Hanel Hermine; Schriftstellerin und Illustratorin
Geb. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 9.1874
Gest. München, Deutschland, 19.6.1944
Herkunft, Verwandtschaften: Ihre Mutter, die bald nach der Geburt von H. H. starb, war jüdischer Herkunft. Ihr Vater Wilhelm entstammte einer alten katholischen Prager Patrizierfamilie und führte eine bekannte Eisenwarenhandlung. Die Mutter Hermine, geb. Oestreicher, stammte aus einer angesehenen jüdischen Familie, deren Familienoberhaupt Jakob W. Oestreicher eine renommierte Hopfenhandlung betrieb. Sie starb bald nach der Geburt ihrer Tochter. H. H. wuchs bei den jüdischen Großeltern in bürgerlichem Wohlstand auf, wurde jedoch weder katholisch noch jüdisch erzogen. Vor ihrer ersten Ehe trat sie dem jüdischen Glauben bei, später konvertierte sie zum Katholizismus.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heiratete 1894 den um 20 Jahre älteren Geschäftsmann Theodor Stein, der eine Brauerei besaß und später eine Kunsteisfabrik gründete, ab 1909 mit Ludwig Deiglmayr verheiratet. Kinder: Georg Deiglmayr, Lilli Deiglmayr.
Ausbildungen: Da die Mutter kurz nach der Geburt starb, wuchs H. H. bei den Großeltern mütterlicherseits in Neuhaus, Böhmen auf. Der Großvater, ein wohlhabender Hopfenhändler achtete auf eine strenge Erziehung Sie wurde zunächst zu Hause unterrichtet, lernte durch Hauslehrerinnen Englisch und Französisch und besuchte dann ein deutschsprachiges Mädchenlyzeum in Prag. Mit 14 Jahren kam sie in ein Internat. Mit 17 Jahren lebte sie wieder bei ihrer Großmutter und dem Großvater, der bald starb. Der Wunsch an der Akademie in München zu studierem oder in England ein College zu besuchen, wurde ihr nicht erfüllt. Erhielt Unterricht von Ernst Berger und hörte Vorlesungen an der Universität.
Laufbahn: Nach einer gesundheitlichen Krise während ihrer unglücklichen ersten Ehe begann sie zu schreiben und veröffentlichte mehrere Berichte und Skizzen in Prager Blättern sowie Märchen und Artikel im „Wiener Tagblatt“, angeregt von Johann Clumecky. Im „Prager Tagblatt“ veröffentlichte sie u. a. unter dem Titel „Los vom Fischbein“ ein emanzipatorisches Feuilleton. Nach der lang erkämpften Scheidung ließ sie sich in München im Zeichnen ausbilden Sie lebte eine Zeit lang in Wien und ging 1905 schließlich wieder nach München um als Schriftstellerin und Illustratorin zu leben. Dort war sie Mitbegründerin der Künstlervereinigung „Die Kuh“. Zwischendurch reiste sie immer wieder nach Italien und Deutschland. Sie schrieb für Tageszeitungen, Berichte über bildenden Kunst, Essays, Märchen und Novellen, Reisebücher und Skizzen. Zu mehreren Bilderbüchern verfasste sie die Texte und illustrierte sie. Außerdem hielt sie Lesungen, so trat sie u. a. am 12. April 1900 im Spiegelsaal des Deutschen Hauses auf und trug ihre Märchen vor. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde sie von der Reichsschrifttumskammer mit Schreibverbot belegt, sie verfasste jedoch weiterhin im Geheimen Zettel mit Kommentaren zum Zeitgeschehen, die nie veröffentlicht wurden.
Wirkung: In „Die Geschichte meiner Jugend“ ist zu erkennen, dass sie die Mischung von jüdischer und christlicher Kultur als sehr anregend empfand. Mit Arthur Schnitzler, Graf Franz Thun-Hohenstein und Baron Johann Chlumecký pflegte sie freundschaftliche Beziehungen. Mit Letzterem führte sie einen regen Briefwechsel und der ihre Manuskripte korrigierte.
Qu.: Datenbank Ariadne Österreichische Nationalbibliothek.
W.: „Lola. Roman“ (1897, unter dem Pseudonym Dodd), „Frauen“ (1898, unter dem Pseudonym Dodd), „Aus dem Wald und Wiesenreich. Eine Vogel-, Frosch-, Schnecken- und Käferiade“ (1904), „Aus einer alten Stadt. Eine Prager Geschichte“ (1905), „Liese und Marie. Ein lustiges Bilderbuch“ (1911), „Eva. Roman“ (o. J. [1918]), „Was der Kalender erzählt. Märchen“ (o. J. [1919] = Deutsche Märchenbücherei 3. Band), „Junge Ehe. Roman“ (1913), „Spätgeboren. Roman“ (1920), „Das Haus des Lebens und andere Novellen“ (1921), „Tonis Abenteuer im Englischen Garten“ (1926), „Das zärtliche Känguruh und andere Märchen“ (1929/30), „Die Geschichte meiner Jugend“ (1930), „Die Gräfin d´Agarlt. Kulturgeschichtlicher Roman“ (1932), Beiträge: „Mondscheinchen. Märchen. In: Das Pantoffelmännchen und anderes, v. Manfred Kyber“ (1926), „Der Siebenschläfer, der den Frühling verschlief. Märchen. In: Der Tanzknopf und anders. Märchenbilderbuch von Toni Rothmund“ (1927), „Tauelfen. In: Jugendblätter für Unterhaltung und Belehrung Jg. 61“ (1915)
L.: Blumesberger 2006, Heller 2008, Iggers 2000, Internationales Institut für Jugendliteratur und Leseforschung 1999, Northey 2006, ÖNB 2002, Schmid-Bortenschlager/Schnedl-Bubenicek 1982
Susanne Blumesberger