Haubfleisch Marie; Philosophin und Volksschullehrerin
Geb. Wien, 21.11.1886
Gest. ?
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Karl Haubfleisch, städtischer Oberbaurat.
Ausbildungen: Volks-, Bürgerschule und Lehrerinnenbildungsanstalt des Zivilmädchenpensionats in Wien, Nach Reifeprüfung und Lehrbefähigungsprüfung ab 1908 im öffentlichen Schuldienst tätig (Volksschullehrerin in Wien 9, Grünentorgasse 7). 1914 Reifeprüfung am Akademischen Gymnasium in Wien. Ab dem WS 1914/15 Studium der Philosophie und Geschichte an der Universität Wien. 1920 Promotion. Nach dem Doktorat weiterhin a.o. Hörerin (nachweisbar bis zum 19. Semester).
Laufbahn: M. H. bleibt nach Studienabschluss auch weiterhin dem Werk ihres Lehrers Robert Reininger (1869-1955) verbunden. Reininger war der erste Philosoph, der an der Universität Wien systematisch die gesamte Geschichte der Philosophie lehrte. Er galt als hervorragender Kantkenner und –interpret. Seine Hauptinteressen und –arbeitsgebiete waren die Erkenntnis- und Werttheorie.
In der von Reininger nach seiner 1922 erfolgten Berufung zum o. Professor der 1. Lehrkanzel für Philosophie geleiteten „Philosophischen Gesellschaft an der Universität Wien“ (ab 1927 zugleich Ortsgruppe Wien der deutschen „Kant-Gesellschaft“) ist M. H. eine der aktivsten Vortragenden (u. a. am 4. März 1927: „Wege zur Lösung des Leib-Seele-Problems“, 3. Juni 1927 über: „Julius Schultz: Leib und Seele“, 10. Mai 1929 Referat über „Ernst Rothacker: Logik und Systematik der Geisteswissenschaften“, 23. Mai 1930 über „Martin Heidegger: Sein und Zeit“. Am 1. Dezember 1933 Vortrag „Das Absolute und das Ich in der Metaphysik der Gegenwart“, am 5. Juni 1936 Referat über „Nicolai Hartmann: Zur Grundlegung der Ontologie“). Bei der Gedächtnisfeier für Karl Neisser (†1935) am 23. April 1937 liest M. H. aus den hinterlassenen Manuskripten.
Der Anstoß zur 1887/88 gegründeten „Philosophischen Gesellschaft“ war von Franz Brentano, Alois Höfler und Kasimir Twardowski ausgegangen und nannte als Motiv das Bedürfnis nach Aussprache über philosophische Probleme außerhalb der Universität. Die Liste der Vortragenden zeigt ein vielfältiges Bild. Sie nennt Mitglieder des späteren „Wiener Kreises“ wie etwa Hans Hahn (z. B. am 28. Jänner 1927: „Über neuere logische Theorien“) und Otto Neurath (z. B. am 13. März 1924: „Geschichtsphilosophische Probleme der Architekturentwicklung“) ebenso wie Vertreter traditioneller deutschnationaler bis katholischer Weltanschauung wie Hans Eibl (z. B. am 13. Februar 1931: „Die Nachwirkung des Augustinischen Denkens in der neuen Philosophie“), zusammen mit vielen Fachwissenschaftern von der Literatur über die Philologie bis zur Musik.
Neben Vorträgen, Buchreferaten und eigenen Publikationen versieht M. H. die Korrekturen von Robert Reiningers wichtigsten Werken. Im Vorwort zur 2. Auflage des Buches „Das psychophysische Problem. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung des Physischen und Psychischen überhaupt“ (Wien/Leipzig 1930) spricht Reininger ihr hierfür seinen Dank aus. Reininger vergisst in diesem Buch auch nicht, die wissenschaftlichen Leistungen der Philosophin zu erwähnen, indem er ihr 1929 erschienenes Buch „Wege zur Lösung des Leib-Seeleproblems“ als „ausgezeichnete Orientierung“ in dieser Frage erwähnt. Auch noch 1951 sieht sich Reininger in seinem Buch „Metaphysik der Wirklichkeit“ der Philosophin „zu herzlichem Danke verpflichtet“.
Qu.: UA Wien: Nationale, Rigorosenakt.
W.: „Die Individualität der allgemein menschlichen Seele bei Wilhelm Dilthey. Phil. Diss. Wien“ (1920), „Wege zur Lösung des Leib-Seeleproblems“ (1929), „Leib und Seele. Ihr Unterschied und ihre wechselseitigen Beziehungen“ (1930), „Die Wissenschaftstheorie Robert Reiningers. In: Schmida, Susanne (Hg.): Philosophie der Wirklichkeitsnähe. Festschrift zum 80. Geb. Robert Reiningers“ (1949), „Von der Lauterkeit der Gesinnung. In: Besinnung. Zeitschrift für Fragen der Ethik. Hg. Gesellschaft für Ethische Kultur, Nr. 5“ (1955)
L.: Dissertationsverzeichnis, Heintel 1981, Nawratil 1969, Reininger 1938, Stadler 1997
Ilse Korotin