Sacher-Masoch Wanda von, geb. Angelika Aurora Rümelin, Ps. Wanda von Dunajew, K. v.  Medhurst; D. Dolorés [als Übersetzerin]; Schriftstellerin und Übersetzerin
Geb. Graz, Stmk., 14.3.1845
Gest. in Frankreich, vermutl. Ende 1916 oder Anfang 1917 (siehe Le Carnet de la Semaine, 3e année, 1er juillet 1917, S. 2). 

Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Wilhelm Rümelin (ca. 1800-ca. 1879), aus württembergischem Geschlecht, Militärbeamter und Beamter am Rechnungshof Graz; Mutter: Marie Rümelin, geb. Schubert (1815-1885), aus Böhmen stammend. Aus den frühen Lebensjahren W. v. S.-M.s sind, abgesehen von spärlichen Hinweisen in ihrem Memoirenwerk „Meine Lebensbeichte“ (1906) und in Carl Felix von Schlichtegrolls Entgegnung, ‚Wanda‘ ohne Maske und Pelz. Eine Antwort auf ‚Wanda‘ von Sacher-Masochs ‚Meine Lebensbeichte‘ nebst Veröffentlichungen aus Sacher-Masochs Tagebuch“(1906), keine Zeugnisse bekannt. Die Trennung ihrer Eltern bedeutete für  die Fünfzehnjährige den Abstieg in die Verarmung; nach dem Besuch einer Nähschule sorgte sie mit Wäscherei- und Näharbeiten und dem Verkauf von Tabak und Soda für ihren Lebensunterhalt.
LebenspartnerInnen, Kinder: Nach dem gescheiterten Versuch, mit dem aufstrebenden Schriftsteller Peter Rosegger näher bekannt zu werden, begann A. A. Rümelin 1872 einen Briefwechsel mit einer anderen Grazer Persönlichkeit, dem bereits arrivierten Autor Leopold von Sacher-Masoch – unter dem Pseudonym Wanda von Dunajew, dem Namen der Heldin in dessen Novelle „Venus im Pelz”. Dieser Schritt wurde für ihr Leben bestimmend. 1873 heiratete sie Sacher-Masoch in Graz. Finanziell waren die Verhältnisse angespannt, häufige Wohnortwechsel (Wien, Graz, Bruck a. d. Mur, Budapest, Passau, Leipzig) verstärkten die Schwierigkeiten der ohnehin heiklen Ehebeziehung. 1883 trennten sich die Sacher-Masochs, 1887 wurden sie rechtskräftig geschieden.
Laufbahn: W. v. S.-M. lebte in den folgenden Jahren in Neuveville (Schweiz) und bis 1909 an verschiedenen Adressen in Paris, mit Zwischenaufenthalten u. a. in München, Barcelona, London, Trier, Morges (Schweiz). Ihr letztes Lebenszeichen ist ein Brief an den Cotta Verlag aus St-Leu (Dépt. Seine et Olse), 1914. Danach verlieren sich ihre Spuren. Ein Nachlass wurde bisher nicht entdeckt. Dem Werk ihres Ex-Ehemannes blieb W. v. S.-M. auch nach dessen Tod 1895 verbunden – einerseits ging es ihr um die Rechte daran, die sie zugunsten des einzigen überlebenden gemeinsamen Sohnes Demetrius gesichert sehen wollte; andererseits schätzte sie den literarischen Wert seiner Geschichten, von denen sie einundzwanzig ausgewählte 1907 und 1908 in eigener französischer Übersetzung veröffentlichte. – Bio-bibliographische Desiderata sind: Spuren nach 1909, insbesondere Datum und Ort des Todes; Korrespondenzen mit ihren Verlagen und mit den Autoren, die sie zu übersetzen gedachte (vgl. Stahl 2012), sowie private; Manuskripte, z. B. die zweier Kurzgeschichten, die sie 1885 Max Nordau schickte und die dieser vehement kritisierte (vgl. Stahl 2010), sowie die zweier Übersetzungen ins Französische (Jules Claretie, Guy de Maupassant).

Werke

W.: „Der Roman einer tugendhaften Frau. Ein Gegenstück zur ‚geschiedenen Frau’ von Sacher-Masoch“ (1873), „Echter Hermelin. Geschichten aus der vornehmen Welt“ (1879, zwölf Kurzgeschichten), „Die Damen im Pelz. Geschichten“ (1881, zwanzig Kurzgeschichten; mehrere Auflagen und Ausgaben, „Meine Lebensbeichte. Memoiren“ (1906, mehrere Auflagen, zuletzt Wien: Praesens Verlag 2020 [biografiA 24]; übersetzt ins Französische, Italienische, Englisch, Bulgarische, Russische, Spanische), „Masochismus und Masochisten. Nachtrag zur Lebensbeichte“ (1908, mehrere Auflagen, übersetzt ins Russische und Französische). – Eine annotierte Neuausgabe von insgesamt sechzig unselbständigen Veröffentlichungen zwischen 1872 und 1907 (Wanda von Sacher-Masoch, „Geistvoll, pikant, talentvoll.“ Gesammelte Kurzgeschichten, Novellen, Feuilletons“) ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich 2025 in Graz erscheinen.
Übersetzungen: Aus dem Französischen: Georges Ohnet. „Das Recht des Kindes“. Roman in zwei Bänden (1894). Ins Französische: Leopold von Sacher-Masoch: „L’Amour cruel à travers les ages. La czarine noire et autres contes sur la flagellation” (1907, neun Kurzgeschichten); ders.: „L’Amour cruel à travers les ages. La pantoufle de Sapho et autres contes“ (1907, neun Kurzgeschichten); ders.: „La jalousie d’une impératrice” (1908, drei Novellen).

