Ketzlik Erna

geb. Schwarzfeld; Bibliothekarin
* 5.12.1904, Wien, † 24.12.1986, Wien

Erna Ketzlik (geb. Schwarzfeld) wurde am 5. Dezember 1904 in Wien in einer jüdischen Familie geboren. Hier besuchte sie fünf Jahre lang die Volks- und drei Jahre die Bürgerschule. Politisch war sie ab 1920 zunächst in einer zionistisch orientierten Jugendorganisation aktiv, ab 1924 war sie Gewerkschaftsmitglied. Seit 1930 gehörte sie der KPÖ an, deren Mitglied sie ein Leben lang blieb. Im März 1931 heiratete sie den knapp 20 Jahre älteren Buchdrucker und führenden Parteifunktionär Alois Ketzlik (mancherorts auch „Keclik“), der seit 1923 dem Parteivorstand bzw. Zentralkomitee der KPÖ angehörte und als Redakteur des Zentralorgans „Die Rote Fahne“ bzw. als Gewerkschaftssekretär arbeitete. 1929/30 war er Wiener Sekretär der Partei, ab 1930 Arbeiterkammerrat in Wien. Aufgrund der Verfolgung der KPÖ durch die autoritäre Regierung Dollfuß – Alois Ketzlik wurde im März 1933 verhaftet – gingen beide im Oktober 1933 in die Sowjetunion. Im März 1933 war auch gegen Erna Ketzlik Anzeige erstattet worden wegen Verdachts „des Vergehens der Teilnahme an einer geheimen Gesellschaft“, womit ihr politisches Engagement für die zu diesem Zeitpunkt bereits verbotene KPÖ-nahe Hilfsorganisation „Österreichische Arbeiterhilfe“ angesprochen wurde.
Für Erna Ketzlik bedeutete das politische Exil in der Sowjetunion eine berufliche Neuorientierung. Von Juni 1934 bis Juli 1935 arbeitete sie als Redaktionssekretärin der „Deutschen Zentral-Zeitung“ (DZZ), dem deutschsprachigen Organ der deutschen Sektion der Kommunistischen Internationale. Hier war von Dezember 1933 bis Februar 1938, bis zu seiner Verhaftung, auch Alois Ketzlik als Leiter der Abteilung für ausländische Arbeiter tätig. Danach besuchte sie zwei Semester die Pädagogische Hochschule in Moskau, die sie aber nicht beendete, und arbeitete als Deutschlehrerin.
Ketzliks berufliche Laufbahn als Bibliothekarin begann am 1. August 1937, als sie in der Zentralbibliothek für fremdsprachige Literatur in Moskau zu arbeiten begann. Es ist davon auszugehen, dass die besonderen Umstände der politischen Emigration für diese Berufswahl mitausschlaggebend waren. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie bereits getrennt von Alois Ketzlik, der wenig später dem Stalin-Terror zum Opfer fiel. Im Februar 1938 wurde er unter falschen Anschuldigungen verhaftet und am 30. August 1938 erschossen (er wurde 1956 rehabilitiert). Von November 1937 bis Oktober 1941 leitete Ketzlik die Bibliothek des Ferninstituts für Fremdsprachen in Moskau. Ihre Tätigkeit als Bibliothekarin wurde nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion durch die nun folgenden Jahre der Evakuierung unterbrochen. So arbeitete sie von Februar 1942 bis November 1945 als Leiterin der Trikotagenabteilung einer Industriegenossenschaft nahe Poltawka.
Im Dezember 1945 kehrte Ketzlik nach Wien zurück, wo sie erst 1950 wieder an ihre bibliothekarische Laufbahn anknüpfen konnte. Am 11. Februar 1946 trat sie in das neu geschaffene Bundesministerium für Energiewirtschaft und Elektrifizierung ein, das von Karl Altmann, dem einzigen kommunistischen Mitglied der Figl-Regierung, geleitet wurde und somit auch kommunistischen Fachleuten gewisse Arbeitsplatzmöglichkeiten bot. Ketzlik arbeitete zunächst im Pressereferat und dann als Vertragsbedienstete des gehobenen Dienstes in den Abteilungen