 1974 Direktorin der Zentralstelle, die ab 1973 Institut für Hygiene des Kindes- und Jugendalters in Berlin hieß. E. S.-K. gilt als Begründerin des Spezialgebiets „Hygiene des Kindes- und Jugendalters“ und wurde vor allem durch ihre Beiträge zur Krippenforschung bekannt. Ihre Theorien wurden jedoch oft als marxistischer Sensualimus kritisiert, was E. S.-K. jedoch nicht davon abhielt, unbeeindruckt an ihren Auffassungen festzuhalten.
Sie war Mitglied der KPÖ und SED, später PDS, Ratsmitglied „Internationale Demokratische Frauenföderation“. Sie wurde 1963 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Großen Stern der Völkerfreundschaft ausgezeichnet.

Werke

unter Hartmann, Mitzi (Ps.):
Austria still lives. 1938.
Hilfe für die Österreicher im befreiten Europa. In: Bericht von der Konferenz über österreichische Flüchtlingsfragen des FAM vom 17.9.1944, 1944.
Das Austrian Centre. 7 Jahre österreichische Gemeinschaftsarbeit, 1945.

unter Eva Schmidt-Kolmer (Auswahl):
Bewegungserziehung, Bildnerische Erziehung, Musikerziehung. Lehrbuch für Fachschulausbildung (Krippenpädagogik). VEB Verlag Volk und Gesundheit, 1989.
Pädagogik (Krippenpädagogik). VEB Volk und Gesundheit, 1983.
Verhalten und Entwicklung des Kleinkindes. Akademie-Verl., 1959.
Frühe Kindheit. Beiträge zur Psychologie, Volk und Wissen, 1984.
Pädagogische Aufgaben und Arbeitsweise der Krippen. Volk u. Gesundheit VEB, 1970.
Gem. mit Neubert, R. / Kiehl, W. / Schorr, R.: Leitfaden für den Jugendarzt. Volk und Gesundheit, 1964.
Die Pflege und Erziehung unserer Kinder in Krippen und Heimen. Volk u. Gesundheit, 1956.

Literatur / Quellen

Arndt, G.: Leben und wissenschaftliches Werk Eva Schmidt-Kolmers : (25.06.1913 – 29.08.1991) unter besonderer Berücksichtigung ihrer Beiträge zum Kinder- und Jugendgesundheitsschutz in der DDR. Dissertation, Greifswald, 2002.
Brinson, Ch.: Eva Kolmer and the Austrian emigration in Britain, 1938-1946. In: Grenville, A. (Hg.): German-speaking Exils in Great Britain. The Yearbook of the Research Centre for German and Austrian Exile Studies, Vol. 2. Amsterdam, Atlanta, 2000, S. 143-169.
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Österreicher im Exil. 1934-1945. Eine Dokumentation. Großbritannien 1938-1945. Wien, 1992.
Muchitsch, W.: Mit Spaten, Waffen und Worten. Die Einbindung österreichischer Flüchtlinge in die britischen Kriegsanstrengungen 1939-1945. Wien, Zürich, 1992.
Röder, W. / Strauss, H. A. (Hg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 (= International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945). 3 Bde. München, 1980-1983.
Sternfeld, W. / Tiedemann, E.: Deutsche Exil-Literatur 1933-45. Heidelberg, 1970.
Maimann, H.: Politik im Wartesaal. Österreichische Exilpolitik in Großbritannien 1938 bis 1945. Wien, Köln, Graz, 1975, S. 76.

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