Literatur / Quellen

Bittermann-Wille, Christa / Hofmann-Weinberger, Helga. Erotik – theoretischer Diskurs und literarische Chiffren in der Frauenliteratur des Fin-de-siécle. In: Österreichische Nationalbibliothek (Hg.):  Der verlorene Blick. Erotisches aus zwei Jahrtausenden. Klagenfurt 2002, S. 146-180.

Gerstenberger, Katharina: Her (Per)Version: The Confessions of Wanda von Sacher-Masoch. In: Women in German Yearbook. Feminist Studies in German Literature & Culture 13, Lincoln/Nebraska 1997, S. 81-99.

Gerstenberger, Kathsrina: „But I Wanted to Write an Honest Book“: The Confessions of Wanda von Sacher Masoch. In: Dies.: To Tell the Truth. German Women’s Autobiographies and Turn-of-the Century Culturee. Ann Arbor 2000, S. 140-174.

Gerstenberger, Katharina: „Das Mysterium der Liebe“. Geschlechterkämpfe und Begehren bei Wanda von Sacher-Masoch. In: Tebben, Karin (Hg.): Frauen-Körper-Kunst. Literarische Inszenierungen weiblicher Sexualität. Göttingen 2000, S. 101-119.

Gürtler, Christa: Damen mit Pelz und Peitsche. Zu Texten von Wanda von Sacher-Masoch. In: Klugsberger, Theresa / Gürtler, Christa / Schmid-Bortenschlager, Sigrid (Hg.): Schwierige Verhältnisse. Liebe und Sexualität in der Frauenliteratur um 1900. Stuttgart 1992, S. 71-82.

Miesbacher, Harald: „Narrische Leit“. Leopold und Wanda von Sacher-Masoch in Bruck a. d. Mur i den Jahren 1873-1877. In: Blätter für Heimatkunde, 78. Jg. Nr. 1, 2004, S. 21-35.

Schackmann, Isolde: Das Bild der „Emanzipierten“: Herrin und / oder Gefährtin. Zu zwei Novellen von Wanda von Sacher-Masoch und Irma von Troll-Borostyani. In: Klugsberger, Theresa / Gürtler, Christa / Schmid-Bortenschlager, Sigrid (Hg.): Schwierige Verhältnisse. Liebe und Sexualität in der Frauenliteratur um 1900. Stuttgart 1992, S. 83-102.

Schlichtegroll, Carl Felix von: „Wanda“ ohne Maske und Pelz. Eine Antwort auf „Wanda“ von Sacher-Masochs Tagebuch. Leipzig 1906. Wieder abgedruckt in: Exner, Lisa / Farin, Michael (Hg.): Sacher-Masoch. München 2003, S. 209-381.

Spörk, Ingrid / Strohmaier, Alexandra (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch (= Dossier. Die Buchreihe über österreichische Autoren 20), Graz 2002.

Stahl, Wulfhard: „Verlieren Sie nur nicht die Geduld mit mir.“ Wanda von Sacher-Masoch in ihren Briefen. In: Kobelt-Groch, Marion / Salewski, Michael (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Ein Wegbreiter des 20 Jahrhunderts. Hildesheim / New York / Zürich 2010, S. 286-322.

Stahl, Wulfhard: Wanda von Sacher-Masoch. Grundlagen für eine Bio-Bibliografie. In: Blumesberger, Susanne / Korotin, Ilse (Hg.): Frauenbiografieforschung – Theoretische Diskurse und methodologische Konzepte, Wien 2012, S. 574-600.

Stahl, Wulfhard: Wanda von Sacher-Masoch (1845-1917?). Eine kurze illustrierte Bio-Bibliographie. Anmerkungen zum 175. Geburtstag. In: Aus dem Antiquariat. Neue Folge 18, Heft 1/2020, S. 12-19.

Stahl, Wulfhard: K. v. Medhurst oder Wanda von Sacher-Masoch: Drei Briefe an Carl Spitteler, 1908. In: Colloquium Helveticum 50/2021: Zur Aktualität von Spittelers Texten. Komparatistische Perspektiven / Quelle actualité pour Spitteler? Perspectives comparatistes (Hg. von/ Dirigé par Stefanie Leuenberger), S. 199-213.

Stahl, Wulfhard.:Wanda von Sacher-Masoch und Peter Rosegger. Eine Inszenierung in Briefen. In: Colloquium Helveticum 52/2023: Neue Formen der Literaturgeschichte / Repenser l’histoire littéraire / New forms of literary history (Hg. von/ Dirigé par Thomas Hunkeler, Sophie Jaussi), S. 201-210.

Autor der Biografie: Wulfhard Stahl