Musik Erna, geb. Raus, Ernestine; Bezirksrätin, Geschäftsfrau und Zeitzeugin

Geb. Wien, 17.4.1921
Gest. 8.3.2009

Herkunft, Verwandtschaften: Als Jüngste von sieben Geschwistern geboren. Der Vater, Kriegsinvalide, starb, als E. drei Jahre alt war. Die Mutter war Inhaberin einer Weißnäherei und musste die Familie erhalten. Da sie aus großem jüdischen Haus stammte, das die Ehe mit einem Christen nicht duldete, wird sie von ihren Eltern abgelehnt und erhielt keine Unterstützung. Die Schwester, die an einer Herzkrankheit litt, wurde nach Auschwitz deportiert.

LebenspartnerInnen, Kinder: Lernte mit 16 Jahren bei den „Roten Falken“ ihren späteren Mann Karl Musik kennen. 1942 kommt ihre Tochter zur Welt. Karl Musik wird von den sowjetischen Besatzungsmächten als NS-Kollaborateur verdächtigt und nach Ödenburg verschleppt. Drei Tage nach E. erreicht er schließlich Wien, am 8. Juni 1945 heiraten die beiden. 1947 kam ein Sohn zur Welt, 1957 eine Tochter.

Ausbildungen: Besuchte die Volksschule am Allerheiligenplatz und eine Schule für höhere Töchter. Nach dem „Anschluss“ wurde ihr der Zutritt plötzlich verwehrt. Sie muss zu Hause für ihre Mutter sticken. Lernte im Betrieb der Mutter Stickerei und Wäschewarenerzeugung.

Laufbahn: Nach dem „Anschluss“ wurde die Näherei der Mutter geschlossen und die Maschinen abtransportiert. E. M. wurde dienstverpflichtet in einer Militärnäherei. Sie wird schwanger, kann aber den Vater des Kindes nicht heiraten, da es sich dabei bereits um „Rasseschande“ gehandelt hätte. Als Vorsichtsmaßnahme ließ sie sich von einem evangelischen Pfarrer taufen. Sie wurde im Jänner 1943 verhaftet, da sie und der Vater ihres Kindes im sozialistischen Widerstand tätig waren. Sie wurde nach Auschwitz deportiert, wo sie zunächst Grasziegel ausstechen musste und dabei krank wird. Maria Mandl (fälschlich Mandel), eine gefürchtete SS-Aufseherin, teilte ihr eine andere Arbeit zu und rettete ihr, im Unterschied zu vielen anderen Häftlingen, das Leben. Als ihre Schwester in das KZ eingeliefert wird, kann sie sie durch Kontakte zum Männerlager mit den nötigen Injektionen versorgen. Später wird E. M. nach Ravensbrück deportiert. Im Jänner 1945, als das KZ-Auschwitz geräumt wird, ist E. M. an der Ruhr erkrankt. Den „Todesmarsch“ nach Ravensbrück überlebt sie nur mit Hilfe ihrer Schwester und einiger Kameradinnen. In Ravensbrück angekommen wird sie von Käthe Sasso versorgt. Sie wird nach Malchow, einem Nebenlager von Ravensbrück, gebracht und muss in der Munitionsfabrik arbeiten. Nach der Evakuierung ist E. M. einen Monat lang nach Wien unterwegs. Wieder in Wien, kann sie ihr inzwischen dreieinhalbjähriges Mädchen von ihrer Schwägerin zurückholen. 1946 eröffnete sie den arisierten Weißnähereibetrieb ihrer Mutter wieder, der später von ihrer Tochter übernommen wird. Als ihr Mann 1977 starb, übernahm sie auf Bitte der Sektion die Leitung der SPÖ in Wien-Brigittenau, die ihr Mann lange Zeit innehatte, 17 Jahre lang war sie Bezirksrätin, war die erste Frau im Freien Wirtschaftsverband und baute dort eine Frauenorganisation auf. Seit Ende der 1940er Jahre kehrte sie jedes Jahr nach Auschwitz zurück und arbeitete als Zeitzeugin an Schulen. Sie ist Ehrenvorsitzende des Bundes sozialdemokratischer Freiheitskämpfer und zählte zu den Gründungsmitgliedern der Österreichischen Lagergemeinschaft Auschwitz. Nach dem Tod von Friedl Sinclair war sie die Vorsitzende der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück.

Zitate: Ohrfeigte als Zeugin vor Gericht den ehemaligen NSDAP-Ortsgruppenleiter Hönisch. „Das war für meinen Bruder, den ich sehr geliebt hab. Dem hat der Hönisch damals in der Kristallnacht zwei Ohrfeigen verpasst.“ („Merken Sie sich: Ich bin Sozialistin. Erna Musik“ In: Der sozialdemokratische Kämpfer 4-5-6/ 2001, www.freiheitskaempfer.at)

Ausz., Mitglsch.: Trat schon sehr früh in die sozialistische Kinderorganisation ein. Kommerzialrätin und Ehrenvorsitzende des Wirtschaftsverbandes, Vorsitzende der Freiheitskämpfer im Bezirk. Großes Verdienstkreuz der Republik Österreich, Silberne Kammermedaille, Auszeichnung des Landes Wien.

Qu.: Tagblattarchiv (Sammelmappe).

L.: Amesberger/Halbmayr 2001, Berger 1987, Dokumentationsarchiv 1992, Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: www.dasrotewien.at, www.freiheitskaempfer.at, Auschwitz-Information, März 2007: http://www.wsg-hist.uni-linz.ac.at/