Stein, Marianne

* 29.7.1888, Wien, †nach August 1944
Anatomin und Sozialmedizinerin

M. St. wurde am 29. Juli 1888 als Tochter des aus Bösing/Pezinok/Bazin in der Slowakei stammenden Kaufmanns Adolf Albert Stein und Felicie Engelsmann in Wien geboren. 1912 promovierte sie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Ihre Ausbildung absolvierte sie am Allgemeinen Krankenhaus. Als erste Frau war sie von 1913 bis 1923 als Assistentin von Julius Tandler, bzw. zuletzt als Prosektorin, am 1. Anatomischen Institut tätig. Im Rahmen der Volksbildungsbewegung hielt sie populärwissenschaftliche Vorlesungen zur Anatomie. Ab den späten Zwanzigerjahren war M. St. als Oberstadtarzt für das Pflegewesen in den städtischen Humanitätsanstalten der Stadt Wien zuständig. 1934 dürfte sie aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt worden sein. Nach dem „Anschluss“ bemühte sich M. St. über die Aktion Gildemeester vergeblich um eine Emigration. Am 11. Jänner 1942 wurde sie mit dem 14. Transport ins Ghetto Riga deportiert. 1944 wurden die überlebenden weiblichen Häftlinge in das KZ Stutthof bei Danzig überstellt, wo M. St. am 9. August eintraf. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.
Als Medizinerin trat M. St. mit Forschungen zur Endokrinologie und Histologie hervor, insbesondere zum Einfluss der Hormone auf die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale. Ferner publizierte sie zur Ausbildung und zum Berufsbild der Krankenpflegerinnen.

Werke

Zwei Fälle von Perückengeweih bei Cerviden. In: Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, 85. Versammlung zu Wien. vom 21. bis 28. September 1913, 2. Teil, 2. Hälfte, Leipzig 1914, S. 975-977.
Anatomische Untersuchungen über zwei Fälle von Perückenbildung beim Reh. In: Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen, Bd. 39, 21.4.1914, H. 1, S. 163-175.
Über einen Fall von vollkommenem Mangel des vorderen Digastricusbauches. In: Anatomischer Anzeiger. Centralblatt für die gesamte wissenschaftliche Anatomie, 7. Bd., 17.10.1914, Nr. 13, S. 345-352.
Gem. m. Herrmann, E.: Über die Wirkung eines Hormones des Corpus luteum auf männliche und weibliche Keimdrüsen. In: Wiener klinische Wochenschrift, 29. Jg., 1916, Nr. 25, S. 778-782.
Gem. m. Herrmann, E.: Heterologe Reizstoffwirkung auf bestimmte System- bzw. Geschlechtsmerkmale bei männlichen Kaninchen. In: Zentralblatt für Gynäkologie, Bd. 43, 1919, Nr. 22.
Gem. m. Herrmann, Edmund: Ist die aus Corpus luteum bzw. Plazenta hergestellte wirksame Substanz geschlechtsspezifisch? In: Zentralblatt für Gynäkologie, Bd. 44, 1920, Nr. 51.
Gem. m. Herrmann, E.: Über künstliche Entwicklungshemmung männlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale. In: Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen, Bd. 48, 20.8.1921, Nr.4, S. 447-488.
Kurzes Repetitorium der topographischen Anatomie als Vademecum für die Prüfungen und für die Praxis (= Breitensteins Repetitorien, Nr. 44), 4. Aufl., Leipzig, 1921.
Topographische Anatomie. Vademecum für die Prüfungen und für die Praxis (= Breitensteins Repetitorien, Nr. 44), 5. Aufl., Leipzig, 1929.
Wiener Krankenpflegeschulen. In: Blätter für das Wohlfahrtswesen, 26. Jg., Juli – August 1927, Nr. 262, S. 97-99.
Die Entwicklung des Pflegewesens in den Wiener Städtischen Humanitätsanstalten. In: Blätter für das Wohlfahrtswesen, 28. Jg., Jänner – Februar 1929, Nr. 271, S. 42-46.
Krankenpflegeschulen. In: Blätter für das Wohlfahrtswesen, 29. Jg., November – Dezember 1930, Nr. 282, S. 293-297.

Literatur / Quellen

Arias, I.: „… und in Wirklichkeit war es Zufall, dass man am Leben geblieben ist …“. Das Schicksal der jüdischen Ärztinnen in Wien 1938-1945. In: dies. (Hg.): Im Dienste der Volksgesundheit. Frauen, Gesundheitswesen, Nationalsozialismus. Wien, 2006, S. 31-92.
Feikes, R.: Emigration jüdischer Wiener Ärzte ab 1938 in die USA, speziell nach New York. Bd. 2. Phil.Diss. Wien, 1999.
Gamper, M.: „…so kann ich nicht umhin mich zu wundern, dass nicht mehr Ärztinnen da sind.“ Die Stellung weiblicher Ärzte im „Roten Wien“ (1922-1934). In: Bolognese-Leuchtenmüller, B. / Horn, S. (Hg.): Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Wien, 2000, S. 79-96.
Korotin, I.: Wissenschaftlerinnen und Remigration – Die „Austrian University League of America“. In: Frauen im Exil. Die weibliche Perpektive. Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 60. Jg. 2005, Nr. 1–2, S. 8.
Personalstände der Universität Wien 1913/14 – 1922/23.
Urban, G.: Neueste Erfolge weiblicher Ärzte in Wien und anderwärts. In: Neues Wiener Journal vom 30.12.1928.
Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer. Datenbank: www.doew.at. Österreichisches Volkshochschularchiv, Bestandssuche: www.vhs.at/vhsarchiv_suche.html. Auskunft Wolf-Erich Eckstein, Matrikenamt der IKG, 5.12.2013.

BiografieautorIn:

Christine Kanzler