Kuhnert-Brandstätter Maria, geb. Brandstätter; Pharmakologin

Geb. Lamprechtshausen bei Salzburg, Sbg., 23.12.1919

Gest. Patsch bei Innsbruck, Tirol, 20.4.2011

Herkunft, Verwandtschaften: Ein Sohn: Kristian.

Ausbildungen: Studium der Pharmazie in München, Wien und Innsbruck; 1942 Promotion an der Universität Innsbruck.

Laufbahn: Ihre Dissertation zum Thema „Mikroskopische Untersuchungen an organischen Substanzen und Substanzgemischen“ verfasst M. K.-B. beim damaligen Vorstand des Innsbrucker Instituts für Pharmakognosie und dem Schöpfer der Thermomikromethode, Ludwig Kofler. Nach ihrer Promotion wird sie Koflers Assistentin und arbeitet zusammen mit ihm und seiner Ehefrau Adelheid an der Weiterentwicklung der Thermomikromethode. Im Laufe ihres Wirkens wird sich M. K.-B. dabei auf die Thermoanalyse spezialisieren. Im Jahr 1945 wird M. K.-B. die venia legendi und 1952 der Titel „außerordentlicher Universitätsprofessor“ verliehen. Als Ludwig Kofler 1945 aus politischen Gründen seinen Sitz aufgeben muss, wird M. K.-B. für die Dauer von zwei Jahren mit der Supplierung der Lehrkanzel betraut. Im Jahr 1966 wird sie schließlich zur ordentlichen Universitätsprofessorin und zum Vorstand des Instituts für Pharmakognosie in Innsbruck ernannt. Damit hat M. K.-B. den Durchbruch in eine Männerdomäne erreicht; im Jahr 1970 ist sie die einzige Professorin der Naturwissenschaftlichen Fakultät unter 50 Kollegen und 1985-87 wird sie der Fakultät schließlich als Dekanin vorstehen. Die Hauptarbeitsgebiete M. K.-B.s liegen in der Weiterführung der Methoden Ludwig Koflers; in ihren frühesten Arbeiten aus den vierziger Jahren befasst sie sich mit der thermomikroanalytischen Charakterisierung von organischen Stoffen, insbesondere mit Isomorphie, Polymorphie sowie Mischkristallbildung. Eine Vielzahl dieser Arbeiten entstehen in Kooperation mit Kofler. Weiters befasst sich M. K.-B. mit Kristallographie, mit dem Spiral- und Schichtenwachstum von Kristallen aus der Dampfphase sowie mit der Analyse der Phasenbeziehung unzähliger, zum Teil äußerst komplexer binärer Arzneistoffsysteme. Ein Teil von M. K.-B.s Beiträgen erscheint in dem Journal „Scientia Pharmaceutica“, bei dem sie auch über mehrere Jahre hinweg als Fachbeirätin tätig ist und das ihr später sogar ein spezielles Heft widmet (1989, Heft 4). In ihrer Funktion als Institutsvorständin kümmert sich M. K.-B. u. a. um die Planung, den Bau und die Übersiedelung des Instituts für Pharmakognosie und Technologie in das Josef-Möller-Haus und setzt die Anschaffung und Anwendung neuer Methoden durch, wie der UV-, der IR-Spektroskopie und der Differentialthermoanalyse zur Untersuchung pharmazeutisch relevanter Substanzklassen. M. K.-B. setzt sich u. a. verstärkt für die Aufnahme der Identifizierungsmethoden Koflers in das Österreichische Arnzeibuch ein. Ihre Vorträge und Publikationen haben dazu beigetragen, dass die internationale Fachwelt dem Phänomen der Polymorphie sowie den Methoden Ludwig Koflers gebührende Aufmerksamkeit zukommen lässt. Begeistert betreibt M. K.-B. Forschung und Lehre an der Universität Innsbruck, u. a. wirkt sie an folgenden wissenschaftlichen Filmen mit: „Schmelzen und Erstarren: Kontaktmethode zur thermischen Analyse; Polymorphie, Isomorphie und Isodimorphie“ (1949-1951), „Spiralwachstum der Kristalle“ (1954), „Kofler-Methode in der Chemomikroskopie“ (1961) und „Kristalle im Heizmikroskop“ (1968). M. K.-B. emeritiert im Jahr 1989 und erreicht das hohe Alter von 92 Jahren.

