Schenk-Danzinger Charlotte
Geb. Wien, 22.12.1905
Gest. Wien, 2.3.1992
Herkunft, Verwandtschaften: Ch. D. war das einzige Kind des Pharmazeuten Leo Erwin Danziger (1878–1937) und seiner Ehefrau Pauline, geb. Köstler (1880-1968), die nach dem Tod des Ehemanns das Geschäft weiterführte.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1937 Heirat mit dem Ingenieur Johann Schenk (1902-1995). Aus dieser Ehe stammen die Tochter Margarete, verh. Haupt-Stummer (*1938), Diplomkauffrau, später Hausfrau, und der Sohn Johannes (*1943), Ingenieur. L. S.-D. war 1937 bis 1946 Hausfrau und widmete sich der Erziehung ihrer Kinder.
Ausbildungen: Staatsprüfung in Englisch, ab 1925 Studium der Psychologie an der Universität Wien bei Karl und Charlotte Bühler, nebenbei von 1926-28 viersemestrige hochschulmäßige LehrerInnenbildungskurse am Pädagogischen Institut der Universität Wien, 1929/30 Promotion zur Dr.phil., 1950 Lehramtsprüfung für Volksschulen und 1953 für Pädagogik an Allgemeinbildenden Höheren Schulen.
Laufbahn: Im Zuge ihrer Dissertation arbeitete L. D. in der Kinderübernahmsstelle der Stadt Wien und war ab 1927 aus Mitteln der Rockefeller Foundation bezahlte Assistentin, beziehungsweise nach dem Abgang Hildegard Hetzers 1931 erste Assistentin Charlotte Bühlers im Bereich Kinderpsychologie. Sie stand auch in Verbindung mit der von Paul F. Lazarsfeld am Psychologischen Institut etablierten sozial- und wirtschaftspsychologischen Forschungsgruppe und übernahm 1931/32 den Hauptteil der psychologischen Feldforschung im Rahmen der Arbeitslosen-Studie von Marienthal. Außerdem leitete sie in Zusammenarbeit mit dem Gemeindeamt der freien Gemeinde Gramatneusiedl die vom Arzt Paul Stein initiierte und organisierte Winterhilfe-Aktion. Zu Beginn der 1930er Jahre entwickelte sie eine erste Form von Schulreifetests aus der in den Wiener Kleinkindertests enthaltenen Reihe für das sechste Lebensjahr. 1935 wurde sie von Charlotte Bühler nach London geschickt, wo sie bis 1937 die (Ko-)Leitung des Kinderpsychologischen Instituts im Rahmen der Parent`s Association übernahm. Seit 1946 wieder berufstätig, engagierte sie sich im Wiener Schulwesen und arbeitete im Auftrag des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien bis 1948 an der Standardisierung der Entwicklungstests für das Schulalter. 1948 übernahm sie die Leitung der neu gegründeten Schulpsychologischen Beratungsstelle der Stadt Wien, untergebracht zunächst am Pädagogischen Institut der Stadt Wien, ab dem Schuljahr 1949/50 in einem Klassenzimmer der Sonderschule für Sehgestörte in der Zinckgasse. Es war dies die erste derartige Einrichtung in Österreich. Sie führte deren Aufbau durch und blieb bis 1967 hauptberuflich im Schulpsychologischen Dienst tätig. 1949 erfolgte im Zuge der Maßnahmen der amerikanischen „Reorientation“-Politik in Österreich ein zweimonatiger Studienaufenthalt in den USA, wo Ch. Sch.-D. in Kontakt mit der Legasthenieforschung kam. 1963 erlangte sie die Habilitation für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Innsbruck und wirkte bis 1970 als Lehrbeauftragte in diesen Fächern. 1966/67 bis 1972 arbeitete sie hauptamtlich als Professorin für Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie und Soziologie an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien, wo sie danach bis 1976 als Lehrbeauftragte weiterwirkte. 1969 umhabilitiert an die Universität Graz, lehrte sie 1971-81 in Graz und erhielt 1976 den Titel „ao. Univ. Prof“. Sie gilt als Pionierin der SchülerInnenpsychologie in Österreich und als wichtige Vorkämpferin der Legasthenieforschung.
Ausz., Mitglsch.: Mitglied der „Vereinigung sozialistischer Mittelschüler“; 1970 Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1980 Erneuerung des Doktorates nach 50 Jahren an der Universität Wien, Der Bundesverband Legasthenie stiftete 1995 eine „Lotte-Schenk-Danzinger-Medaille“, um die weitere Legasthenieforschung zu fördern.
Werke
u. a.: „Pflegemutter und Pflegekind. Phil. Diss.“ (1929), „Der Schulreifetest. Mit einer Untersuchung über die Ursachen des Versagens im ersten Schuljahr“ (1933), „Entwicklungstests für das Schuljahr“ (1953), „Die entwicklungsbedingten Schwierigkeiten des normalen Kindes im Kleinkind- und Schulalter“ (1961), „Studien zur Entwicklungspsychologie und zur Praxis der Schul- und Beratungspsychologie“ (1963), „Hg.: Handbuch der Legasthenie im Kindesalter“ (1968), „Entwicklungspsychologie“ (1969), „Pädagogische Psychologie“ (1972), „Mögliche Verursachungen von Lern- und Verhaltensstörungen“ (1976), „Entwicklung. Sozialisation, Erziehung. Von der Geburt bis zur Schulfähigkeit“ (1984)
Literatur / Quellen
L.: Benetka 1995, Benetka 2002, Boyer/Sretenovic 1980, Fleck 1988, ÖNB 2002, Schnell 1980, Müller Reinhard: http://agso.uni-graz.at/marienthal/, http://www.sozpsy.uni-hannover.de/marienthal/