Thomasina de Porris
Geb. um 1495
Gest. wahrscheinl. 1554
Th. de P. entstammte einem lombardischen Adelsgeschlecht. Sie ließ sich um 1514 mit ihrem Mann Dr.med. & art. Georg Iserin in Feldkirch nieder, doch wurde ihr Mann hier 1528 hingerichtet. Ihre Kinder legten infolge der mit der Hinrichtung verbundenen damnatio memoriae (Auslöschen des Andenkens) den Namen ihres Vaters ab und benannten sich seither nach ihrer Mutter „de Porris“; gelegentlich verdeutscht als „von Lauchen“. Ihr Wappen ist nach einer Beschreibung in der Mailänder Matrikel von 1779 wie folgt zu beschreiben: Unter goldenem Schildeshaupte, worin ein gekrönter schwarzer Adler sind in dem von Rot und Gold sechsmal schrägrechts abgetheilten Schilde, drei weisse Lauchstauden mit aufwärts gekehrten grünen Blättern neben einander gestellt. Mit dieser Wappenbeschreibung stimmt das Wappen im Siegel des Mathematikers Georg Joachim Rheticus überein; er hat in seinen Siegeln das Wappen seiner Mutter geführt; nach seiner Erhebung in den Adelsstand 1548 ersetzte er die drei Lauchstangen durch drei Rettiche (Anspielung auf den Namen „Rheticus“). Nach ihrer Wiederverheiratung nahm Th. de P. den Namen ihres zweiten Ehemanns Wilhelm an. Th. de P. ist im Gegensatz zu ihren Kindern römisch-katholisch geblieben.
Der Zeitpunkt der Geburt von Th. de P. ist nicht bekannt. Die Geburt ihrer Kinder um 1512 und 1514 lässt darauf schließen, dass Th. de P. einige Jahre vor 1500, etwa um 1495 (plus/minus einige Jahre) geboren wurde. Ort ihrer Geburt war vielleicht in Mailand, auf jeden Fall lag er im Mailändischen.
Das genaue Sterbedatum der Th. de P. steht ebenfalls nicht fest, fällt aber mit großer Wahrscheinlichkeit in das Jahr 1554. Sie ist vermutlich in Bregenz gestorben, wo sie spätestens seit 1542 im Haus Kirchstraße Nr. 13 (ehemaliges Schirmgeschäft Heinrich) gewohnt hatte. Zu ihrem und ihres zweiten Ehemanns Gedächtnis wurde in der Bregenzer Pfarrkirche St. Gallus um den 16. Oktober eine Jahrzeit gehalten: … Jergen Wilhalms, Bartholomeen, seins Sons, Thonasina de Porus, ain Hausfraw gewesen Georgen Wilhalms, Magdalenen Irer Dochter,… Ihr Sohn, der Lutheraner Georg Joachim Rheticus, wurde in die Jahrzeit nicht aufgenommen. Ihre nachgelassenen Mobilien wurden in einer Truhe Ettliche Jar hinder der Statt Bregentz verwarungsweiß versorgt und 1576 von städtischen Beamten inventarisiert.
Als Eltern der Th. de P. werden ein mailändischer Gesandter Antonio Porro und dessen Gemahlin, Tochter eines Giovanni Ferrarii genannt (Vorarlberger Landesarchiv Adelsakten 36). Th. heiratete in erster Ehe um 1510 den gelehrten Arzt Georg Iserin, der vermutlich aus dem Veltlin (Mazzo?) stammte und Stadtarzt von Feldkirch war. Er wurde 1528 wegen Betrugs und Zauberei zum Tode verurteilt und mit dem Schwert hingerichtet. Th. de P. verkaufte vor 1542 ihr Haus in Feldkirch, behielt aber einen Weinberg von 17,25 Ar am Ardetzenberg, der sich noch 1578 im Besitz der Erben Groß befand. Sie heiratete in zweiter Ehe den reichen, im Garnhandel tätigen Bregenzer Kaufmann Georg Wilhelm († um 1553). Wilhelm war Witwer und brachte aus seiner ersten Ehe mit Ursula Mock einen Sohn Bartholomäus mit in die Ehe. Georg Wilhelm war Mitglied des Bregenzer Stadtrates, er wurde 1541 als Abgeordneter zum gesamtösterreichischen Ausschusslandtag nach Linz geschickt, 1542 bis 1548 wirkte er als Stadtammann von Bregenz. Er galt 1542 bei der Regierung in Innsbruck als guter Kenner der Schweiz. 1542 reiste er nach Frankfurt am Main, 1544 bestätigte ihm der Kaiser in Speyer sein Wappen. Als Stadtammann von Bregenz erwirkte Wilhelm 1548 auf dem Augsburger Reichstag bei König Ferdinand I. ein Privileg für einen Wochenmarkt in Bregenz.