für Materialbeschaffung und Planung als Dolmetscherin und Übersetzerin für die russische Sprache, wobei sie vor allem bei Verhandlungen mit der sowjetischen Besatzungsmacht zum Einsatz kam. Daneben war sie mit verschiedenen statistischen Arbeiten befasst. Das Ausscheiden der KPÖ aus der Regierung im November 1947 spiegelte sich darauf auch in entsprechenden personalpolitischen Maßnahmen wider: Als das Energieministerium nach den Nationalratswahlen des Jahres 1949 in das Bundesministerium für Verkehr eingegliedert wurde und die Weisung erging, den Personalstand zu überprüfen, wurde Ketzlik gekündigt. Am 31. Dezember 1949 endete ihr Dienst im Bundesministerium.
Es war Ausdruck dieser politischen Konstellation, dass Ketzlik kurz darauf im KPÖ-nahen Bereich wieder Arbeit fand, was ihr ermöglichte, wieder in den Bibliothekarsberuf zurückzukehren: So begann sie im Jänner 1950 ihre Arbeit in der Bibliothek der „Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft“ (ÖSG), der Freundschaftsgesellschaft zur Sowjetunion, die 1945 unter der Bezeichnung „Gesellschaft zur Pflege der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion“ gegründet worden war. In der Studienbibliothek im zweiten Stock der ÖSG-Zentrale in der Himmelpfortgasse 13 im ersten Wiener Gemeindebezirk war Ketzlik bis zu ihrer Pensionierung im November 1965 als Leiterin tätig. Hier befand sich die damals größte und vollständigste Sammlung neuerer sowjetischer Literatur, sowohl wissenschaftlicher Werke über die Sowjetunion als auch Sowjet-Belletristik: In den 1950er Jahren umfasste sie 11.000 Bände in russischer und 2.000 in deutscher Sprache, sowie 110 sowjetische und 45 österreichische Fachzeitschriften. Darüber hinaus waren der Studienbibliothek eine Musikbibliothek (mit sowjetischen Partituren, Klavierauszügen und sonstigem Notenmaterial) und ein Schallplattenarchiv angeschlossen, eine Sammlung von Kunstbüchern, Landkarten und ein Zeitungsarchiv der wichtigsten sowjetischen Tageszeitungen. Die Werke konnten entweder in einem Leseraum eingesehen werden, der von Montag bis Freitag geöffnet war, oder auch entlehnt werden. Informationen über die Bestände und Neuzugänge wurden in einem „Mitteilungsblatt“ veröffentlicht. Darüber hinaus war auch eine Fernleihe aus der Lenin-Bibliothek in Moskau möglich. (Die zentrale Bibliothek der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft. In: Mitteilungsblatt Nr. 1 der zentralen Bibliothek, März 1953, S. 1–2). Als Leiterin der ÖSG-Studienbibliothek gehörte Ketzlik auch der „Vereinigung Österreichischer Bibliothekare“ an (Österreichische Bibliotheken 1957, S. 87).
Nach ihrer Pensionierung war Ketzlik als Hobbymalerin aktiv und nahm Unterricht bei Fritz Martinz, Florentine Pakosta und Adolf Frohner. Im Dezember 1973 war in der Galerie ZB der kommunistischen „Zentralbuchhandlung“ in der Schulerstraße eine Ausstellung mit Miniaturen und Aquarellen Ketzliks zu sehen. Erna Ketzlik starb am 24. Dezember 1986 in Wien.

Literatur / Quellen

Quellen
Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik, BM für Verkehr, Personalakten, Zentrales Parteiarchiv der KPÖ.

Literatur
Vereinigung Österreichischer Bibliothekare (Hg.): Österreichische Bibliotheken. Statistik und Personalverzeichnis. Österreichische Nationalbibliothek, Wien 1957 (Biblos-Schriften, Bd. 14).

Biografieautor:

Manfred Mugrauer

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