Scharnschlager Anna
Geb. ?
Gest. 1565
Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Konrad Honigler und Margaret Rieper; Schwester: Veronika, verheiratet mit Hans Steger, Jurist in Kitzbühel; Onkel: Johannes Rieper Dekan in Brixen.
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit Leupold Scharnschlager; Tochter: Ursula, verheiratet mit Hans Felix aus Straßburg.
Laufbahn: A.s Eltern Konrad Honigler und Margaret Rieper waren wohlhabende Bürger in Hall in Tirol in der Nähe von Innsbruck. Ihr Onkel mütterlicherseits, Johannes Rieper, war Dekan der Bischofskirche von Brixen. A.s Mann, Leupold Scharnschlager, kam aus Rattenberg in Tirol. Ihr gemeinsamer Lebensmittelpunkt war Hopfgarten in der Nähe von Kitzbühel. A. und Leupold Scharnschlager hatten eine gemeinsame Tochter Ursula.
Im Unterinntal war Rattenberg eines der Zentren der Täuferbewegung in Tirol. Aus Rattenberg stammte auch einer der führenden Köpfe der (Tiroler) Täuferbewegung, Pilgram Marpeck (†1556). In dessen Umfeld dürften sich auch A. und ihr Mann den Täufern angeschlossen haben. Aufgrund der staatlichen Maßnahmen gegen die Täufer, die oftmals die Todesstrafe zur Folge hatte, – zwischen 1528 und 1542 wurden 139 TäuferInnen in Rattenberg und Kitzbühel hingerichtet –, entschlossen sich die Scharnschlager Hopfgarten zu verlassen. A. war damals eine etwa vierzigjährige Frau und ihre Tochter Ursula etwa zwanzigjährig. Bevor sie mit ihrer Familie das Land verließ, verkaufte sie ihren Besitz an ihren Schwager Hans Steger, einem Juristen in Kitzbühel. Eine Truhe mit persönlicher Habe, Schmuck, Erbstücke und Kleidung im Wert von 77 Gulden hinterließ sie zur Verwahrung bei ihrer Schwester Veronika. Auch sollte Veronika einige Sachen für sie verkaufen.
Die Familie begab sich nach Straßburg; dort hatte auch Pilgram Marpeck ein Jahr zuvor Zuflucht gefunden. In der Stadelgasse fanden sie ein Haus. Leupold wurde als Seifensieder tätig.
Bald stellte sich heraus, dass Straßburg nur eine Zwischenstation war. Anfang 1532 wurde Pilgram Marpeck von der Stadtregierung zum Verlassen der Stadt gezwungen. Seine Divergenzen mit dem Reformator der Stadt, Martin Bucer (Butzer) (†1551), waren zu groß geworden. A.s Mann trat nun an die Spitze der Gemeinschaft der TäuferInnen in Straßburg. 1533 heiratete die Tochter Ursula ein Mitglied der Straßburger TäuferInnengemeinde, Hans Felix, einen Glockengießer und Schlüsselmacher, der auch vom Uhrenmachen etwas verstand. Die beiden verließen Straßburg, um sich in Mähren niederzulassen. Von Mähren aus hielten sie Briefkontakt mit den Eltern.
1534 wurden auch A. und Leupold Scharnschlager von der Stadt vertrieben. Bevor sie die Stadt verließen, richtete Leupold Scharnschlager einen sehr eindringlichen Appell für religiöse Toleranz an den Straßburger Stadtrat. Wohin sie neuerlich aufbrachen ist unbekannt. Möglicherweise sind sie Pilgram Marpeck gefolgt, der sich um diese Zeit in Sankt Gallen in der Schweiz aufhielt. A. bemühte sich in dieser Zeit auch, die Habe, die sie ihrer Schwester anvertraut hatte, zu bekommen, jedoch vergeblich.
1546 leben A. und ihr Mann in Ilanz in Graubünden in der Schweiz. Dort können sie auch ihren Glauben ungehindert praktizieren. Leupold amtierte als Schulmeister. Er gehörte dem Ältestenrat der dortigen TäuferInnengemeinde an. In Ilanz besuchten sie auch Tochter und Schwiegersohn mit den inzwischen geborenen Enkelkindern, zwei Mädchen und zwei Buben.
Von Illanz aus bemüht sich A. weiterhin, an die in Tirol zurückgelassene Habe zu gelangen. Brieflich wandte sie sich an ihre Nichte Regina, die sie in Salzburg ausfindig machen konnte, ihr die Sachen zukommen zu lassen. Sie urgierte auch, dass ihr ihr Schwager, Reginas Vater, noch zehn Gulden von einem Fass Wein, das sie ihm vor dreißig Jahren verkauft hatte, schulde. Ferner erkundigte sie sich, ob ihr Onkel Johannes Rieper noch lebe, und falls er gestorben sei, ob sie auch in seinem Testament bedacht worden sei.
A. erfuhr von ihrer Nichte, dass sie von der ganzen Angelegenheit nichts wisse und auch nichts mehr in Erfahrung bringen könne, da beide Eltern nun tot seien. Was den Onkel betrifft, wurde A. nach Brixen verwiesen, dort Erkundigungen einzuziehen.
Die Kümmernis um materielle Güter und finanzielle Angelegenheiten scheint A.s ganzes Leben durchzogen zu haben. Ihr dürften die finanziellen Gebaren für ihre Familie anheim gestellt gewesen sein. 1563 versuchte sie, von einem Gerber in Chur das ihm gewährte Darlehen wieder zu bekommen. Es mag sein, dass auch die Not sie dazu trieb.
Im Frühling 1563 starb Leupold Scharnschlager, der zu einem der profiliertesten Täufer im süddeutschen Raum avanciert war.
A. hatte mittlerweile die siebzig überschritten und ihr Gesundheitszustand ließ zu wünschen übrig. Sie wandte sich zwei Mal an Ursula, nach Ilanz zu kommen und bis zu ihrem Tod bei ihr zu bleiben. Doch dieser Wunsch A.s ging nicht mehr in Erfüllung, denn noch vor A., die Anfang des Jahres 1565 starb, war Ursula verstorben.
A. dürfte aber ein ansehnliches Vermögen hinterlassen haben, denn nach ihrem Tod forderte ein Mann bei Gericht für seine Frau, die A.s Cousine gewesen sein soll, A.s Erbe. Es stellte sich heraus, dass der Mann ein Betrüger war. Von offizieller Seite wurde nämlich mit beträchtlichem finanziellem Aufwand versucht, die noch lebenden Verwandten A.s in Mähren, nämlich ihre zwei Enkelsöhne, ausfindig zu machen. Diese kamen dann auch möglicherweise in den Genuss von A.s Hinterlassenschaft.
Werke
Literatur / Quellen
L.: Klaassen 1992, Klaassen 1996, Klassen 1967