Paula (Paola) Gonzaga; Frau Graf Leonhards von Görz-Tirol († 1500)

Geb. 23.9.1463

Gest. vermutlich Ende 1495, Anfang 1496

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Markgraf Ludovico II. Gonzaga (1444-1478) und Barbara von Brandenburg (Hohenzollern) (†1481), Tochter von Kurfürst Johann „der Alchimist“ von Brandenburg (†1465); Geschwister: Frederico (1441-1484), verheiratet mit Margarethe (†1479), Tochter Herzog Albrechts III. von Bayern-München (1438-1460); Markgraf Francesco (1444-1483), Kardinal; Paola Bianca (1445-1447), Markgraf Gianfrancesco (1446-1496), Susanna (1447-1481), Nonne; Dorotea (1449-1467), Cecilia (1451-1478), Nonne; Rodolfo (1452-1495), Barbara (1455-1503), verheiratet mit Graf, seit 1495 Herzog, Eberhard von Württemberg, (†1496); Ludovico (1460-1511); verheiratet mit Graf Leonhard von Görz (†1500); Kinder: ein Mädchen, das bald nach der Geburt verstarb.

Laufbahn: P. G. war das jüngste von zehn Kindern von Ludovico II. Gonzaga und Barbara von Brandenburg. Die Familie der Gonzaga hatte 1328 die Herrschaft der Familie der Bonacolsci in Mantua gewaltsam abgelöst und 1433 hatten sie von Kaiser Sigismund (†1437) die Markgrafenwürde erlangt. Der Hof der Gonzaga hatte sich unter P.s Vater Ludovico als ein humanistisch geprägtes Kunst- und Kulturzentrum etabliert. Am Hof von Mantua war die Markgräfin Barbara die beherrschende Persönlichkeit. Liebevoll umsorgte sie nicht nur ihre Kinder und kümmerte sich um deren Wohlergehen und Gesundheit, auch als sie mehr am Hof in Mantua lebten. Sie führte die Regierungsgeschäfte während der häufigen Abwesenheit des Markgrafen. Sie war eine gute Vermögensverwalterin und geschickte Diplomatin. Es oblag vor allem ihr, eine standesgemäße Verheiratung insbesondere der Töchter zu betreiben. Die Heiratspolitik der Gonzaga im ausgehenden 15. Jahrhundert war danach ausgerichtet, eheliche Verbindungen mit Fürstenhöfen des deutschen Reichs herzustellen. Die Frau des erstgeborenen Sohnes wurde die Wittelsbacherin Margarethe. 1474 wurde die einzige gesunde und auch gutaussehende Tochter der Gonzaga, Barberina (Barbara), die Braut Herzog Eberhards von Württemberg. In diese Politik ist auch die Verheiratung P.s mit dem Grafen Leonhard von Görz-Tirol einzuordnen. Dessen große Grafschaft und seine Beziehungen zu den Höfen von Erzherzog Sigismund von Tirol (1446-1490) und Kaiser Friedrich III. (1453-1493) ließen ihn attraktiv erscheinen.

P. erhielt am Hof in Mantua eine humanistische Erziehung. Während P.s Schwestern Susanna und Cecilia schon in jungen Jahren ins Kloster kamen, da sich bei ihnen eine seit der Heirat von Gianfrancesco Gonzaga (1395-1444), Ludovicos Vater, mit Paola Malatesta von Rimini manifeste erbliche Körperdeformation zeigte, war der Weg ins Kloster P. erspart geblieben. Aber auch sie, die nach ihrer Großmutter benannt war, hatte einen leichten Buckelansatz.

Sie war zehn Jahre alt, als erstmals Eheanbahnungen zwischen den Häusern Görz und Gonzaga in die Wege geleitet wurden. Das mühevolle Zustandekommen der Ehe P.s mit Leonhard von Görz-Tirol dokumentiert ein Briefwechsel zwischen den beiden Familien. Graf Leonhard von Görz-Tirol wurde erstmals 1473 ins Spiel gebracht als es um die Verheiratung von Barbara, P.s älterer Schwester, ging. Als diese jedoch mit Herzog Eberhard von Württemberg verheiratet wurde, bemühte sich P.s Mutter um eine Eheschließung ihrer jüngsten Tochter mit dem Görzer Grafen. Aus einem Brief vom 1. November 1473 geht hervor, dass eine Heirat P.s und Leonhards bereits fest vereinbart war. Anfang August 1474 traf jedoch die Nachricht in Mantua ein, Graf Leonhard sei gestorben. Damit brach auch der Kontakt zwischen dem Görzer Grafen und den Gonzagas für längere Zeit ab.

