Kunke Steffi, geb. Jelinek, Stefanie; Parteifunktionärin, Hilfslehrerin und Widerstandskämpferin
Geb. Wien, 26.12.1908 (28.12. lt. Grabstein)
Gest. Auschwitz, Deutsches Reich − Generalgouvernement (Oświęcim, Polen), 14.2.1943 (26.12.1942 lt. Helene Potetz)
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Marie, geb. Ourednik, Schneiderin; Vater: Ignaz Jelinek, Angestellter der städtischen Brauerei, schreibt Gedichte, steht in Kontakt mit Peter Rosegger, manche seiner Gedichte werden in Roseggers Zeitung „Der Heimgarten“ veröffentlicht; Tante: Flora Kunke, Schwester des Vaters (*1879), Lehrerin, zieht St. auf; Großmutter (*1850). St. K. wächst in Mauer bei Wien (NÖ), heute Teil des 23. Wiener Gemeindebezirks, auf.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heirat mit Hans Kunke (1906-1940), Versicherungsangestellter und Widerstandskämpfer jüdischer Abstammung aus Mauer bei Wien, wird im KZ Buchenwald erschossen.
Ausbildungen: Volks- und Bürgerschule; Lehrerinnenseminar (Wien 1, Hegelgasse); 2 Jahre am Pädagogischen Institut der Stadt Wien; Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien, Studium nicht beendet.
Laufbahn: St. K. unterrichtet als Hilfslehrerin an der Volks- und Hauptschule für Mädchen in der Feldgasse im 13. Wiener Gemeindebezirk. Sie wird Führerin der Sozialistischen Arbeiterjugend und ist nach Februar 1934 Mitglied des Zentralkomitees der Revolutionären Sozialistischen Jugend. Sie lebt mit ihrem Mann in einer Wohnung in der Wiener Zieglergasse, die zum Treffpunkt der Leitung der illegalen Jugendbewegung wird. Zu dieser Zeit ist St. K. arbeitslos. Das Paar lebt im Wissen, der Gestapo bekannt zu sein und jederzeit abgeholt werden zu können. Im Jahr 1936 werden die Kunkes wegen Verbreitung illegaler sozialistischer Literatur verhaftet. Beide werden zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt (7 Monate für St. K., 18 Monate für Hans Kunke) und später aufgrund des Amnestisierungsgesetzes freigesprochen. Im Sommer 1937 geben beide ihre Funktionen in der RSJ auf, um sich stärker in Niederösterreich engagieren zu können. Am 20.5.1938 werden sie erneut wegen Betätigung für die RS von der Gestapo verhaftet und ins KZ Lichtenburg eingewiesen. St. K. ist eine der ersten bekannten SozialistInnen, die ins KZ deportiert werden. Im Mai 1939 wird sie ins KZ Ravensbrück überführt, wo sie auf Käthe Leichter und Rosa Jochmann trifft. St. K. wird Blockälteste; sie deckt die anderen Häftlinge, meldet das Vergehen einer ihrer Stubenältesten nicht und wird deshalb zu 2 Jahren im Strafblock verurteilt. Der Strafblock muss gemeinsam mit den jüdischen Intellektuellen am Ausbau des Lagers arbeiten, weshalb St. K. während Schwerstarbeit unter extremen Bedingungen hin und wieder ein paar Worte mit Käthe Leichter wechseln kann. Zu Pfingsten 1940 verordnet Himmler persönlich die Strafe von 25 Stockhieben, die sie ohne einen Laut und ohne Mithäftlinge zu denunzieren über sich ergehen lässt. Im Frühjahr 1941 wechselt St. K. in den politischen Block und wird Blockschreiberin unter Rosa Jochmann. Diese Zeit wird von dem befreundeten Mithäftling Helene Potetz als St. K.s glücklichste Zeit im Lager beschrieben, in der sie mehrere Gedichte, Märchen und ein Kinderbuch verfasst. Die Texte werden von den anderen Gefangenen sehr geschätzt, müssen jedoch 1943, als Jochmann in den Strafblock verbannt wird, wegen ihres politischen Inhalts vernichtet werden. St. K. leidet an Herzproblemen, zudem haben die Jahre im Strafblock ihre Spuren hinterlassen. Im Frühjahr 1942 wird die körperlich schwache St. K. zur Arbeit an der Erweiterung des Lagers Auschwitz gezwungen. Sie ist davon überzeugt, nicht mehr zurückzukehren. St. K., die in ihren frühen Briefen an ihre Tante noch Optimismus ausgedrückt hat, verliert nun den Lebenswillen. Kurz nach der Ankunft erkrankt St. K. an Typhus, wovon sie sich nicht mehr erholt. In ihren letzten Tagen phantasiert sie von ihrem Zuhause. Sie wird im KZ Auschwitz von Obersturmbannführer Otto Max Koegel zu Tode geprügelt.
Ausz.: Im Jahr 1954 wird im 23. Bezirk eine Gasse nach dem Ehepaar benannt (Kunkegasse). Grabdenkmal am Hietzinger Friedhof.
Qu.: DÖW, u. na. Akt 3188 und 03671; Briefe St. K.s aus dem KZ an ihre Tante Flora Kunke sind teilweise erhalten, sie sind Teil der Sammlung Michel Brisebois in der Bibliothek der McMaster University in Hamilton/Ontario, USA. Die Sammlung wird sukzessive online zugänglich gemacht, ein Brief findet sich unter http://digitalcollections.mcmaster.ca.
W.: Gedichte (fallweise veröffentlicht), u. a. „Einer neuen Zukunft entgegen“, ident mit Liedtext „1938“ (datiert auf den 8.4.1938); ein Kinderbuch (nicht erhalten); Märchen (nicht erhalten).
L.: Binder 2010, BLÖF, Brauneis 1963, Buttinger 1972, Dokumentationsarchiv 1984, Fein 1975, Gothe 2002, Kerschbaumer 1980, Neugebauer 1966, Pasteur 1986, Potetz 2000, Spiegel 1967, Sporrer/Steiner 1983, Tidl 1982, www.dasrotewien.at