Hitzenberger, Anneliese (Anna Elisabeth)

geb. Kosak

* 30.3.1905, Wien, † 31.7.2003, Wien
Ärztin und Verbandsfunktionärin

Geboren am 30.3.1905 in Wien; Studium der Medizin an der Universität Wien, Promotion 1931; 1931-33 am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, danach wissenschaftliche Arbeit gemeinsam mit ihrem Mann Karl Hitzenberger; nach dessen Tod 1941 an der 1. Chirurgischen Abteilung der Wiener Universitätsklinik und in privater Praxis tätig. Nach 1945 Mitglied der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ), Funktionärin der Organisation der Ärztinnen Österreichs (OÄÖ) (ab 1974 Präsidentin) und der Ärztekammer für Wien. Verfasserin populärmedizinischer Schriften. Medizinalrat.

A. H. wurde am 30. März 1905 in Wien als einziges Kind des Bankangestellten Franz Kosak geboren. Die Volksschulbildung wurde ihr zum Großteil durch ihre Mutter im Privatunterricht vermittelt. Mit neun Jahren übersiedelte sie nach Bregenz, wo sie im Kloster Marienberg zur Schule ging. Anschließend besuchte sie das Gymnasium und legte 1923 am Mädchenrealgymnasium in Wien-Hietzing die Matura ab. An der Universität Wien belegte sie zunächst die Fächer Deutsche Philologie und Geschichte. Im darauffolgenden Semester (1924) begann sie, zunächst heimlich, mit dem von den Eltern untersagten Medizinstudium, das sie 1931 abschloss. Noch als Studentin heiratete sie Karl Hitzenberger, Professor für Innere Medizin. Das Paar hatte zwei Söhne (geb. 1929 und 1936) und zwei Töchter (geb. 1931 und 1933). A. H. begann ihre medizinische Laufbahn an der 1. Medizinischen Universitätsklinik und am Rudolfspital und arbeitete auch mit ihrem Mann wissenschaftlich zusammen.
1938 wurde Karl Hitzenberger, offenbar aufgrund der Abstammung seiner Frau, deren Vater jüdischer Herkunft war, die Venia Legendi entzogen. Einer Berufung an die University of California in Los Angeles im März 1939 konnte er nicht folgen, da die nationalsozialistischen Behörden die Ausreise des Ehepaars behinderten. Karl Hitzenberger, der 1940 als Leiter der 3. Medizinischen Abteilung im Wiener Allgemeinen Krankenhaus und kurze Zeit später als Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung an die Universität zurückberufen worden war, starb im September 1941. Nach seinem Tod war A. H. an der 1. Chirurgischen Universitätsklinik sowie als niedergelassene Ärztin in der ehemaligen Ordination ihres Mannes tätig, die kurz vor Kriegsende durch Bombentreffer zerstört wurde. 1947 war sie als Vertragsärztin der UNRRA tätig.
Nach dem Krieg war A. H. der SPÖ beigetreten und widmete sich vor allem frauen- und standespolitischen Anliegen. In der Zeitschrift „Die Frau” verfasste sie in einer eigenen Rubrik über zwei Jahrzehnte lang populärwissenschaftliche Artikel zu medizinischen und alltagspraktischen Themen, aber auch zu Gesundheitspolitik und Medizingeschichte. Eine Auswahl wurde 1951 unter dem Titel „Das Frau Doktor-Buch” veröffentlicht. 1953 erschien ihr Ratgeber für Sexualaufklärung „Wie sag’ ich’s meinem Kinde”. In den fünfziger Jahren war sie an der Erarbeitung einer Position der SPÖ zur Reform der Abtreibungsgesetzgebung beteiligt und wurde von ihrer Partei als Expertin für die Strafrechtsreformkommission vorgeschlagen. Ab 1955 gehörte sie dem Vorstand der Sozialistischen Ärztevereinigung an. Als Ärztin trat sie für pränataldiagnostische Verfahren ein, um die Geburt erbkranker Kinder zu verhindern. Sie war überdies Mitglied verschiedener Ausschüsse der Ärztekammer für Wien. A. H. war namhafte Aktivistin der während der NS-Ära aufgelösten und nach dem Krieg neu gegründeten Organisation der Ärztinnen Österreichs (OÄÖ) (vormals Organisation der Ärztinnen Wiens), der sie bereits 1931 beigetreten war. Dieser Vereinigung stand sie viele Jahre lang als Vizepräsidentin und ab 1974 in der Nachfolge von Lore Antoine als Präsidentin vor. Im Rahmen der OÄÖ war sie auch an der Organisation eines großangelegten Hilfswerks für nach dem Aufstand 1956 geflüchtete ungarische Ärztinnen und deren Familien beteiligt. In zahlreichen Vorträgen an öffentlichen Schulen und Volkshochschulen referierte sie zu medizinischen und pädagogischen Themen. 1987 wurde ihr das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien sowie die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft der Ärzte verliehen. Bis ins hohe Alter war sie als niedergelassene Allgemeinmedizinerin tätig. A. H. verstarb am 31.7.2003 in Wien.

Werke

Das Frau Doktor-Buch. Wien, Sozialistischer Verlag, 1951 (Schriftenreihe „Die Frau“, 8).
Wie sag’ ich’s meinem Kinde. Wien, Jungbrunnen, 1953.
Artikelserie in: „Die Frau“.

Literatur / Quellen

Annaliese (sic) Hitzenberger. In: McGregor Hellstedt, L. (Hg.): Women Physicians of the World. Autobiographies of Medical Pioneers. Hemisphere Publ. Corp., Washington/London, 1978, S. 227-282.
Mesner, M.: Auf dem Weg zur Fristenlösung. Eine Reform mit Hindernissen. In: Karlsson, I. (Hg.): Frauen in Bewegung – Frauen in der SPÖ. Löcker, Wien, 1998, S. 93.
Mutter und Kind. [Enquête des Frauen-Zentralkomitees der Sozialistischen Partei Österreichs vom 7. bis 8. Mai 1953], Hg. Frauen-Zentralkomitee der Sozialistischen Partei Österreichs. Wien, 1953 (Die Frau, Nr. 10), S. 75.
Neugebauer, W. / Schwarz, P.: Der Wille zum aufrechten Gang. Zur Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Integration ehemaliger Nationalsozialisten. Czernin, Wien, 2005, S. 236.
Wagner, D.: Nichts bewirkt? Die Geschichte der Organisation der Ärztinnen Österreichs. In: Bolognese-Leuchtenmüller, B. / Horn, S.: Töchter des Hippokrates. 100 Jahre akademische Ärztinnen in Österreich. Pressestelle und Verlag der Österreichischen Ärztekammer, Wien, 2000, S. 157-164.
Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938, http://gedenkbuch.univie.ac.at.
Archiv der Universität Wien, Nationalien der medizinischen Fakultät.
Auskunft der Ärztekammer für Wien, 31.3.2004.

BiografieautorIn:

Christine Kanzler