Einige Quellen berichten, dass Leonhard zwei Ehen eingegangen sei, und zwar eine erste Ehe mit Euphrosina, Tochter des Nikolaus Illok (Ujilaki) (†1477), König von Bosnien, und seiner zweiten Frau Margarethe Rozgonyi. Nikolaus Illok wurde von den Türken vertrieben. Er verfügte jedoch über ausgezeichnete Beziehungen zum Kaiserhof und war Taufpate des im März 1459 geborenen, späteren Kaisers Maximilian I. Über diese sicherlich nur kurze Ehe ist aber nichts weiter bekannt. Datiert wird diese Heirat ins Jahr 1475, und dies könnte auch zutreffend sein, da erst ab Juni 1476 wieder ernsthaft über eine Heirat zwischen P. und Leonhard gesprochen wurde. Das Heiratsversprechen, ausgehandelt zwischen Markgraf Ludovico II. von Mantua und Graf Leonhard von Görz, datierte vom 11. Juli 1476; es wurde der Hochzeitstermin festgelegt sowie die finanziellen Angelegenheiten geregelt. Ende März bis Ende April 1477 hielt sich Leonhard persönlich in Mantua auf, wo Markgräfin Barbara alles tat, ihm den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten. Er wollte dann alle Anordnungen treffen, um seine Braut heimzuführen. Die Markgräfin ihrerseits war sehr darum bemüht, ein standesgemäßes Leben für ihre Tochter nach allen Seiten hin abzusichern und verhandelte aus diesem Grund, wenngleich vergeblich, mit dem Dogen von Venedig über die Rückgabe von Latisana an den Görzer Grafen. Desgleichen versuchte sie bei Kaiser Friedrich zu erreichen, dass dieser die oberkärntnerischen Gebiete zurückgebe. Dieser stellte die Übertragung der Causa an ein Schiedsgericht in Aussicht, sobald das Paar einen Sohn habe.

Der für Oktober 1477 vereinbarte Hochzeitstermin wurde jedoch mehrfach verschoben, bis schließlich am 15. November nach einer gerade überstandenen schweren Krankheit P.s und unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters Ludovico die Hochzeit in Bozen gemäß dem Wunsch Herzog Sigmunds von Tirol (1446-1496) groß gefeiert wurde. Paola war von ihrer Familie mit einem Brautschatz im Wert von 10 000 Gulden ausgestattet worden, der aus kostbaren Juwelen, Kleidung, Stoffen, Bett- und Tischleinen, Silbergeschirr, einem Flügelaltar für die Kapelle, einem elfenbeinernen Schachbrett, kostbaren Truhen, vierzehn Büchern und vielem anderem mehr bestand (Inventarliste vom 5. November 1578, Inventar A 202/8, Tiroler Landesarchiv, Innsbruck).

Die politische Motivation dieser Verbindung lag für Leonhard in der Beziehung zu einer oberitalienischen Macht, die ihn gegenüber Venedig stärken sollte. Ein nicht unwesentlicher Faktor war auch die zu umfangreiche Mitgift.

Bereits am Tag nach der Hochzeit erkrankte P. schwer, sodass der feierliche Hochzeitszug nach Lienz in die Residenz des Paares sich um mehr als zwei Wochen verzögerte. Das Leben an der Seite des um zwanzig Jahre älteren Leonhard war für die seit ihrer Kindheit kränkelnde P. eine große Belastung, abgesehen davon, dass das Leben auf der Burg Bruck in Lienz viel rauher und weniger kultiviert als am kunstsinnigen, humanistisch geprägten Hof in Mantua war. Das Verhältnis der Ehegatten zueinander war nicht zuletzt auch deswegen gespannt, da die versprochene Mitgift von ihrer Familie nicht aufgebracht werden konnte. Die Hoffnungen, dem vom Aussterben bedrohten Haus Görz-Tirol ersehnten Nachfolger das Leben zu schenken, erfüllten sich nicht. Ein 1479 geborenes Mädchen starb bald nach der Geburt. Weitere Kinder blieben ihr versagt. Mit ihrer Familie blieb sie nach ihrer Eheschließung weiterhin in engem Kontakt, besonders mit ihrer Mutter, die sich aus der Ferne sehr um das Wohlergehen ihrer Tochter kümmerte, und nach deren Tod 1481 mit ihren Brüdern und Neffen, von denen P. auch die immer noch nicht vollständig ausbezahlte Mitgift einzufordern begann. Die letzte Zeit der Ehe scheint jedoch harmonischer verlaufen zu sein. Das Ehepaar unternahm gemeinsame Reisen nach Innsbruck und Venedig. Leonhard bemühte sich auch um eine gute ärztliche Versorgung P.s während ihrer Krankheiten. P.s Gesundheitszustand verschlimmerte sich jedoch zusehends. Sie starb vermutlich Ende des Jahres 1495 oder Anfang 1496, möglicherweise in Venedig oder Albano. Es ist nicht bekannt, wo sie begraben wurde.

