Berger Helene, geb. Lieser; Staatswissenschafterin
Geb. Wien, 16.12.1898
Gest. Wien, 20.9.1962

Helene war die ältere Tochter von Lilly Lieser, geborene Landau und Justus Lieser.

Sie besuchte die Vorbereitungsklassen bei Dr. Eugenie Schwarzwald, wechselte dann ins Mädchenlyzeum Hietzing. Die letzten beiden Schuljahre verbrachte sie im Mädchengymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung im 6. Wiener Gemeindebezirk, in der Rahlgasse 4.

Ihre schulische Laufbahn beendete Helene mit Auszeichnung und begann unmittelbar nach dem Abitur ihr Studium. Fünf Semester Philosophie, einige rechtswissenschaftliche Vorlesungen, ab 1919 dann Staatswissenschaften. 1920 erlangte sie als erste Frau Österreichs ein staatswissenschaftliches Doktorat.

Mit Ludwig von Mises, der ihre Dissertation betreute, verband sie eine langjährige Zusammenarbeit. Bis zur ihrem Ausschluss 1938 war sie Mitglied bei der Nationalökonomischen Gesellschaft und im Verband österreichischer Banken und Bankiers.

1921 trat sie aus dem Judentum aus, ging am 24.7.1938 die Ehe mit dem evangelischen Karl Berger ein. Diese Heirat verhinderte vermutlich den völligen Verlust ihres Vermögens.

Nach dem Tod ihres Vaters Justus 1927 erwarb sie ein Mehrparteienhaus in Wien Döbling, die „Villa Gottessegen“, in der auch ihre Schwester Annie Becker mit ihrem Ehemann Hans Sidonius, Ritter von Becker einzog.

Helene floh mit Annie und deren Sohn Johann 1938 aus Österreich. Helene blieb in Genf, engagierte sich dort für Verfolgte des Naziregimes. Sie war im Umfeld der Spionagegruppe Rote Kapelle zu finden, die für den sowjetischen und später den britischen Geheimdienst arbeitete.

Dr. Berger kam nach dem Zweiten Weltkrieg zurück nach Wien, ging beruflich aber 1948 nach Paris, um bei einer von der UNESCO gegründeten Organisation eine hohe Funktion zu übernehmen. 1950 ließ sie sich scheiden. Gemeinsam mit ihrer Schwester Annie Lieser-Becker bemühte sie sich bis 1957, das geraubte Eigentum ihrer ermordeten Mutter Lilly Lieser zurück zu bekommen. Es wurden meist nur Vergleiche erzielt. Die entwürdigenden Repressalien, mit denen die beiden Töchter zu kämpfen hatten, sind den zahlreichen Akten zu entnehmen.

Helene erkrankte an Krebs, und starb kurz nach Pensionsantritt am 20. September 1962 im Wiener Sophienspital. Ihre Urne wurde am 27. September im Urnenhain des Wiener Zentralfriedhofes ML-166/7, bestattet.

Werke u.a.: „Währungspolitische Literatur der österreichischen Bankozettelperiode. Diss.“ (1920), „Adam H. Müller, Versuche einer neuen Theorie des Geldes. Mit erklärenden Anmerkungen versehen von Dr. Helene Lieser (= Die Herdflamme. Sammlung der gesellschafts-wissenschaftlichen Grundwerke aller Zeiten und Völker. Herausgegeben von Prof. Dr. Othmar Spann, 2. Band)“ (1922)

Autorin der Biografie: Alexandra Löw