Hochegger Judith; Stickerin, Zeugin Jehovas und Gegnerin des NS-Regimes
Geb. Eisenerz, Stmk., 18.5.1895/1898
Gest. Australien, ?
Die in Eisenerz geborene J. H. lebte vor ihrer Verhaftung in Zell bei Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich). Sie war Mutter zweier Kinder, Karnimus (geb. 1923) und Luise (geb. 1930), und ging dem Beruf einer Stickerin nach. 1938 ließ sie sich als Zeugin Jehovas taufen. Da die Zugehörigkeit zur Internationalen Bibelforschervereinigung, wie die Zeugen Jehovas damals hießen, im Nationalsozialismus verboten war, musste auch sämtliche Glaubensausübung geheim gehalten werden. So wird von Tochter Luise berichtet, dass sie einschlägige Schriften unter den Kohlen versteckte, wenn Gefahr drohte (Luise kam später zur „Umerziehung“ zu einer Familie nach Deutschland). Im Jahr 1939 wurde Frau H. zur Arbeit als Putzfrau bei der Firma Böhler zwangsverpflichtet. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas wurde sie am 12. Juni 1940 festgenommen (eine „Glaubensschwester“ von damals berichtete, Frau H. habe aufgrund ihres Glaubens die Zwangsarbeit im Böhlerwerk, das damals ein Rüstungsbetrieb war, verweigert, dies sei der akute Anlass der Verhaftung gewesen). Zunächst war J. H. in St. Pölten eingesperrt, nach sieben Monaten wurde sie ins Wiener Polizeigefangenenhaus Roßauer Lände überstellt. Am 14. Dezember 1940 verurteilte man sie zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus, worauf hin die zu diesem Zeitpunkt 45-Jährige am 17. Jänner 1941 nach Bayern ins Zuchthaus Aichach überstellt wurde, dort blieb sie weitere eineinhalb Jahre eingesperrt. Anschließend wurde Frau H. nach Wien rücküberstellt, was für sie jedoch nicht Freiheit bedeutete. Im Tagesbericht der Gestapo Wien vom 2.- 4. März 1943 heißt es: „Da sie trotz Belehrung von der Irrlehre der IBV nicht lassen will, wird sie am 13.3.1943 dem Pol.Gef. Wien überstellt und die Einweisung ins KZ beantragt.“ Aufgrund eines Eintrags im Haftbuch des damaligen Polizeigefängnisses Linz (heute Polizeianhaltezentrum) ist zu vermuten, dass die Überstellung ins Konzentrationslager erst später erfolgte, da gemäß diesem Eintrag der Transport mit Frau H. in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1943 in Linz Station machte und von dort weiter über Prag nach Fürstenberg, dem Bahnhof des KZ Ravensbrück, ging. In Ravensbrück befand sich Frau H. im selben Block wie Anna Piringer. Die beiden kannten sich schon lange aus Waidhofen, auch Frau Piringer war als Zeugin Jehovas verhaftet worden. Frau H. musste in Ravensbrück mit ansehen, wie es der an Hungertyphus erkrankten Anna immer schlechter ging. Sie pflegte ihre Gefährtin bis zu deren Tod im März 1944. Weiters ist bekannt, dass Frau H. in Ravensbrück stark gepeinigt wurde: sie erhielt viele Ohrfeigen von Bewacherinnen, musste im Keller stundenlang in einem Wasserloch stehen, eine Stunde pro Tag wurde sie herausgeholt und musste dann mit aufgeweichten Fußsohlen über spitzen Schotter gehen. Später musste sie auf den umliegenden Feldern arbeiten und konnte sich dort von Kraut und Rüben ernähren. Frau H. überlebte schließlich, nach insgesamt fünf Jahren Haft, auch den Todesmarsch zu Kriegsende und konnte nach Österreich zurückkehren. Hinweise in den Quellen, dass sie auch im KZ Sachsenhausen eingesperrt war, ließen sich nicht bestätigen. J. H. lebte nach dem Krieg vorerst wieder in Waidhofen an der Ybbs. Die durch ihre lange Haft gesundheitlich sehr angeschlagene Frau war in den darauf folgenden Jahren Mitglied des KZ-Verbands Niederösterreich. Im April 1965 folgte sie ihrer Tochter nach Australien, wo sie auch verstarb, das genaue Sterbedatum ist nicht bekannt. Frau H. blieb bis zu ihrem Tod Zeugin Jehovas.
Qu.: Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: Häftlingsdatenbank; Archiv der ZeugInnen Jehovas, Wien; KZ-Verband Niederösterreich; Landesregierung Niederösterreich: Opferfürsorgeakte; Polizeianhaltezentrum Linz: Haftbuch A Buch 18.02.1943-13.07.1943; Sonderbestand Ravensbrück am DÖW: 51.038/822.
Brigitte Halbmayr