Soucek Ernestine, geb. Glaser; Hilfsarbeiterin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 2.10.1892
Gest. Wien, 1987
S. wird als Tochter des Maurers Glaser am 2. Oktober 1892 in Wien geboren. Sie hat ein Lungenleiden und kann sich deswegen ihren Berufswunsch Schneiderin nicht erfüllen. Ab 1908 arbeitet sie in verschiedenen Industriebetrieben. Sie ist seit 1920 verheiratet; in diesem Jahr wird auch ihr Sohn geboren. Zum Zeitpunkt der Anklage (September 1943) wird er bei Stalingrad vermisst.
S. gehörte von 1920 bis 1934 der sozialdemokratischen Partei an. Durch ihren Sohn, einem Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes, lernt sie Mitglieder des KJV kennen. Sie stellt ihre Wohnung für die Herstellung von kommunistischen Flugschriften zur Verfügung.
S. wird am 7. Juni 1943 verhaftet und am 23. September 1943 vom Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Berlin wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ angeklagt. Ihre Mitangeklagten sind Alfred Rabofsky, Anna Wala und Ernestine Diwisch, sowie Sophie Vitek und Friedrich Muzyk. E. S. wird am 8. Februar 1944 wegen „Beihilfe zum Hochverrat“ zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Alle Mitangeklagten werden am selben Tag zum Tode verurteilt. Sie sterben, außer Sophie Vitek, deren Todesurteil in eine 15jährige Zuchthausstrafe abgeändert wird, am Schafott des Wiener Landesgerichtes. Die vergleichsweise „milde“ Strafe für E. S. wird im Urteil damit begründet, dass sie sich nicht aktiv an kommunistischen Aktionen beteiligt hatte: „Sie verhielt sich vollkommen passiv und duldete bloß, daß ihre Wohnung als Materialstelle benutzt wurde.“ Das Gericht bescheinigt ihr, eine einfache, geistig wenig regsame Frau zu sein, die sich auch darüber keine Rechenschaft gegeben hat, dass ihr Verhalten geeignet sei, bei der vom Kommunismus beabsichtigten Beeinträchtigung der Kriegsanstrengungen des Reiches mitzuhelfen. Als Milderungsgrund sieht das Gericht außerdem, dass sie „ihren Sohn, der bei Stalingrad vermisst ist, dem Reich geopfert und damit bereits einen Teil ihrer Schuld gesühnt hat.“ Weiters wird ihr die achtmonatige Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet. E. S. wird in das schlesische Zuchthaus Waldheim deportiert, wo sie am 16. Mai 1945 von den Alliierten befreit wird.
Qu.: DÖW 4102, 19489.
L.: Brauneis 1974, Dokumentationsarchiv 1984, Tidl 1976
Karin Nusko