Elata-Alster, Gerda

geb. Thau, auch Alster-Thau
* 1930, Wien
Literaturwissenschafterin

1938 Flucht von Österreich nach Holland; 1948 Abschluss des altsprachlichen Lyzeums; 1964 Emigration nach Israel; Lecturer für Allgemeine und Hebräische Literaturwissenschaft an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan; 1981 Ph.D. an der Bar Ilan Universität; Senior Lecturer und Gastforscherin an Universitäten in England und den USA; 1978 Sen. Lecturer für fremdsprachige Literatur und Linguistik an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva; 2001 Franz-Rosenzweig-Gastprofessur an der Universität Kassel.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 floh der Vater G. E.-A.s nach Holland und holte die Familie Ende 1938 nach. 1939 kam auch die Großmutter mütterlicherseits nach. Bereits in Kindheitsjahren lernte sie in mehreren Sprachen gleichzeitig: Deutsch, Niederländisch, Jiddisch und Hebräisch. Nach der Okkupation Hollands durch die deutschen Truppen verbarg sich die Familie unter falscher Identität – paraguayische Nationalität und der Religionsgemeinschaft der Karäer angehörend – in Hilversum. So blieb die ganze Familie von Verfolgung, Deportation und Ermordung verschont. Nach der Befreiung stellte sich heraus, dass ihre Nachbarn sehr wohl von dieser Tarnung wussten, den Deutschen aber nichts davon verraten hatten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss G. E.-A. 1948 das altsprachliche Lyzeum ab. 1952 heiratete sie Mordechai Alster, gemeinsam wollten sie nach Israel auswandern, was aber erst 1964 realisiert werden konnte. Mordechai Alster verstarb dort 1965 an Krebs, so blieb G. E.-A. mit ihren drei Kindern allein in Israel. An der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan bekam sie eine Stelle als Lecturer für Allgemeine und Hebräische Literaturwissenschaft. 1973 heiratete sie in zweiter Ehe Chaim Elata, der als Professor für Ingenieurwissenschaft an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva tätig war und später Präsident der dortigen Universität wurde. G. E.-A. erwarb 1981 den Ph.D. an der Bar Ilan Universität und hatte danach verschiedene Stellen als Senior Lecturer und als Gastforscherin an Universitäten in England und den USA inne, bevor sie 1978 für fremdsprachige Literatur und Linguistik an die Ben- Gurion- Universität in Beer Sheva berufen wurde. 2001 nahm sie die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur an der Universität Kassel an.
Die Forschungen von Prof. G. E.-A. bewegen sich weit über die engeren Grenzen der Sprach- und Literaturwissenschaft hinaus, sie beziehen religionswissenschaftliche, philosophische, psychoanalytische, literaturtheoretische und politische Fragestellungen grundlegend mit ein. Eine besondere Eigenart ihrer Forschungsmethode ist die Verknüpfung der Hermeneutik mit der aus der Tradition des Midrasch gewonnenen Kunst auslegender Wiedererzählung. Ihre Publikationen bezeugen eine enorme Spannweite, die von der griechischen Literatur und Tragödie, mit denen sich ihre Dissertation befasst, über die italienische Renaissance bis hin zur heutigen hebräischen und europäischen Gegenwartsliteratur. Eine Frucht dieser verschiedenen Traditionslinien ist ihr Buch ”Talk of the Town: Jewish Attitudes to Civic Discourse“, das mit Rückgriff auf literarische Vorlagen den politisch-kulturellen Riss in der modernen israelischen Gesellschaft aufarbeitet.
G. E.-A. ist Mutter dreier Kinder.

Werke

Gem. mit Mossel, B. M.: Hadachlil. Leerboek van het Israëlisch Hebreeuws, Van Gorcum, 1969.
On Noble and Base Hybris. Some Investigations into the Tragedies of Aeschylus. Dissertation, 1981.
Gathering the Leaves and Squaring the Circle. Recording, Reading and Writing in Dante’s ‚Vita Nuova‘ and ‚Divina Commedia‘. In: Italian Quarterly. Band 24, Spring, 1983.
The King’s Double Bind. Paradoxical Communication in the Parodos of Aeschylus ‚Agamemnon‘. In: Arethusa. Band 18, Nr. 1, Spring, 1985.
Gem. mit Maoz, B.: Some Basic Principles of Psychotherapy in the Light of the Philosophical Writing of Franz Rosenzweig. In: Schmied Kowarzik, W. (Hg.): Der Philosoph Franz Rosenzweig (1886–1929). Internationaler Kongreß Kassel 1986. 2 Bände, München und Freiburg, 1988.
Gem. mit Maoz, B.: Paradies, Geschichte und Messianische Zeit. In: Baumgardt, U. / Olbricht, I. (Hg.): Suche nach dem Paradies. Illusionen, Wünsche, Realitäten. München, 1989.
Gem. mit Maoz, B.: Trauma und Wunder. Erfahrung des Traumas als Wunder im Sinne der Philosophie Franz Rosenzweigs. In: Petzold, H. G. / Kuhn, R. (Hg.): Psychotherapie und Philosophie: Philosophie als Psychotherapie? Paderborn, 1992.
Gem. mit Salmon, R.: Retracing a Writerly Text. In the Footsteps of a Midrashic Sequence on the Creation of the Male and the Female. In: Loades, A. / McLain, M. (Hg.): Hermeneutics, The Bible and Literary Criticism. London, 1992.
Speechless in the Desert. In: Literature and Theology. An International Journal of Theory, Criticism and Culture. Band 8, Nr. 3, 1994.
Returning the Glance from Elsewhere – Socratic Irony as/and the Tactics of Rhetorical Evasion: Who’s Afraid of the Big Bad Wolf. In: Cult and Culture: Studies in Cultural Meaning, Les Cahiers du CICC, 8 Juillet 1999.
Wanderungen sowie Schaue nicht zurück (nicht einmal im Zorn) – Sodom als Transzendenz. In: Schmied- Kowarzik, W. (Hg.): Auseinandersetzungen mit dem zerstörten jüdischen Erbe. Franz- Rosenzweig- Gastvorlesungen (1999 –2005). Kassel, 2004.
Gem. mit Maoz, B. / Skradol, N.: Narcissism and Creativity. Trangulation in Franz Rosenzweig’s Life and Work in the Wake of the „Gritli“-Briefe. In: Schmied-Kowarzik, W. (Hg.): Franz Rosenzweigs „neues Denken“. Internationaler Kongreß Kassel 2004, 2 Bände, Freiburg und München, 2006.

Literatur / Quellen

Blumesberger, S. / Doppelhofer, M. / Mauthe, G. (Bearb.) / Österr. Nationalbibliothek (Hg.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Saur, München, 2002.

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