Köstler Marie, geb. Mattausch, Koestler, Maria; Angestellte, Nationalrätin und Parteifunktionärin
Geb. Niemes, Böhmen (Mimoň, Tschechien), 21.11.1879
Gest. Wien, 11.1965
Herkunft, Verwandtschaften: M. K. wuchs in Böhmen bei ihren Großeltern (Großvater Drechslermeister) auf, ihr Vater war früh verstorben und ihre Mutter krank. Nach dem Tod des Großvaters kam sie 1895 nach Wien zu ihrer Tante mütterlicherseits.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heiratete mit 17 Jahren einen wesentlich älteren Wiener Gemeindebediensteten; mehrere Kinder.
Ausbildungen: M. K. absolvierte die siebenklassige Volksschule in Nimes mit „sehr gutem Erfolg“. Später besuchte sie eine Krankenpflegeausbildung.
Laufbahn: M. K. nähte nach der Volksschule zuerst in Heimarbeit Hemdenkrägen. Sie arbeitete ab 1914 als Krankenpflegerin in einem Militärkrankenhaus in der Steiermark, ab 1915 in der Landesstelle des Roten Kreuzes. Sie war 1917 an der Gründung einer Krankenpflegerinnengewerkschaft in Graz beteiligt. 1922 wurde sie zur Leiterin des Vormundschaftsamtes in der Steiermark bestellt. Sie war ab 1920 für die sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs Landtagsabgeordnete, bis sie 1930 in den Nationalrat wechselte (eine von vier Frauen der SdP). M. K. war als „Mutter Köstler“ das Symbol der kämpfenden Arbeiterfrau. Als Delegierte der Steiermark zur Frauenreichskonferenz 1926, wo die Linie der Frauen zum Paragraph 144 diskutiert wurde, sprach sie sich in den Debatten zur Geburtenregelung gegen eine Beschränkung der Fristenlösung auf eine Indikationenlösung aus. Sie folgte Martha Tausk als Landesfrauenvorsitzende in der Steiermark nach. M. K. gehörte innerhalb des Frauenzentralkomitees zu den Kritikerinnen des zu weichen Vorgehens der SDAP gegen die zunehmenden antidemokratischen Tendenzen. Im Februar 1934 wurde sie wegen „Hochverrats“ in Graz inhaftiert und nach wochenlanger Haft des Landes verwiesen. Sie emigrierte nach London. Dort war sie in der sozialdemokratischen Exilorganisation tätig und Befürworterin der Zusammenarbeit mit der kommunistischen Emigration. Als Mitarbeiterin des FAM sprach sie einige Male in Sendungen der BBC zu österreichischen Hörern. Aufgrund interner Konflikte, insbesondere mit Oskar Pollak, wurde sie aus der Sozialdemokratischen Partei Österreichs ausgeschlossen (1941 Parteiausschluss, 1946 nicht wieder aufgenommen) und trat 1946 der Kommunistischen Partei Österreichs bei. Dort arbeitete sie am Aufbau der Kinderorganisation (Obfrau bei der Gründungsversammlung der „Freien Demokratischen Vereinigung Österreichs − Kinderland“) und im Bund demokratischer Frauen (BDF) mit. Auch nach ihrer Pensionierung 1954 war sie weiterhin im BDF tätig.
Ausz., Mitglsch.: Mitglied SDAP, 1917-1933 Sekretärin einer Krankenpflegerinnengewerkschaft in Graz, 1919 Sekretärin des Krankenpflegepersonals in Graz, bis 1934 (Verbot der Gewerkschaften) Vorsitzende des gewerkschaftlichen Fachverbandes, Mitglied der Landesgewerkschaftskommission Steiermark, Landesfrauenvorsitzende der Steiermark; 1920-30 Landtagsabgeordnete Steiermark, Mitglied des Frauenreichskomitees, des Frauenzentralkomitee; 2.12.1930-17.2.1934 Nationalratsabgeordnete, 1941 Mitunterzeichnerin der „Deklaration österreichischer Vereinigungen in Großbritannien“, Gründerin und Vorsitzende der „League of Austrian Socialists in Great Britain“, Ende 1941 Beitritt der League zum FAM, Mitglied des leitenden Ausschuss des FAM, Vorsitzende „Coordinated Committee of Austrian Women“; Mitglied KPÖ, 1946-51 Mitglied des ZK der KPÖ; Vorstandsmitglied, Ehrenpräsidentin des BDF.
Qu.: Nachlass M. K. im Besitz des DÖW. AK-Dokumentation, Zeitungsarchiv der Volksstimme; IfZ München; VGA.
W.: 1. Republik: Reden zu Frauenfragen, „Warum Spaltung in der österreichischen Sozialdemokratie? Eine Erklärung“ (o. J. 1943), „Die Frau im Fürsorgeberuf. In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich, hg. v. Käthe Leichter“ (1930), „An den Verband der österreichischen Sozialdemokraten in Großbritannien, London 7.2.1946“, „An die Leitung der kommunistischen Partei Österreichs, 7.2.1946“, „An die Mitglieder der Sozialistischen Partei Österreichs“ (o. J.)
L.: BLÖF, Dokumentationsarchiv 1992, Hauch 1995, Maimann 1975, Muchitsch 1992, Podgornik 1985, Röder/Strauss 1980-1983, Tidl 1976, Weber 1986, Weinzierl 1975, Die Unzufriedene, 29.11.1930, Neun Sozialdemokratinnen im Parlament. In: Salzburger Wacht, 19.11.1930, http://www.fraueninbewegung.onb.ac.at/