Hutter Anna; Hilfsarbeiterin und Gegnerin des NS-Regimes

Geb. Götzens, Tirol, 29.9.1883
Gest. ?

A. H. wurde am 29. September 1883 als Tochter der Kreszens Hutter (geb. Meier) und des Kleinbauern Alois Hutter in Götzens bei Innsbruck geboren. Sie besuchte in Götzens und in Innsbruck die Volksschule. Bis 1911 war A. H. in der Landwirtschaft beschäftigt, danach arbeitete sie in Gärtnereien in Innsbruck und Hall. Von Oktober 1914 bis November 1918 wurde A. H. als Hilfspflegerin im Heeresdienst angestellt. Sie wurde am dritten November 1918 von den italienischen Truppen gefangen genommen. Aus ihrer Gefangenschaft wurde sie am 15. Dezember 1918 entlassen. Danach war sie als Gärtnerin und Gelegenheitsarbeiterin beschäftigt. 1935 bis 1938 war A. H., ohne jegliche Unterstützungsleistungen seitens der Gemeinde oder des Staates, arbeitslos. Ab 1938 wurdr ihr Arbeitsunfähigkeit attestiert und sie erhielt von der Stadt Hall eine Armenrente von 22 RM monatlich. In den Jahren 1902 und 1911 war sie bereits wegen Landstreicherei, 1917 wegen Diebstahls bestraft worden. Nach 1918 gehörte A. H. eine Zeit lang der sozialdemokratischen Partei an. Nach 1938 war sie Mitglied der NS-Frauenschaft und des Reichsluftschutzbundes.

Obwohl ihr das Verbot, ausländische Radiosender zu empfangen, bekannt war, hörte A. H. die deutschsprachigen Sendungen der Radiosender Straßburg, Beromünster, London und Mailand und erzählte den Inhalt der Nachrichten weiter. Am 27. September 1940 wurde A. H. festgenommen und in das Polizeigefängnis Innsbruck eingeliefert. Bei der Vernehmung durch die Gestapo Innsbruck vom 2. bis 8. Oktober 1940 gab sie an, mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in Österreich nicht zufrieden zu sein und diese Meinung auch mehrmals öffentlich ausgesprochen zu haben. Am 14. Oktober 1940 übermittelte die Gestapostelle Innsbruck die Anzeige gegen A. H. an die „Oberstaatsanwaltschaft beim Landgericht als Sondergericht“ Innsbruck. Am 27. November 1940 wurde die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht in Innsbruck vom Reichsministerium für Justiz in Berlin durch den Generalstaatsanwalt in Innsbruck  aufgefordert, eine strenge Bestrafung für A. H. zu beantragen. Es wurde empfohlen, die Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Heimtückegesetz und gegen das Rundfunkgesetz gemeinsam zu verhandeln. Weiters hieß es in dieser Weisung: „In der Hauptverhandlung bitte ich jedoch zur Charakterisierung der staatsfeindlichen Einstellung der Beschuldigten und ihrer Gefährlichkeit mit Nachdruck auf die Ergebnisse des Heimtückeverfahrens hinzuweisen und keinesfalls eine Strafe unter vier Jahren Zuchthaus zu beantragen. Ähnlich gelagerte Fälle werden künftig ohne Einholung meiner Weisung entsprechend zu behandeln sein.“ A. H. wurde am 13. Dezember 1940 vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht Innsbruck als Sondergericht angeklagt und am 16. Dezember 1940 „Im Namen des Deutschen Volkes“ wegen Verstoßes gegen das Rundfunkgesetz und das Heimtückegesetz entgegen der Weisung aus Berlin jedoch zu „nur“ zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, weil als Milderungsgründe ihr Geständnis, ihre Pflegetätigkeit im Ersten Weltkrieg und ihre Nervenkrankheit angerechnet wurden .

Qu.: DÖW 11.463.

L.: Dokumentationsarchiv 1984b

Karin Nusko