Spitzer Gisela; Sekretärin, Übersetzerin und Stalin-Opfer
Geb. 28.9.1900, Wien
Gest. ?
Gisela Spitzer wurde 1900 in Wien geboren, ihr Vater war. Nach dem frühen Tod des Vaters, der ein selbständiger Handwerker war, zog sie 1911 mit der Mutter nach München. Sie kehrte dann nach Wien zurück, wo sie bis 1914 bei ihrer Großmutter wohnte, anschließend war sie wieder einige Zeit in München bei der Mutter, die schließlich 1915 mit ihr zusammen nach Wien zurückkehrte, wo Gisela Spitzer eine kaufmännische Lehre begann. Bis 1920 arbeitete sie bei verschiedenen Firmen in Wien, dann übersiedelte sie nach Jena, wo sie bei einem Verlag als kaufmännische Angestellte Arbeit fand und ihren Mann Felix Frankl (Феликс Альфредович Франкль), der in Jena studierte, kennenlernte.
Im Juni 1921 übersiedelte das Paar nach Berlin, wo Spitzer beim Komitee für die Russland-Hilfe arbeitete. Weil sie als tschechoslowakische Staatsbürgerin Probleme mit der Beschaffung eines Passes hatte, konnte sie nicht zusammen mit Frankl in die Sowjetunion reisen. Sie besorgte sich in Wien Papiere auf einen fremden Namen, mit denen sie ein Visum erhielt und ihrem Mann noch 1921 nach Moskau folgen konnte. Von 1921 bis 1923 arbeitete sie als Sekretärin im Informationsbüro der Komintern. 1925 reiste Spitzer noch einmal nach Österreich, wahrscheinlich im Zusammenhang mit ihrer Mutter, die 1925 starb. Im Jahr darauf verbrachte sie zusammen mit ihrem Mann einige Zeit in China. In der Folge unterrichtete sie Geschichte Chinas an der Sun-Yat-sen-Universität in Moskau, womit sie von Stalin persönlich beauftragt worden war. Sie arbeitete auch als Redakteurin und Übersetzerin von Werken Lenins und Stalins. 1936 nahm sie die sowjetische Staatsbürgerschaft an.
Am 29. Oktober 1937 wurde sie ebenso wie ihr Mann wegen mangelnder Wachsamkeit aus der Partei ausgeschlossen: ein Arzt, der ihren an Tuberkulose leidenden Sohn Harald (Harald-Walter) Frankl behandelt hatte, war als „Feind des Volkes“ verhaftet worden. Auch Karl Radek, der Mitte der 1920er-Jahre Rektor der Sun-Yat-sen-Universität gewesen war, war Anfang 1937 verhaftet worden, ebenso eine Reihe weiterer Personen aus ihrem Bekanntenkreis wie z.B. Heinrich Süßkind oder der aus Deutschland stammende Schriftsteller Karl Schmückle (1898 – 1938, erschossen).
Spitzer wurde am 8. März 1938 zusammen mit ihrem Mann verhaftet. Sie wurde in die Butyrka gebracht und nur ein einziges Mal verhört, am 27. März 1938. In dem eher kurzen Verhör ging es – wie aus ihrer Eingabe an L.P. Berija aus dem Jahr 1939 hervorgeht – um ihre Einreise in die Sowjetunion (mit falschen Papieren) und ihre Bekanntschaft mit Radek, die schon viele Jahre zurücklag. Spitzer bestritt jede Schuld, trotzdem wurde sie am 19. September 1938 wegen konterrevolutionärer Agitation zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt, nach deren Verbüßung sie jedoch nicht freigelassen wurde; sie kam erst 1946 frei.
Wann und unter welchen Umständen sie gestorben ist, ist unbekannt. Als ihr Sohn Harald Frankl nach der Rehabilitierung seiner Eltern 1956 die Rückstellung des Eigentums forderte, wies er darauf hin, dass beide Eltern bereits tot waren.
Qu.: DÖW – Datenbank österreichische Stalin-Opfer (GARF)
https://www.doew.at/erinnern/biographien/oesterreichische-stalin-opfer-bis-1945/stalin-opfer-s/spitzer-gisela