Thury Elisabeth
urspr. Milica von Vukobrankovics, Milena; Journalistin
Geb. Kronenberg bei Wien (?), 1.3.1894
Gest. 9.6.1973
Laufbahn: wuchs als Tochter eines höheren Beamten serbischer Herkunft in Wien und Niederösterreich auf und wollte zunächst Lehrerin werden. Die Familienverhältnisse waren allerdings problematisch: Der adelsstolze Vater litt an Syphilis, hatte Tobsuchtsanfälle und starb früh, die strebsame Tochter wurde zur eigenwilligen Einzelgängerin. Die ausgebildete Volks- und Bürgerschullehrerin schloss sich im Ersten Weltkrieg eng der Familie eines Landesschulinspektors an. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurde sie in einem Indizienprozess wegen versuchten Giftmordes angeklagt, allerdings nur der Verleumdung schuldig gesprochen und war bis Juli 1919 in Haft. Als Verlagsangestellte des Konegenverlages geriet sie wenig später neuerlich unter den Verdacht der Giftmischerei. In beiden Fällen war der vermeintliche Einsatz des Giftes ein vermutetes Beziehungsdelikt in Liebesverhältnissen mit verheirateten Männern. Sie war 1922–1923 in Untersuchungshaft und wurde im Dezember 1923 verurteilt. Ihr Prozess erweckte internationales Interesse, Auch Karl Kraus engagierte sich für E. T.
E. T. veröffentlichte 1924 das Buch „Weiberzelle 321″ und schilderte darin ihre Hafterinnerungen. Anfang 1925 wurde sie begnadigt. Sie wandte sich in der Folge unter dem Pseudonym „Elisabeth Thury“ dem Journalismus zu. Die „Wiener Allgemeine Zeitung“ brachte unter anderem E. T.s Berichte über den Wiener Justizpalastbrand (1927). E. T. schrieb auch für sozialdemokratische Medien wie „Die Unzufriedene“ und die „Arbeiter-Zeitung“. In der Periode des Austrofaschismus war sie für ausländische Medien und Agenturen, vor allem für „United Press International“ tätig. Nach einem Bericht über die Rosenkranz-Demonstration (1938) wurde E. T. am 1.9.1942 verhaftet und im August ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Dort übernahm sie im Februar 1944 die Leitung der „Lagerpolizei“. Kurz vor der Befreiung wurde sie „Lagerälteste“. Ihre Aktivitäten als „Funktionshäftling“ wurden von Mithäftlingen widersprüchlich beurteilt. Beim Hamburger-Ravensbrück-Prozess wurde sie auf Protest von Häftlingen anderer Nationen nicht zugelassen, obwohl sie als Zeugin geladen worden war. Angeblich hatte sie ihre Machtstellung missbraucht: „Sie hat sehr viel für die Häftlinge getan und sich doch nicht dem Widerstandskreis angeschlossen. Da sie als sehr intelligent beschrieben wird, kann ihr Verhalten auch als kluge Taktik gesehen werden. Sie pflegte guten Kontakt mit der Oberaufseherin, schrie mit den Häftlingen lautstark herum und schlug diese auch bisweilen. Andererseits konnte ihr Anna Hand, die guten Kontakt mit ihr hatte, die Wünsche der illegalen Organisation zur Kenntnis bringen, die im Allgemeinen erfüllt wurden. E. T. hatte die Möglichkeit, der Oberaufseherin Vorschläge zu machen, die in der Regel auch durchgingen. Sie machte auch immer wieder von der Möglichkeit Gebrauch, Strafmeldungen der Blockältesten zu unterdrücken und diese nicht an die Oberaufseherin weiterzuleiten.“ (Brauneis S. 343f). Ab 1945 war E. T. wieder als Journalistin tätig und beteiligte sich an der Gründung der Austria Presse Agentur. E. T. war ab 1946 als Journalistin für die APA (Austria Presseagentur) tätig.
Werke
„Weiberzelle 321.Tagebuch aus der Haft“ (1924)
Literatur / Quellen
Qu.: Datenbank „Nicht mehr anonym“, Arbeiterbewegung, DÖW, Tagblattarchiv (Personenmappe).
L.: Brauneis 1974, Füllberg-Stolberg 1994, Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982, Wikipedia