Strasser Isa (Isadora Klothilde), geb. von Schwartzkoppen; Publizistin, Schriftstellerin und Parteifunktionärin

Geb. Coburg, Bayern (Deutschland), 29.3.1891

Gest. Wien, 23.8.1970

St. wurde 1891 als Tochter einer preußischen Adelsfamilie in Coburg geboren. Ihr Vater, Hauptmann von Schwartzkoppen, war Berufsoffizier. Ihre Kindheit verbringt sie unter anderem in Frankfurt am Main, Berlin und Mainz. Nach dem Besuch von neun Schulklassen erlernt sie den Beruf einer Kindergärtnerin im Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus, wo sie unter dem Einfluss der Sozialistin und Pädagogin Frida Winckelmann in Opposition zu ihrem Herkunftsmilieu gerät. 1912 lernt sie den österreichischen Sozialdemokraten Josef Strasser (geb. 11.9.1870 in Krakau) kennen, Chefredakteur des Reichenberger/Liberecer „Vorwärts“ und führender Exponent der „Reichenberger Linken“. Die unstandesgemäße Heirat der beiden noch im selben Jahr führt zum Bruch mit der konservativen Familie, einzig ihre Mutter bricht die Beziehungen nicht ab.

Das Ehepaar Strasser lässt sich zunächst in Reichenberg/Liberec nieder, wo I. St. erste Erfahrungen in der sozialdemokratischen Kinder-, Jugend-, und Frauenarbeit sammelt. 1913 übersiedeln die Strassers nach Wien. I. St. ist in der Bildungsarbeit der Sozialdemokratischen Partei engagiert und schreibt für sozialistische Zeitungen wie den „Kampf“. Während des Ersten Weltkriegs ist sie Funktionärin des Bildungsvereins „Karl Marx“, Sammelbecken der linken Opposition um Friedrich Adler, die gegen den chauvinistischen Kurs der Sozialdemokratie in der Frage des Krieges auftritt. Von 1917 bis 1919 betreibt sie einen Privatkindergarten, in dem die Kinder nach der Montessori-Methode betreut werden. 1919 treten I. und Josef Strasser der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs (KPDÖ) bei. I. St. wird Redakteurin des Zentralorgans „Die Rote Fahne“, deren Chefredaktion Josef Strasser innehat, und betreut die Frauenseite. Sie gehört dem Frauenzentralsekretariat der Partei an.

Als Josef Strasser 1923 in die Redaktion der deutschsprachigen Zeitschrift „Die Internationale“ nach Moskau berufen wird, schließt sie sich ihm an. Die Kinder Peter (geb. 3.7.1917 in Jena, nach 1945 Funktionär der SPÖ und Abg. z. NR, gest. 6.6.1962 in Wien) und Charlotte (geb. 30.3.1919) verbleiben in der Obhut der Großmutter in Jena. I. St. findet Beschäftigung in der sozialwissenschaftlichen Abteilung der Roten Gewerkschaftsinternationale (Profintern). Sie verfasst die Schriften „Arbeiterin und Gewerkschaft“ und „Frauenarbeit und Rationalisierung“, die 1924 und 1927 in deutscher Sprache erscheinen. Ihre wachsenden Zweifel am politischen System in der Sowjetunion führen zu einer teilweisen Annäherung an die Positionen Leo Trotzkis. 1928 kehrt das Ehepaar Strasser nach Österreich zurück. I. St. nimmt ihre Tätigkeit bei der „Roten Fahne“ wieder auf und gestaltet u. a. die Gewerkschaftsseite mit. Zugleich ist sie auf der Suche nach einer neuen politischen Orientierung. Sie gehört einem klandestinen Zirkel in der KPÖ an, der so genannten Innerparteilichen Gruppe, zu deren Mitgliedern Jakob Frank, der spätere Sekretär Trotzkis, und Raϊssa Adler zählen. Als „Abweichlerin“ wird sie bald aus der Redaktion der „Roten Fahne“ entfernt, im Juni 1929 folgt ihr Ausschluss aus der Partei. In den folgenden Jahren ist sie in die komplizierten und letztlich erfolglosen Einigungsbestrebungen der zersplitterten trotzkistischen Gruppierungen in Österreich involviert. Mit Leo Trotzki, der inzwischen im türkischen Exil weilt, führt sie eine Korrespondenz über politische Fragen.

