Lieser, Henriette Amélie, geb. Landau, genannt Lilly Lieser; Mäzenin
Geb. Wien, 4.7.1875
Gest. KZ Auschwitz, Dezember 1943
Lilly Lieser ist das jüngste Kind von Albert und Fanny Landau, einer bekannten Familie des jüdischen Wiener Großbürgertums. Albert – Bankier, Großindustrieller, Direktor der ägyptischen Bank – besitzt zahlreiche Immobilien an den besten Adressen Wiens, zählt zu den Millionären Wiens. Lillys ältere Brüder Ernst, Alphons und Dr.phil. Horace Landau sind in Wien verheiratet, ebenfalls Großindustrielle, Bankiers; die älteste Schwester Alice lebt mit Amelie Stahl, einer Sopranistin der Wiener Hofoper zusammen; die neun Jahre ältere Schwester Ida, verheiratet mit dem Bankier Hugo Mankiewicz, lebt in Berlin. Marcel Frydmann von Prawy ist Idas berühmter Enkel.
Lilly heiratet 1896 den Großindustriellen Justus Lieser, den Inhaber der Firma Lieser & Duschnitz in St. Pölten, Verwaltungsrat der Hanf-Jute- und Textil AG in Wien. Es ist eine arrangierte Ehe, der drei Kinder entspringen. Max, der Erstgeborene, stirbt am 2.12.1897 mit nur zwei Monaten an einer Gehirnhautentzündung.
Helene wird am 16.12.1898 geboren, Annie am 12. Juni 1901.
Die Ehe wird 1905 geschieden. Lilly Lieser führt ab da ein freies, unabhängiges Leben, übersiedelt in ein Palais in der Argentinier Straße 20 im 4. Wiener Gemeindebezirk (damals Alleegasse) und macht sich als Mäzenin einen Namen.
Papa Albert Landau erbt von seinem Bruder Horace Landau1903 geschätzte 100 Millionen Francs; ein unermessliches Vermögen. Der in Florenz lebende Junggeselle, Bankier, Kunst- und Buchsammler Horace hinterlässt neben Barvermögen eine kostbare Bibliothek, Porzellanstücke, Gemälde, das Hotel Imperial in Wien und die Villa Landau-Finaly bei Florenz.
1909 stirbt Lillys Vater Albert und das riesige Erbe wird auf seine sechs Kinder aufgeteilt. Lilly ist finanziell sorglos. Zahlreiche Mehrparteienhäuser verschaffen ihr regelmäßige Mieteinnahmen.
Im Kreise Alma Mahler-Werfels lernt sie einige Komponisten kennen und unterstützt diese finanziell. Der bekannteste ist Arnold Schönberg, dem Lilly jahrelang aufrichtig verbunden ist. Der Briefwechsel zwischen Lilly und Schönberg spiegelt die Großzügigkeit Lillys und die Unverschämtheiten Schönbergs wider. Sie kauft ein teures Harmonium, damit er ungestört komponieren kann. Sie finanziert ein Konzert im Wiener Konzerthaus, das zu einem künstlerischen wie finanziellen Desaster wird, weil Schönberg gänzlich unvorbereitet zu den Proben erscheint. Sie lässt ihn kostenlos in ihrem Haus in der Gloriettegasse, im 13. Bezirk wohnen und unterstützt ihn und seine Familie von 1916-1917 mit monatlich 500 Kronen. 1919 kommt es zum Bruch zwischen Lilly und Arnold. Schönbergs Forderungen wurden zu dreist.
Lillys Spendenliste ist lang. So unterstützt sie u.a. den Wiener Frauenerwerbverein in den Jahren 1899-1917 mit monatlich 20 Kronen und zweimal mit Baufonds-Spesen in der Höhe von jeweils 300 Kronen (1906 und 1907). Sie sammelt Gemälde von Klimt, van Gogh, Rembrandt, Cezanne, Kokoschka, u.v.m., führt ein großes Haus, reist viel, vor allem zu Kuraufenthalten nach Scheveningen, Karlsbad und Franzensbad. Ihre Villa Lillenaun, die sie sich 1913/1914 in Breitenstein am Semmering, in unmittelbarer Nachbarschaft Alma Mahlers bauen lässt, ist Rückzugsort und Erholung für sie, die Töchter und prominente Gäste.
Die Freundschaft zwischen den Damen Alma und Lilly ist exzentrisch, leidenschaftlich, eifersüchtig, Almas Tagebuchnotizen ihre Freundin Lilly betreffend wenig schmeichelhaft. Die Freundschaft geht zu Bruch, sie bleiben direkte Nachbarinnen in Breitenstein.
Tochter Helene promoviert 1920 als erste Frau Doktor Österreichs in Staatswissenschaften. Um nach dem Anschluss nicht ihr gesamtes Vermögen zu verlieren, geht sie am 24.7.1938 die Ehe mit dem jugoslawischen Staatsbürger Karl Berger ein.
Annie lässt sich bei Grete Wiesenthal zur Ausdruckstänzerin ausbilden, heiratete am 24.1.1927 den Journalisten, Künstler, Architekten und Widerstandskämpfer Dr. Hans Sidonius Ritter von Becker.
Mit dem Anschluss 1938 beginnt Lillys systematische Enteignung. Ihre beiden Töchter Helene und Annie emigrieren nach Genf, bzw. in die USA. Lilly weigert sich zu fliehen, bleibt in Wien. Sie lebt bis zu ihrer Deportation (ab 1939 gemeinsam mit ihrer Schwester Ida Mankiewicz) in der Gartenwohnung ihres arisierten Palais in der Argentinier Straße.
Am 11. Januar 1942 wird sie mit dem vorletzten Transport von Wien in das Ghetto Riga deportiert. Im November 1943 gehen noch zwei Transporte nach Auschwitz. In einem ist auch Lilly. Sie wird sofort nach ihrer Ankunft ermordet.
Die ausführliche Lebensgeschichte Lilly Liesers wird die Verfasserin in einem Roman veröffentlichen.
Autorin der Biografie: Anna Amilar