Harich-Schneider, Eta (Margarete)

geb. Schneider
* 16.11.1894, Oranienburg bei Berlin, Deutschland, † 12.1.1986, Wien
Musikforscherin und Cembalistin

E. H.-Sch. wurde als eines von sechs Kindern des Geheimrates Dr. Karl Schneider in Oranienburg bei Berlin geboren.
Sie wächst in der Bürgerlichkeit einer preußischen Beamtenfamilie auf und erhält bereits als Kind Klavierunterricht. 1915 beendet sie die höhere Schule mit dem Abitur und heiratet im selben Jahr den Schriftsteller Walther Harich (gest. 1932) mit dem sie zwei Töchter hat. Die Ehe verläuft nicht glücklich und wird 1922 geschieden. E. H.-Sch. erzieht ihre Töchter Lili und Susanne alleine. Lili wird am 24. Mai 1916 geboren, sie zeigt schon früh eine Begabung als Koloratursopranistin und wird von ihrer Mutter unterrichtet, sie heiratet 1939 und stirbt 1960. Susanne wird am 5. Februar 1918 geboren und hat bereits im Alter von 13 Jahren Kontakte zu kommunistischen Gruppen. Sie korrespondiert mit Kurt Tucholsky und publiziert in der „Weltbühne“. Bald nach dem Tod ihres Vaters unternimmt sie einen Selbstmordversuch. 1937 heiratet sie den Buchhändler Hermann Kerckhoff und bekommt zwei Kinder. Sie engagiert sich im Widerstand und studiert Philosophie, sie ist SED-Mitglied und ab 1948 Vorstandsmitglied des Schutzverbandes Deutscher Autoren. Die bekannte DDR-Schriftstellerin begeht am 15. März 1950 Selbstmord.