Th. de P. hatte aus ihrer um 1510 geschlossenen ersten Ehe mit Georg Iserin zwei Kinder, eine etwa 1512 geborene Tochter Magdalena und den am 14. Februar 1514 in Feldkirch geborenen Sohn Johann Georg Rheticus. Beide Kinder wuchsen, teils in Feldkirch, teils in Italien, zweisprachig auf, deutsch und italienisch. Magdalena Iserin, geboren um 1512 in Italien, wo ihr Vater im Heer Kaiser Maximilians I. als Dolmetscher diente, später Magdalena de Porris, noch später auch Magdalena Wilhalmin genannt, heiratete den Kaufmann Martin Groß, der als italienischer Glaubensflüchtling nach Ravensburg gekommen war. Martino de Petro genannt Groß, erlangte 1548 das Bürgerrecht in Ravensburg, saß 1549 und noch 1551 als Zunftmeister im Ravensburger Rat; 1552 versteuerte er ein Vermögen von 1668 Mark. Die adelige Herkunft des Martino de Petro wurde jedoch in Ravensburg nicht anerkannt, er blieb im Handwerkerstand. Nach dem Tod seiner Schwester Magdalena, deren Ehe mit Martin Groß kinderlos blieb, prozessierte ihr Bruder Rheticus seit 1554 vor dem Stadtgericht Krakau mytt ßeynem Schwoger Mertin Groß Burger zu Rauenspurgk um das Erbe seiner Schwester und Mutter. Georg Joachim wurde unter dem Gelehrtennamen Rheticus bekannt. Sein Freund Girolamo Cardano nannte in Giorgio Porro. Er war ein Schüler Philipp Melanchthons, wirkte als Professor der Mathematik in Wittenberg und Leipzig, lehnte ehrenvolle Berufungen nach Wien und Paris ab und verbrachte seit 1554 viele Jahre als Arzt in Krakau. Er ist 1574 in Kaschau (heute Košice) gestorben. Er wurde seit 1540 bekannt als Künder des kopernikanischen Weltbildes. Zugleich war er ein Anhänger der Lehren des Paracelsus.
Th. de P.s Stiefsohn Bartholomaeus Wilhelmus Brigantinus immatrikulierte sich an der Universität Leipzig, an der ihr Sohn Rheticus lehrte; er war offenbar dessen Schüler. Ein Gesuch Georg Wilhelms bei der Regierung in Innsbruck, seinem Sohn die Fortsetzung des Studiums in Leipzig zuzugestehen, wurde am 18. Februar 1549 abgelehnt. Barthomoläus Wilhelm brach daraufhin sein Studium ab; er ist 1553 in Bregenz als Wirt zum „Mohrenkönig“ in der Kirchstraße bezeugt († nach 1585).
Die Persönlichkeit der Th. de P. ist mangels entsprechender Quellen nur sehr schwer greifbar. Ihr Inventar mit Silbergeschirr (teilweise mit Adelswappen verziert), Kleinodien, kostbaren Gewändern und zahlreichen Devotionalien lässt Schlüsse auf den Status einer reichen und besonders frommen adligen Dame zu. Als Mutter zweier unmündiger Kinder hat sie 1528 bei der Regierung in Innsbruck vergebens versucht, mit hohem finanziellem Aufwand die drohende Hinrichtung ihres Ehemanns abzuwenden. Als man bei ihrem Sohn Georg Joachim 1547 in Lindau eine Besessenheit diagnostizierte, drängten ihn Georg Wilhelm und Th. de P. heftig, zu dem Heiligtum des Sankt Anastasius in Vergaville bei Dieuze in Lothringen zu pilgern, wo viele Besessene Heilung gefunden hatten. Als überzeugter Protestant weigerte sich Rheticus jedoch, dieser Aufforderung nachzukommen. Er suchte Erlösung allein in Christus, empfahl sich der Kirche und ihren Gebeten und ging immer innerlicher zum Abendmahl, sowohl in Lindau als auch bei seiner Schwester Magdalena in Ravensburg. Der amerikanische Autor Ulrich Maché hat Th. de P. ein literarisches Denkmal gesetzt: in sechs fingierten Briefen berichtet ihr der Sohn über sein Leben in Preußen 1539.
Werke
Literatur / Quellen
L.: Bilgeri 1948, Bilgeri 1965, Burmeister 1967/68, Burmeister 1996, Burmeister 1997, Burmeister 2006, Dreher 1966, Haefele 1927, Maché 2005