Die folgenden Jahre waren für I. St., die durch den Parteiausschluss auch ihren Arbeitsplatz verloren hatte, von Existenzkämpfen geprägt. 1930 gründete sie ein Übersetzungs-, Schreib- und Vervielfältigungsbüro, gab dieses jedoch nach zwei Jahren wieder auf. Danach arbeitete sie gemeinsam mit anderen Ex-Kommunisten in einem Reklamebüro. Als freie Journalistin schrieb sie für die Feuilletons verschiedener sozialistischer und bürgerlicher Zeitungen, wie z.B. das „Prager Tagblatt“, Reportagen, Rezensionen und Kurzgeschichten. Auch schriftstellerisch war sie vermehrt tätig; so entstand u.a. der historische Roman „Tzu Hsi, Chinas letzte Kaiserin“. Am 15. Oktober 1935 starb Josef Strasser nach schwerer Krankheit in Wien.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland erwog I. St. eine Emigration, nachdem ihr Sohn als sozialdemokratischer Aktivist bereits am 12. März 1938 nach Frankreich geflüchtet war. Da ihre Tochter ihr Medizinstudium in Wien fortsetzen wollte, entschloss sie sich jedoch zu bleiben und machte eine Ausbildung zur Physiotherapeutin bei Primarius Josef Kowarschik, die sie 1939 abschloss. 1941 erhielt sie eine Anstellung bei der Wiener bzw. Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und war in Ambulatorien in Wien und Mödling beschäftigt. Wie die mit ihr befreundete Muriel Gardiner bezeugt, war sie als Unterstützerin und Fluchthelferin für Verfolgte des NS-Regimes tätig. So hielt sie etwa Kontakt mit Margarete Hilferding bis zu deren Deportation.

Nach dem Ende des Krieges setzte sie nebenberuflich ihre journalistische Tätigkeit fort, u.a. in der Arbeiter-Zeitung. 1955 wurde I. St. pensioniert. Danach gründete sie den überparteilichen und überkonfessionellen Pensionistenklub „Weiße Margariten“ und widmete sich der Arbeit mit alten Menschen. Ihre Erfahrungen in der Sowjetunion verarbeitete sie in dem Roman „Land ohne Schlaf“. Darin schildert sie das Schicksal kleinerer und mittlerer Funktionäre unterschiedlicher Nationalitäten vor dem Hintergrund der einsetzenden stalinistischen Repression bis zum Beginn des Massenterrors Mitte der dreißiger Jahre. Einige der Romanfiguren tragen autobiografische Züge. Am 23. August 1970 starb I. St., kurz vor der Veröffentlichung des Buches, in einem Wiener Krankenhaus nach einer Operation unerwartet an einem Lungeninfarkt.

Qu.: DÖW 18922/6 (Buttinger Materialien).

W.: „Arbeiterin und Gewerkschaft. (Bibliothek der Roten Gewerkschafts-Internationale, 28)“ (1924), „Frauenarbeit und Rationalisierung“ (1927), „Land ohne Schlaf. Roman“ (1970), „Tzu Hsi, Chinas letzte Kaiserin. Veröff. Im Linzer Tagblatt“ (1949), „Ein Königreich für ein bißchen Liebe. Roman, unveröffentl.“, „Die Liebe der Marianne von Alcoforado. Novelle, unveröffentl.“. Artikel (Auswahl): „Die Aera Brunner II. In: Arbeiter-Zeitung, Nr. 109, 11.5.1946“, „Dr. Margaret Hilferding. In: Die Frau, Nr. 1, 4.1.1947“, „So war es. In: Arbeiter-Zeitung, Nr. 159, 10.7.1948“, „Josef Strasser zu seinem 100. Geburtstag, in: Die Zukunft. Sozialistische Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur, Heft 18, Ende September 1970“

L.: Buttinger 1970, Gardiner 1989, Hautmann 1971, ÖBL, Schafranek 1988, Strasser 1970, Isa Strasser gestorben. In: Arbeiter-Zeitung, 25.8.1970

 

Christine Kanzler