Jancic Maria, geb. Stane, Stanne; Zeugin Jehovas und Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Bistri/Schwarzenbach, Untersteiermark (Slowenien), 21.8.1892
Gest. Fohnsdorf, Stmk., 13.3.1973

Laufbahn: M. J., geb. Stane wird am 21. August 1892 in Bistri/Schwarzenbach, Untersteiermark (Jugoslawien) geboren und evangelisch getauft. Über ihre Kindheit und Berufsausbildung ist nichts bekannt. M. J. tritt am 21. Februar 1936 aus der evangelischen Kirche aus und lässt sich 1937 bei dem Kongress der Zeugen Jehovas in Prag taufen, wo sie bereits auf die Verfolgung der Zeugen Jehovas, die in Deutschland 1933 begann, vorbereitet wird. In der Wohnung der Familie Jancic – ihr Mann wird auch ein getaufter Zeuge Jehovas – finden trotz Verbot der Internationalen Bibelforschervereinigung (IBV), wie Zeugen Jehovas damals offiziell bezeichnet wurden, zumindest bis zum 15. Oktober 1939 vorwiegend an Sonntagen illegale religiöse Zusammenkünfte von Gleichgesinnten aus Fohnsdorf und Umgebung statt. Am 17. Oktober 1939 wird M. J. nach einer Hausdurchsuchung in Fohnsdorf zusammen mit ihrem Mann, ihrem 22-jährigen Sohn Johann, dessen Frau Theresia und noch weiteren Glaubensbrüdern von der Gestapo verhaftet, verhört und dann ins Polizeigefangenenhaus nach Graz gebracht. Die zwei noch minderjährigen Kinder Karl (11 Jahre) und Olga (9 Jahre) bleiben allein zurück. Sohn und Schwiegertochter werden nach drei Tagen wieder freigelassen. Das Landesgericht Graz verurteilt M. J. und ihren Mann am 8. Jänner 1940 zu „2 1/2 Monaten Arrest, verschärft durch 2 Fasttage“ mit der Begründung, dass sie bis 15. Oktober 1939 in Fohnsdorf zur Verbreitung einer Religionsgesellschaft beigetragen habe, deren Anerkennung von der Staatsverwaltung für unzulässig erklärt wurde, Versammlungen veranstaltete und sich weigerte, der NSDAP oder der NSV beizutreten. Nach der Gerichtsverhandlung wird sie aus der Haft entlassen, da die Untersuchungshaft angerechnet wird. Am 23. Jänner 1940 näht M. J. für ihre Tochter Olga gerade ein Nachthemd, als sie durch die Gestapo erneut verhaftet wird. Sie wird auch diesmal ins Polizeigefangenenhaus Graz gebracht. Am 22. März 1940 wird M. J. als Schutzhaftgefangene in das KZ Ravensbrück überstellt, wo sie zur Nummer 2964 wird. Jedes Jahr kommt eine Kommission ins KZ und versucht die Zeuginnen Jehovas zur Unterschrift der sogenannten „Erklärung“ zu bewegen, womit sie aber ihrem Glauben abschwören müsste. Die SS verspricht dafür die Freilassung aus dem KZ. So wie die meisten anderen unterschreibt auch M. J. nicht. Als Strafmaßnahme wird im Winter 1940/41 M. J. zusammen mit Glaubensschwestern bei eisiger Kälte auf dem Appellplatz mit Wasser übergossen und stehen gelassen. M. J. wird am 24. März 1942 von Ravensbrück mit einem der ersten Auschwitz-Transporte ins KZ-Ausschwitz/Birkenau überstellt. Die österreichischen Zeuginnen Jehovas Agnes Streyczek und Barbara Nahodil sind ebenfalls in diesem Transport. Dort kommt sie, wie auch Agnes Streyczek berichtet, mit einer Reihe anderer Glaubensschwestern in die Gaskammer. Alle stehen nackt da, nur mit einem Handtuch geschützt. Es fehlt nur noch der Befehl des Lagerleiters, um den Gashahn aufzudrehen. Doch nichts geschieht und alle kommen wieder in die Baracken zurück. Die Zeuginnen Jehovas erwerben sich bei der SS aufgrund ihrer unbeirrbaren Haltung und ihrer Zuverlässigkeit einen gewissen Respekt, zeigen aber auch keine Rachegefühle gegenüber ihren Peinigern. Aufgrund eines Erlasses Himmlers vom 6. Jänner 1943, werden sie deswegen auch immer öfter zu Arbeiten im Haushalt von SS-Führern herangezogen. M. J. wird morgens um 6 Uhr zu einer SS-Familie gebracht und am Abend geht es wieder zurück ins Lager. Mitte Jänner 1945 beginnt für M. J. in einer etwa 40 Zeuginnen Jehovas umfassenden Gruppe der Evakuierungstransport über die Konzentrationslager Groß Rosen, Mauthausen und Bergen-Belsen, wo sie am 7. Mai 1945 befreit wird. Während M. J. im KZ ist, lässt sich ihr Mann Johann von ihr scheiden und heiratet erneut. Davon erfährt M. J. erst nach ihrer Rückkehr.

M. J. lebt nach der Rückkehr vom KZ in Fohnsdorf, Lorenzi 9. Aufgrund ihrer Scheidung ist sie völlig mittellos und kämpft ab Februar 1947 um eine Opferrente. Am 25. Juli 1958 wird ihr nach längerem Bemühen die Amtsbescheinigung ausgestellt. Sie heiratet nicht mehr und bleibt bis zu ihrem Tod am 13. März 1973 im 81. Lebensjahr eine praktizierende Zeugin Jehovas. Ihr Urteil vom 8. Jänner 1940 wird am 28. Februar 2008 auf Antrag der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas vom Landesgericht Graz aufgehoben.

Qu.: DÖW 12260, Jehovas Zeugen Österreich/Geschichtsarchiv: Erinnerungen an Maria Jancic; Heiratsurkunde; Schreiben an die BH Judenburg vom 2.2.1947 bezüglich Ansuchen um Opferrente; Bescheid des BUM vom 8.6.1955 bezüglich Haftentschädigung; Rehabilitierungsbeschluss des LG Graz vom 26.2.2008.

L.: Amesberger 2007, Hesse/Harder 2001, Karner/Gsell/Lesiak 2008, Wrobel 2005, www.ravensbrück.de

Heidi Gsell