Sussmann Anne, geb. Goldscheider, Anna, Anni, Sußmann, Deckname: Edith; Modistin, Zahnarztassistentin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 8.10.1909
Herkunft, Verwandtschaften: Wird als Vollwaise von ihren älteren Geschwistern aufgezogen.
LebenspartnerInnen, Kinder: Ehemann: Heinrich Sussmann, Maler, Graphiker und Karikaturist. Hochzeit 1937 in Paris. Mitglied des „Cercle Culturel Autrichien“, wird 1939 in Frankreich interniert. Sohn: Samuel Georg, geb. 20.8. 1944 in Auschwitz, wird kurz nach der Geburt von Josef Mengele ermordet.
Ausbildungen: A. S. absolviert eine Lehre als Modistin und arbeitete ab 1929 als Zahnarztassistentin.
Laufbahn: Zur Zeit des Austrofaschismus verteilt A. S. illegale Zeitungen in Kaffeehäusern. Sie nimmt an Zusammenkünften der Arbeiterparteien teil und hilft, Verfolgte vor der Polizei zu verbergen. 1937 emigriert sie nach Paris. 1939 bekommt sie den Auftrag von der KPÖ, eine Besuchserlaubnis für die Frauen der im französischen Lager Meslay-du-Maine internierten Österreicher zu erwirken, was sie nach einer Intervention beim französischen Innenministerium auch erreicht. Im Juni 1940 flüchtet sie vor der deutschen Invasion nach Südfrankreich. In Marseille trifft sie mit ihrem Mann zusammen und knüpft Verbindungen zu den österreichischen KommunistInnen. Sie verteilt Flugzettel, klebt Plakate mit antifaschistischen Texten und nimmt von 1940 bis 1942 an verschiedenen Widerstandsaktionen teil, indem sie etwa ihrem Mann bei der Herstellung gefälschter Papiere hilft. 1942 fährt sie gemeinsam mit Heinrich Sussmann in die besetzte Zone zurück, um dort wirksamer für den Widerstand arbeiten zu können. Einige Widerstandskämpfer, die von Beruf Maler oder Graphiker waren, fertigten illegale Identitätsausweise an. Im Zusammenhang mit diesen Fälschungen wird das Ehepaar Sussmann 1944 in Paris verhaftet und von dort nach Auschwitz deportiert. Gemeinsam mit anderen Insassinnen initiiert sie Solidaritätsaktionen. A. S. ist zu diesem Zeitpunkt schwanger. Am 20. August 1944 wird sie von einem Buben entbunden. Kurz darauf wirft Josef Mengele ihr Kind in den brennenden Ofen.
S. wird nach Kratzau verschickt und dort zur Arbeit in einer Waffenfabrik eingeteilt, wo sie die Produktion sabotiert. A. S. flüchtet gemeinsam mit einer Berliner Freundin aus der Zwangsarbeit. Mit Hilfe von französischen Kriegsgefangenen kommen die beiden nach Kippsdorf zu den „Englischen Fräulein“, mit deren Hilfe sie sich als Ausgebombte deklarieren. Es gelingt den beiden Frauen die Flucht in die Schweiz. Auch Heinrich Sussmann überlebt das KZ.
S. beteiligte sich an ZeitzeugInnenprojekte in Schulen, wo sie über ihre Erlebnisse während des Nationalsozialismus spricht.
Mitglsch.: SDAP, 1934 KPÖ, 1968 Austritt aus der KPÖ.
L.: Berger 1987, BLÖF, Dokumentationsarchiv 1984a, Dokumentationsarchiv 1985, Reiter 1984, Schwager 1984, Spiegel 1969
Karin Nusko