Königsegg Anna Bertha; Ordensfrau und Widerstandskämpferin

Geb. Königseggwald, Württemberg, 9.5.1883

Gest. Salzburg, 12.12.1948

A. B. v. K., die einer schwäbischen Adelsfamilie entstammt, entschied sich schon in frühester Jugend für den Eintritt ins Kloster. Als Achtzehnjährige trat sie in die Kongregation der Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul ein. ihre Probezeit verbrachte sie m St. Josef-Spital in Paris. Anschließend wurde sie an das Allgemeine Spital in Angers versetzt, wo sie ihr Krankenpflegerinnendiplom erwarb. 1906 legte sie ihre Gelübde ab. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste sie als Deutsche Frankreich verlassen und ging nach Italien, wo sie im Krankenpflegedienst in Turin und Siena wirkte. Im Herbst 1925 wurde A. B. v. K. entgegen ihrem Wunsch, als Missionarin nach China zu gehen, zur Visitatorin der Provinz Salzburg bestellt. Mit ihrem Wirken ist ein Aufschwung der dortigen Kongregation verbunden. Unter ihrer Ägide wurden die Einrichtungen auf dem Gebiet der Krankenpflege und der Armenfürsorge erweitert. Die von ihr initiierten Ausbildungskurse am Landeskrankenhaus in Salzburg wurden zu einer Krankenpflegeschule ausgebaut, an welcher das staatliche Diplom erworben werden konnte.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich stieß auf die entschiedene Gegnerschaft A. B. v. K.s. Die bald darauf einsetzenden Maßnahmen gegen kirchliche Einrichtungen im Erziehungs- und Gesundheitswesen brachten sie bald in offenen Konflikt mit den Behörden. Durch Schreiben an die verantwortlichen Stellen protestierte sie gegen die Übernahme ordenseigener Kindergärten und Schulen sowie die Verdrängung der geistlichen Schwestern aus dem Spitalsdienst. In zahlreichen Rundschreiben gab sie den Ordensschwestern detaillierte Verhaltensmaßregeln im Umgang mit den nationalsozialistischen Behörden an die Hand, die nicht nur von großem Verantwortungsgefühl ihren Untergebenen gegenüber, sondern auch von taktischem Geschick zeugen. Sie sollten den Schwestern ein konsequentes, ihrem Glauben entsprechendes öffentliches Auftreten ermöglichen, zugleich aber deren persönliches Risiko möglichst gering halten. Als nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Österreich (1.1.1940) am Landeskrankenhaus Salzburg verstärkt Zwangssterilisierungen durchgeführt wurden, wies A. B. v. K. die dort beschäftigten Barmherzigen Schwestern an, nicht an diesen Operationen mitzuwirken. Im August 1940 erhielt die Leitung der von den Barmherzigen Schwestern betriebenen Pflegeanstalt Schernberg ein Schreiben, in dem die Verlegung einer Anzahl von behinderten Pfleglingen angekündigt wurde. A. B. v. K., die den Sinn dieser Maßnahme klar erkannt hatte, wandte sich mit einem Brief an Gauleiter Friedrich Rainer, in dem sie bat, davon Abstand zu nehmen. Sie sprach unmissverständlich an, dass es ein offenes Geheimnis sei, welches Los diese Patienten erwartete. Im Fall eines Abtransports, so stellte sie unmissverständlich klar, könne nicht mit der Mithilfe der Schwestern gerechnet werden. A. B. v. K. vertrat damit dieselbe Position wie die Fuldaer Bischofskonferenz vom August 1940, die die Euthanasie verurteilt und ein Verbot der aktiven Mitwirkung katholischer Pflegeanstalten ausgesprochen hatte. Die couragierte Visitatorin wurde daraufhin am 17. September 1940 verhaftet und verbrachte elf Tage in Gestapohaft. Wenige Monate später wandte sich A. B. K. erneut an Gauleiter Rainer, um die geplante Verlegung behinderter Kinder aus der Anstalt Mariathal bei Kramsach zu verhindern. Nachdem bekannt wurde, dass im April 1941 der Abtransport der Schernberger Patienten bevorstand, kündigte sie in einem weiteren Schreiben an, dass sie den Schwestern verbieten müsse, an einer derartigen Aktion mitzuwirken. Am 16. April 1941 wurde A. B. v. K. abermals inhaftiert. Wenige Tage später fand der Abtransport der Patienten aus Schernberg in die Vernichtungsanstalt Hartheim statt, wobei die Schwestern nach den Anweisungen A. B. v. K.s passiven Widerstand leisteten und etliche Pfleglinge vor der Verlegung retten konnten. Auch aus der Anstalt Mariathal wurde im Mai 1941 der Großteil der Pfleglinge deportiert. A. B. v. K. verblieb fast vier Monate in Haft. Die ihr angelasteten Vergehen − Sabotage amtlicher Befehle und Unruhestiftung unter der Bevölkerung, Aufwiegelung der Schwestern gegen die Volksgemeinschaft, unerwünschte Religionsausübung der Barmherzigen Schwestern in Spitälern und anderen Anstalten − dienten als Vorwand für die Beschlagnahme des Vermögens der Salzburger Kongregation. Zu einem Gerichtsverfahren kam es jedoch nicht. Die Zurücklegung ihres Amts und den Austritt aus der Kongregation als Bedingung für ihre Freilassung wies sie trotz der Drohung, in ein Konzentrationslager überstellt zu werden, zurück. Die Gestapo begnügte sich schließlich mit einem Landesverweis und der Auflage, sich lebenslänglich auf dem Gut ihrer Familie in Königseggwald aufzuhalten und sich jeder geistlichen Tätigkeit zu enthalten. Am 13. August 1941 wurde A. B. v. K. aus Salzburg abgeschoben. In Königseggwald widmete sie sich der Kranken- und Altenfürsorge und bis zu dessen Enteignung dem von ihr gestifteten Kindergarten.

Nach Kriegsende kehrte sie nach Salzburg zurück und nahm den Wiederaufbau der Kongregation in Angriff. 1948 starb sie an den Folgen einer Krebserkrankung. A. B. v. K.s mutiges Auftreten ist ein einzigartiges Beispiel von Widerstand gegen die NS-Euthanasie in Österreich und reiht sich ein in die Proteste namhafter Vertreter der katholischen Kirche wie Bischof Galen gegen die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. 1988 wurde nach einem Gemeinderatsbeschluss eine Straße in Salzburg nach ihr benannt. An der Salzburger Landesnervenklinik erinnert eine Gedenktafel an den Widerstand A. B. K.s. Seit 1999 ist sie Namensgeberin einer sonderpädagogischen Schule in Salzburg.

L.: (Auswahl) Dokumentationsarchiv 1991, Grünzweil 1993, Reschreiter 1991, Rinnerthaler 2000, Rinnerthaler 2000a, Wimmer 1992

 

Christine Kanzler