Goodman-Thau, Eveline
* 20.6.1934, Wien
Judaistin, Philosophin und Rabbinerin
E. G. T. wurde am 20. Juni 1934 in Wien geboren. Ihre Eltern, Adolf Thau und Illa Meisels, heirateten am 23. März 1930 im Polnischen Tempel in Wien. Ihr Vater war Bankier und ein Schüler von Oberrabbiner Zwi Perez Chajes. Er wuchs in Zablotov auf, stammte aus einer rabbinischen Familie, von den Kossover Chassidim, und studierte in Czernowitz. Ihre ältere Schwester Gerda Elata-Alster ist emeritierte Professorin für fremdsprachige Literatur und Linguistik an der Ben Gurion Universität in Beer Sheva, ihr Bruder Zvi Thau leitet eine Jeschiwa in Israel.
Am 31. Dezember 1938 floh die Familie nach Holland, wo sie bis 1945 zum Teil versteckt lebte. Von 1945 bis 1953 besuchte E. G. T. das humanistische Gymnasium in Hilversum, von 1953 bis 1956 studierte sie an der Universität Amsterdam englische Literatur und jüdische Studien. Sie gründete auch den ersten hebräischen Kindergarten in Amsterdam. Nach ihrer Heirat 1956 mit Moshe Goodman wanderte sie nach Israel aus, wo sie fünf Kinder bekam und an der Hebräischen Universität ihr Studium fortsetzte. Von 1966 bis 1976 leitete sie das Institut zur Erforschung des holländischen Judentums in Jerusalem. Ab 1982 lehrte sie jüdische Philosophie und Literatur am Martin Buber Institut in Jerusalem, 1981 besuchte sie das erste Mal Deutschland, 1987 begann sie mit einer umfangreichen Lehrtätigkeit in Deutschland, unter anderen an den Universitäten Tübingen, Heidelberg, Halle und Oldenburg. 1990/91 war sie Franz Rosenzweig Gastprofessorin in Kassel. 1993 promovierte sie bei Ulrich Sonnemann zum Thema „Zeitbruch − Zur messianischen Grunderfahrung in der jüdischen Tradition” (publiziert 1995). 1998/99 war sie Gastprofessorin an der Harvard Divinity School. 1998 gründete sie die Hermann Cohen Akademie in Buchen/Odenwald. 2000 habilitierte sie sich in Kassel.
Ab März 2001 amtierte sie nach einer Privatordination durch den israelischen Rabbiner Jonathan Chipman ein Jahr lang als Rabbinerin der liberalen jüdischen Gemeinde Or Chadasch in Wien. Auf ihrer Smicha stehen die Worte „rav“ und „more zedek“. Ihre feierliche Inauguration im Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek war ein Zeichen des Selbstbewusstseins der kleinen liberalen Gemeinde, drei Jahre, bevor diese 2004 ihre eigene Synagoge in der Robertgasse einweihen konnte.
E. G. T. hatte einen Lehrauftrag am Institut für Philosophie der Universität Wien und hält bis heute zahlreiche Vorträge in Deutschland und Österreich. 2005 erhielt sie die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Silber.
Ihr Leitthema ist das jüdische Erbe Europas, das nicht nur „der Erinnerung an die Zerstörung” dient, sondern ein Tor öffnet „für ein neues Ethos im gemeinsamen Suchen nach Grundlagen eines kulturellen und politischen Zusammenlebens.” (Goodman Thau 2004, S. 14).
2004 publizierte sie im Czernin Verlag die Erzählung „Erinnerung der Herzen” aus dem Nachlass ihrer Mutter Illa Meisels mit einem ausführlichen Nachwort.
Werke
Gem. mit Schmied-Kowarzik, W. (Hg.): Messianismus zwischen Mythos und Macht. Jüdisches Denken in der europäischen Geistesgeschichte. Akademie Verlag, Berlin, 1994.
Gem. mit Mattenklott, G. / Schulte, Ch.(Hg.): Kabbala und Romantik. Die jüdische Mystik in der romantischen Geistesgeschichte. Niemeyer, Tübingen, 1994.
Zeitbruch. Zur messianischen Grunderfahrung in der jüdischen Tradition. Akademie Verlag, Berlin, 1995.
(Hg.) Bruch und Kontinuität. Jüdisches Denken in der europäischen Geistesgeschichte. Akademie Verlag, Berlin, 1995.
(Hg.) Vom Jenseits. Jüdisches Denken in der europäischen Geistesgeschichte. Akademie Verlag, Berlin, 1997.
Gem. mit Mattenklott, G. /Schulte, Ch. (Hg.): Kabbala und die Literatur der Romantik. Niemeyer, Tübingen, 1999.
Aufstand der Wasser. Jüdische Hermeneutik zwischen Tradition und Moderne. Philo, Berlin, Wien, 2002.
Fremd in der Welt, zu Hause bei Gott. Bruch und Kontinuität in der jüdischen Tradition. Lit, Münster, 2002.
(Hg.) Zeit und Welt. Denken zwischen Philosophie und Religion. Winter, Heidelberg 2002.
Eine Rabbinerin in Wien. Betrachtungen. Czernin, Wien, 2003.
Erbe und Erneuerung. Kulturphilosophie aus den Quellen des Judentums. Picus, Wien, 2004.
(Hg.) gem. mit Oz-Salzberger, F.: Das jüdische Erbe Europas. Krise der Kultur im Spannungsfeld von Tradition, Geschichte und Identität. Philo, Berlin, Wien, 2005.
Liebe und Erlösung. Das Buch Ruth. Münster, Lit 2006.
(Hg) Das eigene Erinnern. Gedenkkultur zwischen Realität und Normalität. Passagen, Wien, 2007.
Arche der Unschuld, Vernunftkritik nach Auschwitz. Lit, Berlin, Münster, 2008.
Literatur / Quellen
Schmied-Kowarzik, W. (Hg): Vergegenwärtigungen des zerstörten jüdischen Erbes. Franz-Rosenzweig Gastvorlesungen Kassel 1987-1998. Kassel, 1997.
Dambitsch, D.: Im Schatten der Shoah. Gespräche mit Überlebenden und deren Nachkommen. Berlin, 2002, S. 231-245.
Schmied-Kowarzik, W. (Hg): Auseinandersetzungen mit dem zerstörten jüdischen Erbe. Franz-Rosenzweig Gastvorlesungen (1999-2005), Kassel, 2004, S. 63-92.
Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. Bis 20. Jahrhundert, 2002, Band 1, S. 448.
Wikipedia (3.4.2013)
www.nahost-politik.de/israel/thau.htm (22.11.2004)