Marie Valerie; Erzherzogin

Geb. Ofen/Buda, Ungarn, 22.4.1868
Gest. Schloss Wallsee, NÖ, 6.9.1924

Herkunft, Verwandtschaften: Jüngstes Kind von Kaiser Franz Joseph (1830-1916) und Kaiserin Elisabeth in Bayern (1837-1898).

LebenspartnerInnen, Kinder: 1890 heiratete sie in Ischl ihren Vetter dritten Grades, Franz Salvator (1866-1939), aus dem toskanischen Zweig der Habsburger. Der Ehe entstammten zehn Kinder: Elisabeth (*1892), Franz Karl Salvator (*1893), Hubert Salvator (*1894), Hedwig (*1896), Theodor Salvator (*1899), Getrud (*1900), Maria (*1901), Klemens Salvator (*1904), Mathilde (*1906), und Agnes (*†1911). Die Familie lebte vorwiegend auf Schloss Wallsee, wo sie von Kaiser Franz Joseph I. oft und gerne besucht wurde.

Laufbahn: Nach 328 Jahren wurde erstmals wieder ein Nachkomme eines regierenden Monarchen auf ungarischem Boden geboren, was M. V. den Beinamen „das ungarische Kind“ einbrachte. Ihre bis 1883 von Bischof H. Ronay geleitete Erziehung trug einen ungarisch-nationalen Charakter, der ganz im Sinne der Mutter lag. Später wurde sie vom Wiener Lehrer Dr. Karl Ferdinand Kummer in Deutsch, Geschichte und Literatur unterrichtet, wobei M. V. eine Vorliebe für die schöngeistige Richtung entwickelte. Oft begleitete sie ihre Mutter auf Reisen nach Ungarn, dem Salzkammergut, Meran, Deutschland, Frankreich und England. Ihre Heimatverbundenheit und die Liebe zur Großfamilie, verbunden mit dem Entschluss, nach dem Umsturz in Österreich „nicht das Schicksal der umherirrenden Bourbonen“ teilen zu wollen, erleichterten ihr die Anerkennung des Habsburgergesetzes von 1919 und die Unterfertigung der Verzichtserklärung. Sie blieb, unter Beibehaltung ihres Vermögens, in Österreich.

M. V. betätigte sich als Blumen- und Vedutenmalerin und zeigte ihre Ambitionen zum Theater in mehreren Einaktern und dramatischen Gelegenheitsspielen, die im Familienkreis unter der Regie der Hofschauspieler Lewinsky und Sonnenthal in der Wiener Hofburg, in Gödöllö und in Wartholz aufgeführt wurden. Ihre besondere Zuneigung galt dem Wiener Burgtheater, dessen große Gönnerin und Förderin sie zeitlebens blieb. Wie die Mutter Elisabeth verfasste M. V. lyrische Gedichte, die 1885 in einem in geringer Auflage erschienenem Gedichtband gedruckt wurden. Als Verfasserin eines Tagebuchs ist M. V. für Historiker bedeutsam; erwähnenswert sind ihre religiösen Betrachtungen mit vorwiegend pädagogischem Inhalt. Zusammen mit der Kaiserin gab sie das Buch „Ein Herbst im Süden“ heraus. M. V. liebte es nicht, ihren hohen Rang in der Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen. Sie verfügte über einen großen Wohltätigkeitssinn, den sie oft unter Beweis stellte, so für die Opfer und Angehörigen des Wiener Ringtheaterbrandes von 1881. Während des 1. Weltkrieges richtete sie im Wallseer Vorschloss ein Lazarett ein, sie gründete ebendort das „Marie Valerie Armenspital und Altersheim“ und wurde von der Bevölkerung als „Engel von Wallsee“ bezeichnet. Daneben finanzierte sie zahlreiche Klöster und Kirchen wie das Sacré Coeur in Preßbaum, die Herz-Jesu-Kirche in Amstetten, die Pfarrkirche von Bärnkopf. Sie stiftete Stipendien für Arme und war Protektorin von sieben Wohltätigkeitsvereinen.

L.: Conte Corti 1955, Eisenberg 1893, Giebisch/Gugitz 1964, Hamann 2001, Kronthaler 1995, Nagl/Zeidler/Castle 1899-1937, ÖBL, Révai 1989, Österreichisch-ungarische Revue 9, 1890, S. 193 ff., RP 7.9.1924