Ausz., Mitglsch.: 1970 Ehrenmitglied der American Microchemical Society, 1972 Verleihung des Fritz-Pregl-Preises durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, 1975-81 Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Mikrochemie und Analytische Chemie, nach Engagement für die Wiederbegründung der Österreichischen Pharmazeutischen Gesellschaft (ÖphG) 1979 dessen erste Präsidentin bis 1983 sowie dessen erstes Ehrenmitglied 1989 und Ehrenpräsidentin 1999, 1984 Ehrenmitglied der Ungarischen Pharmazeutischen Gesellschaft, 1986 Verleihung der Carl-Mannich-Medaille durch die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, 1987 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

W.: M. K.-B. hat im Laufe ihres Lebens zahlreiche Artikel in internationalen Zeitschriften sowie Buchbeiträge im Bereich der Mikroskopie und Thermoanalyse in der Pharmazie publiziert; es folgt eine Auswahl aus den ca. 230 Texten nach Judith M. Rollinger:

„Mikroskopische Untersuchungen an organischen Substanzen und Substanzgemischen. Diss. Innsbruck“ (1942), „Isomorphie und Polymorphie bei Barbitursäurederivaten. In: Ztschr. Phys. Chem. (A) 191“ (1942), „Isopolymorphie bei 1,2,4-Chlor- und 1,2,4-Bromdinitrobenzol. In: Mh. Chem. 76“ (1947), „Zur Methodik der orientierten Aufwachsungsversuche. In: Mikrochem. 33“ (1948), „Spiralen- und Schichtenwachstum an Kristallen aus der Dampfphase. In: Ztschr. Elektrochem. u. Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 56“ (1952), „Mikroskopische Studien zum Spiralwachstum der Kristalle. In: Mikroskopie 10“ (1955), „Gem. m. Aepkers, M.: Polymorphieuntersuchungen an Barbituraten durch mikroskopische Thermoanalyse von Zweistoffsystemen. In: Mikroskopie 16“ (1961), „Gem. m. Hoffmann, R./Senn, M.: Thermo-Microscopic and Spectrophotometric Determination of Antihistamines and Related Compounds. In: Microchem. J. 7“ (1963), „Thermomikromethoden zur Identifizierung organischer Substanzen. In: Gadamers Lehrbuch der chem. Toxikologie und Anleitung zur Ausmittelung der Gifte. Hg. Graf, E., Preuß, R. (1966), „Gem. m. Grimm, H.: Kristallisationsvorgänge in Suspensionen von Steroidhormonen. In: Sci. Pharm. 35“ (1967), „Gem. m. Wunsch, S.: Polymorphie und Mischkristallbildung bei Sulfonamiden und verwandten Verbindungen. I. Mitt.. In: Mikrochim. Acta, 1297“ (1969), „Thermomicroscopy in the Analysis of Pharmaceuticals. In: International Series of Monographs in Analytical Chemistry, Vol. 45. Eds. Belcher, R., Freiser, M.“ (1971), „Gem. m. Gasser, P.: Solvates and Polymorphic Modifications of Steroid Hormones. I. In : Microchem. J. 16“ (1971), „II. In: Microchem. J. 16“ (1971), „III. In : Microchem. J. 16“ (1971), „Polymorphie von Arzneistoffen und ihre Bedeutung in der pharmazeutischen Technologie. In: APV-Informationsdienst 19“ (1973), „Gem. m. Burger, A.: Beitrag zur thermischen Analyse optischer Antipoden: N-Benzoyl-3-methoxy-4-hydroxy-phenylalanin und Metolazon. In: Mikrochim. Acta I“ (1975), „Thermomikroskopie. In: Handb. d. Mikroskopie in d. Technik, Bd. VII. Hg. Freund, H.“ (1975), „Gem. m. Linder, R.: Beitrag zur thermischen Analyse und zur Polymorphie optischer Antipoden: L-Hyoscyamin-Atropin. In: Mikrochim. Acta I“ (1976), „Polymorphe und pseudopolymorphe Kristallformen von Steroidhormonen. In: Pharm. Ind. 39“ (1977), „Gem. m. Dietmaier, O.: Thermomikroskopische Direktbestimmung der Kristallisations- und der Umwandlungsgeschwindigkeit. In: Mikrochim. Acta I“ (1979), „Thermomicroscopy of Organic Compounds. In: Wilson & Wilson’s Comprehensive Analytical Chemistry, Vol. XVI, Ed. Svehla, G.“ (1982)

L.: Burger 1989, Kartnig 1989, Rollinger 2002