Sicher Lydia, geb. Bak; Neurologin, Psychiaterin und Individualpsychologin

Geb. Wien, 19.12. 1890

Gest. Los Angeles, Kalifornien, USA, 2.4. 1962

LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit Harry Sicher, Assistent am Zahnärztlichen Institut der Wiener Universität, später Professor für Anatomie an der Loyola University in Chicago.

Ausbildungen: Besuch eines Mädchengymnasiums, 1910 Matura, danach Studium der Medizin an der Universität Wien, 1916 Abschluss, kurz nach Kriegsende Studium der Zoologie, 1921 Promotion zum Dr.phil., 1926-32 Ausbildung zur Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie an der Wiener Universitätsklinik.

Laufbahn: Freiwillige im Kriegsdienst, Einsatz in Bosnien und Montenegro; nach der Fachausbildung private Praxis, ab 1923 Engagement im Verein für Individualpsychologie als Therapeutin und Vortragende, 1929-34 im Vorstand, Vorsitzende in der Arbeitsgemeinschaft der Ärzte, Vortragende bei einem 1929 im Zuge der Wiener Schulreform ins Leben gerufenen Fortbildungskurs für Erzieher mit Schwerpunkt Schwererziehbarkeit unter der Leitung von Alice Friedmann; seit 1929 Leitung einer individualpsychologischen Sprechstunde im Ambulatorium Sandwirtgasse 3 im 6. Bezirk in Vertretung Alfred Adlers, wegen Nachfrage Einrichtung einer eigenen Kinderambulanz; ab 1939 Consulting Psychologist in der Family Service Society in Salt Lake City, Unterricht an der School for Social Work an der University of Utah und am Agricultural College in Logan, während ihres Aufenthaltes in Utah Organisation einer individualpsychologischen Gruppe in Salt Lake City; ab 1941 Assistant Clinical Psychiatrist am Los Angeles Psychiatric Service, Arbeit als Psychotherapeutin im „Child House“, einem Kindergarten und Tagesheim, wo auch Paul Brodsky mit seiner Frau Grete arbeitete, 1948 mit Paul Brodsky Austritt aus der „Child House Association“, Gründung des Institute for Individual Psychology in Los Angeles; Direktorin des Alfred Adler Counseling Center, einer Erziehungsberatungsstelle für Schulkinder; lange Zeit Vorsitzende der Alfred Adler Society, einer Ausbildungsorganisation für Individualpsychologen, Vizepräsidentin der American Society of Adlerian Psychology, seit 1957 Arbeit im Rahmen des Psychiatric Outpatient Department in der Cedars of Lebanon Clinic, Unterricht am College of Medical Evangelists und anderen Schulen und Einrichtungen.

S. hielt Kurse und Vorträge im Wiener Verein für Individualpsychologie über psychopathologische Themen wie Neurosen- und Psychosenlehre, Psychologie des Selbstmordes, Funktion von Träumen und Umgang mit Widerstand, Publikationen zu diesen Themen in der IZI; am Institute for Individual Psychology in Los Angeles wurden Vorträge über Behandlung von Neurosen und psychosomatische Krankheiten für Ärzte, Psychiater und Psychologen sowie Kurse über Erziehungs- und Beratungstätigkeiten für Lehrer, Sozialarbeiter und Bewährungshelfer abgehalten. Wurde von ihren Kollegen als sehr gute, allerdings forsche und strenge Therapeutin beschrieben.

Zitate: Alexandra Adler nennt ihren therapeutischen Zugang „forceful approach“, ihr Bruder Kurt Adler sagt sogar „She had a militant streak (I mean this favorably)“. (Davidson, 1991, S.454-455) Die Individualpsychologin Edith Foster, die bei ihr in Wien in den 1930er Jahren eine Analyse machte, berichtet folgendes: „Then I sat opposite her at the desk, telling her my dreams, she busily writing them down. Once she interrupted me: „Träumen Sie kürzer! – dream shorter!“ I did.“ (Davidson, 1991, S. 448)

W. u. a.: „Über einen Fall von manisch-depressivem Irresein. In: Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie (IZI) 6“ (1928), „Das erste individualpsychologische Ambulatorium in Wien. In: IZI 9“ (1931), „Einige theoretische und praktische Ergebnisse der Persönlichkeitsbetrachtung. In: IZI 11“ (1933), „Das Individuum in der Gemeinschaft. Versuch einer graphischen Darstellung psychischer Bewertungsarten (II). In: IZI 13“ (1935), „The family constellation (in the old testament). In: Life and Letters 64“ (1950), „Guilt and guilt feelings. In: Individual Psychology Bulletin (IPB) 8“ (1950), „Is the human race a mistake of nature? In: Humanist 13/5“ (1953), „Education for freedom. In: American Journal of Individual Psychology (AJIP) 11“ (1954), „Neurotic sovereignity. In: Journal of Individual Psychology (JIP) 14“ (1958), „Gem. mit Mosak, H. H.: Aggression as a secondary phenomenon. In: JIP 23“ (1967)

L.: Brodsky 1962, Davidson 1991, Feikes 1999, Kenner 2002, Korotin 2005, Lydia Sicher 1962, Manaster 1977, Schiferer 1995, Geuter 1987, http://de.wikipedia.org/, http://pws.cablespeed.com/