Fessler Agathe; Sozialarbeiterin
Geb. Bregenz, Vbg., 24.2.1870
Gest. Porto Alegre, Brasilien, 1941
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Vater: Franz Ferdinand Fessler, Müller in Bregenz, später Betreiber einer Stein- und Kiesgrube; Mutter: Josefa Fessler. Keine Geschwister.
Ausbildungen: Volksschule.
Laufbahn: A. F. war die Begründerin der modernen Sozialarbeit in Vorarlberg. Bis 1900 Mitarbeit in der elterlichen Kiesgrube in Bregenz-Steinebach und Pflege der Eltern. Um 1905 gründete A. F. ein Mädchenheim für unversorgte Dienstmädchen bzw. wohnungslose „Fabrikmädchen“ in Bregenz/Gallusstraße mit eigenen Ersparnissen. Das Vorbild waren Schweizer Mädchenheime, die im Geiste einer „aufgeschlossenen, katholischen Sozialarbeit“ errichtet worden waren. Um 1912 verkaufte A. F. das Heim an die Stadt Bregenz und kaufte eine größere Liegenschaft in der Gerberstraße. Diese katholische Sozialeinrichtung für Frauen existiert bis 2009 als „Marienheim“. 1913 Errichtung einer weiteren Sozialeinrichtung, des so genannten Brockenhauses (Trödelladen dessen Erlös an Bedürftige geht) im ehemaligen Elternhaus in der Belruptstraße. Mit sehr großem privaten Einsatz (auch finanziell) gelang A. F. der Aufbau dieser wichtigen Institutionen in Bregenz. Langwieriges Ringen mit der Stadt um Errichtungsgenehmigungen und der Kampf gegen politische Widerstände waren dafür notwendig. Die überraschende Auszeichnung mit dem kaiserlichen Orden „Elisabeth-Medaille“ für A. F.s außergewöhnlichen sozialen Einsatz, wurde von vielen konservativen Bürgern mit Skepsis betrachtet.
Im 1. Weltkrieg meldete sich A. F. sofort zum Freiwilligendienst als Rot-Kreuz-Helferin an der Front; Das Marienheim wurde von ihr an den Orden der Barmherzigen Schwestern von Zams verkauft.
Nach Kriegsende entschied sich A. F. für einen Neuanfang in den USA. Nach zwei Jahren als private Krankenpflegerin, kehrte sie 1922 nach Vorarlberg zurück und versuchte (erfolglos) ein Altersheim in Bregenz zu gründen. 1923 und 1925 weitere Reisen und Arbeitsaufenthalte in die USA. 1926 letzter Anlauf von A. F. in Bregenz ein Sozialprojekt (Volksküche) zu starten, das aber wieder an den langwierigen Behördenwegen und kleinstädtischer Intrigenwirtschaft scheiterte. 1929 erfolgte die endgültige Auswanderung von A. F. nach Brasilien; Wenig ist über ihre letzten Jahre bekannt – vermutlich arbeitete sie in einer Pestalozzi-Schule in Porto Alegre, wo sie 1941 im Alter von 61 Jahren verstarb.
Qu.: Stadtarchiv Bregenz.
W.: „Aus der Mappe einer ehemaligen Armeeschwester 1914-1918“ (o. J., 1919)
L.: Pichler 2007a
Barbara Motter