Kraupa Ferdinanda, geb. Matschek; Beamtin, Zeugin Jehovas und Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Wien, 18.3.1896

Gest. 22.8.1963

Über Kindheit und Familie von F. K. gibt es nur mündliche Überlieferungen von Personen, die sie kannten. Ihr Vater soll Kurier beim Kaiser gewesen sein, weshalb sie im Reichskanzleitrakt der Wiener Hofburg aufwächst. F. K. besucht in Wien die Volks-, Bürger- und Handelsschule. Danach ist sie von 1914-1918 als Beamtin im Wiener Postsparkassenamt angestellt. Anschließend ist sie im Haushalt ihrer Eltern tätig. 1922 wird sie eine Zeugin Jehovas. 1933 heiratet sie den am 6. Mai 1901 geborenen Zeugen Jehovas Franz Kraupa und wohnt mit ihm in Berndorf. Ihr Mann ist bis Juli 1938 Prokurist bei den Kruppwerken in Berndorf, danach bis Juni 1940 Buchhalter in Mödling. F. K. ist Hausfrau. Die Ehe bleibt kinderlos. F. K. ist eine zierliche Frau von 1,60 Meter Größe und oft kränklich. Beide bleiben auch während des Verbots der Zeugen Jehovas ab dem Jahr 1935 aktiv und lesen und verbreiten unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen verbotene Literatur der Zeugen Jehovas. Ihr Mann Franz wird wegen dieser Tätigkeit bis März 1938 bereits drei Mal verhaftet, aber nie angeklagt. Am 21. Juni 1940 wird das Ehepaar Kraupa von der Gestapo verhaftet und ins Wiener Polizeigefängnis eingeliefert. Es wird ihnen bei Unterschriftsleistung der sogenannten „Erklärung“ die Freiheit angeboten, was aber beide ablehnen. F. K. wird am 29. Jänner 1941 von einem Sondergericht wegen Wehrkraftzersetzung aufgrund ihrer Betätigung als Zeugin Jehovas, zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt, wobei bereits nach der Urteilsverkündung durch die Gestapo Schutzhaft beantragt wird. Am 4. März 1941 wird sie ins Zuchthaus Aichach überstellt. Sie erhält Einzelhaft und hat nur im Falle von Fliegeralarm Kontakt mit Mithäftlingen, die dann in ihre Zelle gebracht werden. Bei völliger Dunkelheit nützt sie die Gelegenheit, um ihnen von ihrer religiösen Überzeugung und Hoffnung zu erzählen. Eine besondere Hilfe ihre geistige Einstellung zu bewahren ist ein „Neues Testament“, das sie von der Bibliothekarin nach zweimonatigem Bitten erhält und bis zu ihrer Entlassung geborgt bekommt. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich aufgrund ihres bereits bestehenden schweren Magen- und Darmleidens und durch die schlechte Gefängniskost zusehends. Sie wiegt bei 1,60 Meter Körpergröße nur noch 32 kg. Sie bekommt schließlich Magermilch, die ihr das Überleben ermöglicht. Nach Beendigung ihrer Zuchthausstrafe am 21. Juni 1942 wird sie vom Anstaltsdirektor wiederum nach ihrer Gesinnung befragt. F. K. wird erneut der Gestapo übergeben und nach Wien zurückgebracht. Am 31. Jänner 1943 wird sie ins KZ Ravensbrück transportiert. Dort wird sie zur Nummer 16428. Als sich ihr gesundheitlicher Zustand wieder bedrohlich verschlechtert, tritt abermals eine Änderung ein. F. K. wird dem Sonderkommando im SS-Lebensbornheim Steinhöring bei Wiesbaden zugeteilt, das sich aus mehreren Zeuginnen Jehovas zusammensetzt. Sie muss harte Arbeit im Garten und am Feld durchführen, bricht aufgrund ihrer mangelnden Kräfte zusammen und erkrankt an Gelbsucht. Da sie die Arbeitsanforderungen nicht mehr erfüllen kann, soll sie wieder zurück ins KZ Ravensbrück rücküberstellt werden. Kurz vor Weihnachten soll eine Oberaufseherin von Ravensbrück sie zurück ins Konzentrationslager bringen. F. K. dokumentiert 1956 in ihren Erinnerungen, dass es schließlich doch anders gekommen ist: „Ich wurde ihr vorgeführt und es entspann sich folgender Wortwechsel: ‚Ich soll sie ins Lager zurück bringen. Haben sie eine Fahrkarte?‘ ‚Nein, antwortete ich. ‚Wo soll ich als Häftling ohne Geld eine Fahrkarte hernehmen?‘ Dann fragte sie:‚Haben sie Dokumente?‘ Und wieder musste ich verneinen. ‚Nun dann kann ich sie nicht mitnehmen‘, antwortete die Aufseherin. ‚Lassen Sie es sich gut gehen, ich will Weihnachten bei meinen Verwandten in Frankfurt verbringen.‘ – Und weg war sie. Groß war unsere Freude, dass ich nicht abgeführt wurde, denn dies hätte meinen Tod bedeutet.“ Das SS-Lebensbornheim wird schließlich bombardiert. Aber keine von den Zeuginnen Jehovas kommt dabei ums Leben. F. K. wird am 2. Mai 1945 in Steinhöring befreit und kehrt nach Berndorf zurück. Ihr Mann überlebt ebenfalls insgesamt 5 Jahre Zuchthaus und Konzentrationslager, nämlich Rodgau-Dieburg, Dachau, Buchenwald und Mittelbau-Dora. Nach dem Krieg lebt das Ehepaar wieder in Berndorf, Harlesstraße 32. Trotz körperlicher Schwäche und Krankheit, sie wiegt nur 37 kg, ist sie nach wie vor in ihrer geistigen Einstellung ungebrochen und überzeugte Zeugin Jehovas. Am 9. Mai 1949 wird F. K. als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und bekommt die Amtsbescheinigung ausgestellt. 1962 erfolgt ihre Rehabilitierung. Sie stirbt am 22. August 1963 an Eierstockkrebs. Ihr Mann bleibt bis zu seinem Tod im Jahr 1991 alleinstehend.

Qu.: DÖW 20100/6256, DÖW 1545, 5733d, Archiv Ravensbrück, Erkennungsdienstliche Kartei der Gestapo Wien, Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Erinnerungsbericht von F. K. aus dem Jahr 1956; Opferfürsorgedokumente.

L.: Dokumentationsarchiv 1987a

 

Heidi Gsell