Surowzowa Nadia; Historikerin, Übersetzerin, Universitätslektorin und Stalin-Opfer
Geb. 5.3.1896, Kiev, Ukraine
Gest. 13.4.1985, Uman, Ukraine
Nadia Surowzowa (Nadežda Surovceva, Surovceva-Olickaja) wurde 1894 als Tochter eines adeligen Juristen in Kiev geboren. 1903 übersiedelte die Familie nach Uman‘ (Ukraine). Surowzowa studierte ab 1913 in St. Petersburg russische Literatur und Geschichte, nachdem sie das Gymnasium in Uman‘ mit Auszeichnung beendet hatte. 1917 setzte sie das Studium in Kiev fort. 1919 nahm sie am staatlichen Konsularkurs in Kiev teil und legte darüber auch die Prüfung ab. In der Folge durfte sie im gleichen Jahr mit einer ukrainischen Delegation zu den Friedensverhandlungen nach Paris reisen. Sie blieb dann im Westen und schaffte es, an der philosophischen Fakultät der Universität Wien als ordentliche Hörerin aufgenommen zu werden. 1920 schloss sie ihr Studium mit einer Dissertation über Bohdan Chmelnytzkyj und die ukrainische Staatsidee ab. Zusammen mit Franz Koritschoner übersetzte sie ukrainische Klassiker und Werke Lenins ins Deutsche. 1925 trat sie in die KPÖ ein. Auf Vorschlag des sowjetischen Botschafters Adol’f Abramovič Ioffe kehrte sie Ende 1925 in die Sowjetunion zurück, wo sie an der Universität Char’kov zu unterrichten begann.
1928 wurde Nadia Surowzowa – nach der Weigerung, mit dem NKVD zusammenzuarbeiten – verhaftet. Wegen Verleumdung von Partei- und Regierungsfunktionären, Verbindungen zu nationalistischen Untergrundorganisationen und Kontakten zu Trotzkisten wurde sie zu fünf Jahren Gefängnis in Jaroslavl‘ und anschließender dreijähriger Verbannung in den Hohen Norden verurteilt, wo sie in der Verbannung 1935 den Biologielehrer und Revolutionär Dmitrij L’vovič Olickij heiratete. Nach Verbüßung der Strafe blieb sie in Archangel’sk, wo sie im örtlichen Heimatmuseum arbeitete, weil ihr Mann seine Verbannungsfrist noch nicht verbüßt hatte. Am 3. November 1936 wurde sie wieder verhaftet und anschließend zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Lager Ėl’gen (Magadanskaja obl.) lernte sie ihre Schwägerin Ekaterina L. Olickaja kennen.
1957 wurde Surowzowa rehabilitiert und konnte nach Uman‘ zurückkehren, wo sie ehrenamtlich im lokalen Heimatkundemuseum arbeitete und Englisch- und Französischunterricht gab. 1972 wurde bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Menschenrechtsaktivisten Leonid Pljušč ihre Wohnung durchsucht und das zweibändige Manuskript ihrer Lagermemoiren konfisziert. Solženicyn besuchte Surowzowa in Uman‘ im Zusammenhang mit seinen Recherchen für den Archipel Gulag (Архипелаг ГУЛАГ). Nadia Surowzowa starb 1985 in Uman‘.
Ihr Mann Dmitrij Olickij, geboren 1905 in Kursk, studierte in Zürich und war – ebenso wie seine Schwester Ekaterina – Anhänger der Partei der Sozialrevolutionäre. Er wurde mehrmals zu Lagerstrafen verurteilt und am 3. November 1937 in Archangel’sk erschossen.
Qu.: DÖW – Datenbank österreichische Stalin-Opfer (gulag.memorial.de, lists.memo.ru, www.sakharov-center.ru/asfcd/auth/?t=author&i=1468, Archiv der Universität Wien).
https://www.doew.at/erinnern/biographien/oesterreichische-stalin-opfer-bis-1945/stalin-opfer-s/surowzowa-nadia