Goldhaber, Sulamith

geb. Löw
* 4.11.1923, Wien † 11.12.1965, Madras, Indien
Nuklearphysikerin

1947/48 Studentin und Forschungsassistentin an der Hebräischen Universität Jerusalem, M.S.; Emigration in die USA, 1948 bis 1951 Studentin und Forschungsassistentin an der Universität Wisconsin, 1951 Ph.D.; Ab 1953 am Lawrence Radiation Laboratory in Berkeley und an der Columbia University tätig. Absolvierte ein Postgraduate-Studium an der Columbia University; 1960-61 Ford Foundation Fellow, 1965 Guggenheim Fellowship. Betrieb mit ihrem Mann, Gerson Goldhaber, Forschungen zur Charakterisierung der K-Mesone und der Antiprotone. Mutter eines Sohns, Amos.

S. G. wird am 4.11.1923 als Tochter von Toni Reinisch und Abraham Löw geboren.
S. G. wuchs in Palästina auf und lernte ihren zukünftigen Mann Gerson Goldhaber an der Hebräischen Universität kennen. Beide graduierten 1947 und heirateten im selben Jahr. Das Paar zog in die USA und beide erhielten ihre Doktortitel an der Universität in Wisconsin. In den Jahren 1951-1953 war S. G. als Forschungsassistentin auf dem Gebiet der Radiochemie tätig. Radiochemie stellte für sie eine Zwischenstation dar, in der sie Techniken der Nuklearphysik erlernte und anwendete um schließlich von ihrer ursprünglichen Ausbildung in physikalischer Chemie zu ihrem bevorzugten Forschungsgebiet der Hochenergiephysik, die sich mit der Frage der Zusammensetzung von Protonen, Neutronen und Elektronen beschäftigt, zu gelangen. Gerson und S. G. waren alsbald zum kompetentesten Team in der Wissenschaft der Nuklearemulsionstechnologie geworden. Gemeinsam verbrachten sie viele Stunden mit der Entwicklung von Versuchsreihen und dem Training eines Teams zur Überwachung und Messung der Experimente. Sie arbeiteten mit dem Bevatron, dem ersten großen Teilchenbeschleuniger für Protonen, und konnten durch ihre besondere Aufmerksamkeit einige der frühesten und interessantesten Beobachtungen betreffend der Interaktion von negativen K Mesonen mit Protonen machen.
1956 hielt S. G. einen einführenden Vortrag zu schweren Mesonen und Hyperonen auf der Rochester Conference, der zu einem großen Teil auf ihren eigenen Untersuchungen basierte. Kein anderer Vortrag hatte auf ähnliche Weise den Wendepunkt in der Geschichte der Studien über seltsame Partikel markiert, wie S. G.s. Denn ab diesem Zeitpunkt waren es nicht mehr die Kosmischen Strahlenphysiker, die auf diesem Gebiet mit ihren experimentellen Daten vorherrschten, sondern jene Wissenschafter, die mit einem Partikelbeschleuniger arbeiteten.
So war auch S. G. mit ihrem Mann, die erste Wissenschafterin, die eine Massenspaltung von geladenen E Hyperonen beobachtete. S. G. war auch die erste Zeugin von nuklearen Interaktionen der neuentdeckten Antiprotonen.
In den frühen 1960er Jahren verschob sich S. G.s Interesse von den nuklearen Emulsionen zu Experimenten mit der Blasenkammer. Die Goldhaber-Trilling-Gruppe wurde geboren und mit Georg Trilling gewannen die Goldhabers einen kompetenten Partner. Eine Zeitlang publizierte S. G. gleichzeitig zu unterschiedlichen nuklearen Forschungsergebnissen, konzentrierte ihre wissenschaftliche Aufmerksamkeit dann aber ausschließlich auf die Versuche mit der Blasenkammer. Auch auf diesem Gebiet war ihre Arbeit von ungebrochenem Enthusiasmus und Forschungsdrang getragen und S. G. erreichte bald den Status einer anerkannten Wissenschafterin auf diesem Gebiet. Ihre Vorträge an den unterschiedlichsten internationalen Kongressen wurden hoch geschätzt, nicht nur aus inhaltlichen Gründen, sonder auch wegen S. G.s Qualitäten als Vortragende.
Gemeinsam mit ihren KollegInnen war sie eine weltweit führende Expertin auf dem Gebiet der Interaktion von K+ Mesonen mit Nukleonen und darüber hinaus spielte sie eine tragende Rolle in der Entdeckung von mehreren Stadien der A Mesonen. Mit ihrem Mann erreichte sie die ersten Messungen des K* Mesons, die erste Studie zur simultanen Produktion von paarweise auftretender Resonanzstadien und sie entwarfen das ”triangle diagram“ mit dessen Hilfe sie diese Studien durchführten.
Im Herbst 1965 starteten S. G. und ihr Mann eine Forschungstour durch die ganze Welt und besuchten Hochenergielaboratorien, Konferenzen und hielten Vorlesungen. Ihr erster Halt war Oxford, wo sie die Europäische Konferenz zu Hochenergiephysik besuchten. S. G. stattete auch CERN einen Besuch ab, nachdem sie das Berkeley Hough-Powell Gerät in ein produktives System verwandelt hatte. Anschließend hielt sie Vorlesungen in Ankara und verbrachte einen Monat am Weizmann Institut, wo sie eine Serie von Vorlesungen vorbereitete, die sie in Madras, Indien, abhalten sollte.
In Madras jedoch ereilte sie das Schicksal eines plötzlichen Todes, ausgelöst durch einen Hirntumor. Ihr überraschender Tod war nicht nur ein Verlust für ihre FreundInnen und Familie, sondern auch für die wissenschaftliche Welt, in der sie großes zu leisten vermocht hatte.

Werke

Gem. mit Iloff, E. L. / Chupp, W. W. / Goldhaber, G. / Lannuttii, J. E. / Pevsner, A. / Ritson, D.: Mean Lifetime of Positive K Mesons. In: Phys. Rev. 99: 1617, 1955.
Gem. mit Alvarez, W.: The Lifetime of the tau-Meson. In: Nuovo Cimento, Series 10, 2: 344, 1955.
Gem. mit Chupp, W. W. / Goldhaber, G. / Johnson, W. R. / Lannutti, J. E.: K-meson Mass from a K-hydrogen Scattering Event. In: Phys. Rev. 99: 1042, 1955.
Gem. mit Chinowsky, W. / Goldhaber, G. / Lee, W. / O’Halloran, T.: On the Spin of the K* Resonance. In: Phys. Rev. Lett. 9: 330, 1962.
Gem. mit Webb, F. H. / Iloff, E. L. / Featherston, F. H. / Chupp, W. W. / Goldhaber, G.: Properties of Negative K-mesons. In: Nuovo Cimento 8: 899, 1958.
Gem. mit Goldhaber, G. / Fowler, W. B. / Hoang, T. / Kalogeropoulos, T. E. / Powell, W. M.: Pion-Pion Correlations in Antiproton Annihilation Events. In: Phys. Rev. Lett. 3: 181, 1959.

Literatur / Quellen

Blumesberger, S. / Doppelhofer, M. / Mauthe, G. (Bearb.) / Österr. Nationalbibliothek (Hg.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Saur, München, 2002.

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