Puhm Rosa; Schriftstellerin und Politische Aktivistin

Geb. Wien, 29.7.1909

Gest. Wien, 1997

R. P. wird als Kind einer Arbeiterfamilie am 29. Juli 1909 in Wien geboren. Ihre Mutter arbeitet in einer Korkenfabrik, der Vater ist aktiver Sozialdemokrat.

R. P.s Traum vom Studium lässt sich wie bei vielen Arbeiterkindern, vor allem bei Mädchen, nicht erfüllen. Sie besucht einen mehrmonatigen Kurs für Büroarbeit in der Handelsschule und nimmt im Alter von 15 Jahren eine Stelle als Kontoristin an. Sie wird Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und beteiligt sich an antifaschistischen Aktionen, später wird sie Mitglied im Kommunistischen Jugendverband (KJV). Sie beschäftigt sich mit marxistischen Schriften und lernt den sozialkritischen Journalisten Max Winter kennen. Wegen ihrer politischen Zugehörigkeit verliert sie 1927 ihren Arbeitsplatz. Die Kampfhandlungen im Juli 1927, die nach dem Freispruch der Mörder von Schattendorf ausbrechen und bei denen es zu zahlreichen Toten und Verletzten, hauptsächlich auf Seiten der unbewaffneten ArbeiterInnnen, kommt, erlebt sie als Augenzeugin mit. 1928 besucht sie die Verbandsschule des KJV und ist dort Schülerin von Alfred Klahr. R. P. nimmt in den folgenden Jahren häufig an Aktionen der KPÖ teilt und kommt dadurch in Konflikt mit der Polizei. Sie arbeitet im Büro des KJV und wird von der Partei zu einer sechsmonatigen Ausbildung in die Schule der Kommunistischen Internationale (KIM-Schule) bei Moskau geschickt. Dort lernt sie ihren späteren Lebensgefährten, den italienischen Kommunisten Dino Maestrelli (geb. 1907), kennen.

Dino Maestrelli gelingt es, mit einem falschen Pass nach Wien zu kommen. Kurz vor der geplanten Emigration in die Sowjetunion werden die beiden im Mai 1932 in Wien verhaftet. Dino Maestrelli wird über die Grenze nach Deutschland abgeschoben und flüchtet über Berlin nach Gorki. Im Jänner 1933 reist R. P. ihm nach. Dino arbeitet im Autowerk bei Gorki, einer der damals modernsten und größten Fabriken der UdSSR. Auch R. findet dort im Konstruktionsbüro Arbeit; die beiden wohnen in der neu errichteten „Amerikanischen Siedlung“.

Im August 1934 kommt R. P.s Sohn Remo zur Welt. Ab 1937 kommt es wie in der gesamten Sowjetunion auch in Gorki zu zahlreichen Verhaftungen. Am 31. Dezember wird Dino Maestrelli verhaftet und zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. R. versucht zu intervenieren, hat aber weder bei der österreichischen Kominternvertretung noch bei den sowjetischen Behörden Erfolg. Als „Angehörige eines Volksfeindes“ ist sie Schikanen von Seiten der Behörden und der Bevölkerung ausgesetzt.

Während der Kriegsjahre leidet R. P. wie viele andere EmigrantInnen und Einheimische unter der schlechten Ernährungslage und den allgemeinen Versorgungsschwierigkeiten. Obwohl es ihre prekäre materielle Lage verbessert hätte, versucht das NKWD (Volkskommissariat für Inneres) vergeblich, sie als Informantin zu gewinnen.

1946 wird R. P. mit der Medaille für „heldenmütige Arbeit im großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“ ausgezeichnet. Im selben Jahr kann sie nach vierzehnjähriger Abwesenheit mit Hilfe der MOPR (russische Rote Hilfe), nach Wien zurückkehren. Sie arbeitet zunächst als Dolmetscherin in den USIA-Betrieben und wirkt als Bezirksrätin in Hernals (17. Wiener Gemeindebezirk). Nach dem Besuch der Parteischule wird sie Mitarbeiterin der Organisationsabteilung der KPÖ. R. P. ist von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Österreich der Nachkriegszeit enttäuscht, sie erfährt von den Geschehnissen während der nationalsozialistischen Herrschaft und muss erkennen, dass in großen Teilen der Bevölkerung die Ressentiments gegen KommunistInnen stärker sind als gegen (ehemalige) NationalsozialistInnen. Dazu kommt, dass sie auch mit ihren GesinnungsgenossInnen nicht über die negativen Erfahrungen in der Sowjetunion sprechen kann.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die KPÖ betreut R. P. ausländische Delegationen bei zahlreichen Kongressen. Ab Mitte der fünfziger Jahre arbeitet R. P. auf Anraten des Parteivorsitzenden Johann Koplenig im Bund Demokratischer Frauen mit. 1956 bestätigt und verurteilt Chruschtschow in einer „Geheimrede“ die Verbrechen des Stalinismus, im selben Jahr wird R. P. mitgeteilt, dass Dino Maestrelli am 11. Februar 1946 an einer Lungenentzündung verstorben wäre. Aufgrund einiger Augenzeugenberichte und sonstiger Indizien hat sie jedoch den Verdacht, er sei kurz nach seiner Verhaftung hingerichtet worden.

Während des Aufstandes gegen das Sowjetregime in Ungarn 1956 organisiert R. P. im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Bund Demokratischer Frauen Hilfstransporte; es sind die ersten, die in Budapest ankommen. 1958 ist sie Mitorganisatorin des Kongresses der Internationalen Demokratischen Frauenföderation, der in Wien stattfindet. Immer wieder kritisiert sie die zu moskautreue Linie der KPÖ. Ende der fünfziger Jahre verlässt sie den Bund Demokratischer Frauen und wird Verkäuferin in der Buchhandlung für russische Literatur. Sie fühlt sich in der Partei zunehmend isoliert und nimmt eine Stelle als Bürokraft in der Privatwirtschaft an. Nach ihrer Pensionierung arbeitet sie als Reiseleiterin für russische Reisegruppen und bleibt weiterhin Parteimitglied. 1968 verurteilt sie, wie viele KP-Mitglieder, den Einmarsch der Sowjettruppen in die Tschechoslowakei. Sie spricht in dieser Zeit erstmals über ihre negativen Erlebnisse aus ihrer Zeit in Gorki.

Nach ihrem Ausschluss aus der KPÖ beginnt für R. P. eine Zeit der Depressionen, sie muss ihr Leben neu ausrichten, was ihr schließlich auch gelingt. Sie betätigt sich zwar weiterhin politisch − sie engagiert sich z. B. in der österreichischen „Memorial-Bewegung“, die sich der Geschichte und dem Gedenken österreichischer Stalinopfer widmet − gehört aber keiner Partei an. R. P. stirbt 1997 in Wien.

W.: „Trennung in Gorki. Erinnerungen an eine Zukunft“ (1990/2006)

L.: Dokumentationsarchiv 1999, Neue AZ 18.10.1989, Volksstimme 21.12.1990

 

Karin Nusko