Der italienische Humanist Jakob von Bergamo würdigte P.s Persönlichkeit in der Reihe „Clarae mulieres“ (Ferrara 1495).

Mag auch P.s Grab unbekannt sein, so erinnern heute noch aus dem Brautschatz stammende, im Inventar angeführte Truhen von höchster künstlerischer Qualität an sie. Statt auf die Forderungen nach Rückgabe des Brautschatzes der Gonzaga einzugehen, gab Leonhard einen Teil des Brautschatzes in Sorge um ihr Seelenheil dem von Kaiser Friedrich III. (1453-1493) gegründeten St. Georgs-Ritterorden in Millstatt, der mit dem Vermögen des aufgelassenen Millstätter Benediktinerkonvent ausgestattet worden war. Liegenschaften und fahrende Habe wurden 1598 dem von Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich und späteren Kaiser Ferdinand II. (1619-1637) dem neu gegründeten Jesuitenkolleg in Graz zur Ausstattung übergeben. Die zwei mit Elfenbein verzierten Truhen dienten dann zur Aufbewahrung der von Ferdinand II. verehrten Reliquien in der Grazer Jesuitenkirche, wo sie in dieser Form heute noch zu sehen sind.

Die beiden anderen Truhen verblieben vermutlich zunächst in Millstatt. Ihre Stuckreliefs waren von den Truhenkörpern entfernt worden und gelangten ins Kärntner Landesmuseum in Klagenfurt. Der einzige erhaltene Truhenkörper wurde im Stiftsmuseum von Millstatt aufbewahrt. In Vorbereitung der gemeinsamen Ausstellung von Tirol, Südtirol und dem Trentino circa 1500. Landesausstellung 2000 „Mostra storica“, Lienz, Schloss Bruck, erfolgte deren Reinigung und Konservierung durch die Restaurierungswerkstätten des Bundesdenkmalamtes Wien (Erszébet Petsche, Giovanna Zehetmaier). Im Zuge der Vorbereitung der Ausstellung „Die Brauttruhen der Paola Gonzaga und Andrea Mategna“, Kunsthistorischen Museum Wien (4. Dezember 2001-7. April 2002) wurde die nach 1905 in Holz geschnitzte Kopie eines Reliefs entfernt vom Truhenkörper entfernt und das Originalrelief eingefügt.

Die Grazer Brauttruhen, entstanden vor 1478, haben eine Größe von 189, 5 × 78 × 99 cm und sind in gefärbtem Bein, Elfenbein und Horn auf einen Holzkörper gearbeitet. Dargestellt sind auf diesen Truhen die „Trionfi“ des Francesco Petrarca († 1374); auf der einen Truhe der Triumph der Liebe, der Keuschheit und des Todes (Abb. Ferino-Pagden, 26, 28, 29; 30-31 Details aus dem Triumph der Liebe), auf der anderen Truhe die Triumphe des Ruhmes, der Zeit und der Ewigkeit (Abb. Ferino-Pagden, 25, 41 Triumph der Zeit, 36-37 Details aus dem Triumph der Ewigkeit).

Die Millstätter Brauttruhe hat eine Größe von 235 × 85, 5 × 98 und ist aus Nadelholz; die beiden Pastigliareliefs, entstanden vor 1478, sind polychromiert und vergoldet. Die Reliefs haben die Darstellung „Trajans gerechtes Urteil“ zum Thema. Auf dem Heereszug Kaiser Trajans nach Asien reitet ein Soldat ein Kind nieder. Die Mutter fordert von Trajan einen Schiedsspruch über den Soldaten. Dieser fällt das Todesurteil, und es trifft des Kaisers Sohn. Die Mutter erbittet anstelle ihres verstorbenen Sohnes den Kaisersohn zur Adoption. Die Legende ist vom frühen Mittelalter bis in die Renaissance verschiedentlich bearbeitet worden (Abb. Ferino-Pagden, 6f.: die Trajanslegende I 8, 10-12, Detailausschnitte; 14f.: die Trajanslegende II, 16f., 18f., 20, Detailauschnitte).

In Truhen dieser Art, in Italien als „cassoni“, „forzieri“, „confani“ bezeichnet, wurden die persönlichen Gegenstände einer Braut als Teil der Mitgift verwahrt. Sie waren jedoch gleichzeitig auch als Raumausstattung für den zukünftigen Wohnbereich der Braut gedacht. Die Brauttruhen der P. G. nehmen aufgrund ihrer Ausstattung innerhalb der vielfältigen Produktion des 15. Jahrhunderts einen herausragenden Platz ein, nicht zuletzt dadurch, da sie in Verbindung mit Andrea Mategna, der seit 1460 im Dienste der Gonzaga als Hofmaler stand, hergestellt worden sind.

L.: Ferino-Pagden 2001, Schnitzer/Gutmann 2000, Severidt 1997

 

Ingrid Roitner