Bis 1925 lebt E. H.-Sch. bei ihren Eltern und studiert Musik. Sie hat Klavierunterricht bei Conrad Ansorge und Rudolph Maria Breithaupt. Sie gibt sowohl Konzerte als auch Musikunterricht; eine Tätigkeit, die durch die Weigerung ihres Mannes, Alimente zu zahlen, notwendig geworden ist. 1927 übersiedelt E. H.-Sch. mit ihren Töchtern nach Berlin. Ab 1929 hat sie Cembalounterricht bei Günther Ramin in Leipzig und bei Wanda Landowska in Paris. Ihr erstes Auftreten als Cembalistin findet 1930 in Berlin statt. Im selben Jahr gründet sie ein Collegium für Alte Musik und arbeitet bis 1933 als Musiklehrerin im Spandauer Johannessstift.
Neben ihrer Unterrichtstätigkeit an der Berliner Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik unternimmt sie zahlreiche Tourneen durch Europa. Ihre erste musikwissenschaftliche Publikation „Zum Clavichordspiel bei Tomás de Santa Maria“ erscheint 1937. Ihr zweites Buch „Die Kunst des Cembalospiels“ erscheint erstmals 1939. 1936 wird sie zur Professorin an der Berliner Musikakademie ernannt. Sie gibt einige erfolgreiche Konzerte im In- und Ausland. Obwohl sie durch das nationalsozialistische Propagandaministerium unterstützt wird und bis zu ihrer Kündigung von der Hochschule 1940 gute Kontakte zu den jeweiligen deutschen Botschaftern hat, besteht sie darauf, nur dann auf Tournee zu gehen, wenn sie von dem Land, in dem sie spielen soll, auch eingeladen wird. E. H.-Sch. hat gute Kontakte zu jüdischen KünstlerInnenkreisen, zu ihren Freunden zählen Max Planck sowie Gertrud und Paul Hindemith. Sie engagiert sich in katholischen Kreisen, die dezidiert gegen den Nationalsozialismus auftreten. Beide Verbindungen machen sie in den Augen der nationalsozialistischen Machthaber zunehmend verdächtig. 1940 wird sie von der Musikhochschule gekündigt. 1941 dreht sie mit der UFA den Film „Das Cembalo“, im April desselben Jahres geht sie auf Tournee nach Japan. Sie reist mit dem Transsibirienexpress über Moskau, die Mandschurei und Korea nach Tokio. E. H.-Sch. wird vom deutschen Botschafterehepaar Ott empfangen, das zunächst nichts über ihre politischen Schwierigkeiten in Deutschland weiß. Sie lernt auch den berühmten russischen Spion Richard Sorge kennen, der später den Angriffstag der deutschen Armee (22. Juni 1941) auf die Sowjetunion nach Moskau übermittelt. Er lebt offiziell als Berichterstatter der Frankfurter Zeitung in Tokio. Im Oktober 1941 wird er verhaftet und am 7. November 1944 hingerichtet.
E. H.-Sch. hat viele gut besuchte Konzertauftritte in Japan und hält Cembalokurse an der Kaiserlichen Akademie ab. Sie lernt Japanisch und hat gute Kontakte zu japanischen Intellektuellen und Künstlern. Im Oktober 1942 gründet sie eine Kammermusikvereinigung. Sie erforscht in Feldstudien japanische Volkslieder und Tänze; ein bis dahin kaum erfasstes Gebiet.
Nach dem Krieg versucht sie vergebens ihren Lehrstuhl in Berlin wiederzuerlangen. Ihrer Berufung an das Albertus Magnus College New Haven, die sie 1946 erhält, kann sie wegen politischer Schwierigkeiten nicht nachkommen. Sie steht unter dem Verdacht, für die Nationalsozialisten gearbeitet zu haben. 1947 klären sich die Missverständnisse über ihre Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus auf, sie bekommt eine dauernde Aufenthaltsbewilligung für Japan und unterrichtet im kaiserlichen Palast das Hoforchester in europäischer Musik. E. H.-Sch. vertieft ihre Forschungen über alte japanische Musik und ist die erste Musikwissenschaftlerin aus dem Westen, die sich dabei ausschließlich auf Originalquellen stützt. 1949 reist sie nach New York und versucht, einen akademischen Titel zu erwerben. 1950 reist sie erstmals nach 10 Jahren Abwesenheit nach Deutschland, nimmt Schallplatten auf und gibt Konzerte. Das Angebot, an einer Hochschule in der Ostzone zu unterrichten, lehnt sie ab und kehrt schließlich nach New York zurück, um ihr Studium der Japanologie fortzusetzen. 1953 wird ihr ein Guggenheim-Stipendium bewilligt und sie kann ihre Forschungen über alte japanische Musik weiterführen. 1967 wird ihr für eine Schallplattenaufnahme buddhistischer Musik der „Grand Prix International du Disque“ für die beste liturgische Schallplatte des Jahres verliehen. 1954 erhält sie eine Berufung an die Musikakademie in Wien, der sie aber erst nach ihrer 1955 erfolgten Ernennung zum Master of Arts an der Columbia-Universität nachkommt. Bis 1967 ist sie an der Wiener Musikhochschule tätig, sie hält Vorträge über japanische Musik und gibt trotz eines schweren Augenleidens Konzerte. Die österreichische Staatsbürgerschaft nimmt sie nicht an, obwohl ihr diese mehrmals angeboten wird und die Voraussetzung für eine ordentliche Professur wäre. 1968 erhält sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, 1973 wird ihr das Große Bundesverdienstkreuz der BRD verliehen. 1977 wird sie in Tokyo mit dem Orden von der Heiligen Krone geehrt.
E. H.-Sch. stirbt am 12. Jänner 1986 im Alter von 91 Jahren in einem Wiener Altersheim. Ihre letzten Lebensjahrzehnte hat sie vorwiegend in Wien verbracht.

Werke

Die Kunst des Cembalospiels. Kassel. 1939
Zärtliche Welt. Francois Couperin in seiner Zeit. Berlin, 1939.
The rhythmical Patterns in gagaku und bugaku. Leiden, 1954.
Hg.: Tomas de Santa Maria Fray. Wie mit aller Vollkommenheit und Meisterschaft das Klavichord zu spielen sei, 1962.
A History of Japanese Musik. London, 1973
Charaktere und Katastrophen. Wien, 1978.

Literatur / Quellen

AZ 14.1.1986
Neues Volksblatt 13.1. 1986
Die Presse, 13.1. 1986
WZ 14.1.1986

BiografieautorIn:

Karin Nusko

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