Fischer-Dückelmann Anna
* 5.7.1856, Tragwein, NÖ, † 5.11.1917, Ascona, Schweiz
Ärztin und Fachschriftstellerin
A. F.-D. war die Tochter des k. u. k. Oberstabsarztes Dr.med. Friedrich Dückelmann. Sie entstammte einer Familie, in der die Vorfahren mütterlicherseits und väterlicherseits seit Generationen Ärzte waren. Der Erbe des Familiengutes der Dückelmanns, auf dem auch A. F.-D. aufwuchs, in der Regel der älteste Sohn, war gleichzeitig der Arzt des Dorfes. In Wien, wo A. F.-D. ihre Jugendzeit verbrachte, lernte sie Arnold Fischer kennen, mit dem sie ihre oppositionelle Haltung gegenüber der luxuriösen Lebensweise der Offizierskreise teilte.
1876 heiratet A. F.-D. in Graz den Philosophen Arnold Fischer und wurde Mutter von 3 Kindern. Nachdem sie ihren Mann ohne Einwilligung der Eltern geheiratet hatte, zog sie mit ihm nach Frankfurt, wo er als Redakteur beim „Frankfurter Tageblatt“ arbeitete. Erst im Alter von 34 Jahren, als Mutter von drei Kindern, zog A. F.-D. mit der ganzen Familie nach Zürich, um dort Medizin zu studieren. 1896 promovierte sie in Zürich mit der Dissertation „Die vom April 1888 bis Januar 1895 in der Zürcher Frauenklinik beobachteten Fälle von Puerperalfieber“. Entscheidend für diesen späten Entschluss soll die anfällige Gesundheit und berufliche Erfolglosigkeit ihres Mannes gewesen sein. 1896 war sie Assistenzärztin in der Bilz’schen Naturheilanstalt in Radebeul. Im Oktober des selben Jahres eröffnete sie eine Praxis in Dresden. Sie führte von 1897-1914 eine Praxis als Frauen- und Kinderärztin in Dresden-Loschwitz. Bekannt wurde sie durch eine Reihe populärer medizinischer Werke. 1901 erscheint erstmalig „Die Frau als Hausärztin – ein ärztliches Nachschlagebuch für die Frau“, das „goldene Familienbuch“ gab umfassenden Rat in allen Fragen des weiblichen Lebens: Körper, Geist, Lebensweise, Moral und auch Tabuthemen wie Ehebruch, sexuelle Verweigerung und Homosexualität wurden angesprochen. Bis zum Jahr 1954 erschienen mehr als 1,4 Millionen Ausgaben. Sie setzte sich sehr dafür ein, dass Frauen den ärztlichen Beruf ergreifen sollten, und kritisierte vehement das Verhalten der Ärzte gegenüber ihren PatientInnen. Als Aufgabe der weiblichen Ärzte sah sie es, ähnlich der der Krankenschwestern, „das volle Vertrauen der Patienten zu gewinnen, indem sie sich auf ihn einstellen, ihm Sonne und Frohsinn entgegenbringen“. Sie war eine Verfechterin der Naturheilkunde und der Lebensreform. In ihrem Privatleben führte sie ein großes Haus, in dem viele Künstler und Wissenschafter verkehrten, die sich von dem Klavierspiel der talentierten Pianistin unterhalten ließen. In ihrem Beruf eine frühe Verfechterin einer gesunden Ernährung, die erste Verkünderin der Diät, war sie selbst eine strenge Vegetarierin. 1913 erwarb sie ein Grundstück auf dem Monte Verita bei Ascona, Schweiz, wo 1902 eine „Naturheilanstalt auf freigenossenschaftlicher Grundlage“ gegründet worden war. Hier wollte sie nach dem Krieg ein Sanatorium errichten. Doch schon im Alter von 61 Jahren starb sie 1917 in Ascona. Ihre bereits begonnenen Bücher „Seelenleiden der Frau in Liebe und Ehe“ und „Die Autosuggestion“ wurden von ihrer Tochter Elsa v. Golfieri, weiterbearbeitet und veröffentlicht. Elsa von Golfieri, die die Arbeit ihrer Mutter fortführte, hielt bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Vorträge im In- und Ausland. Sie starb 1948.
A. F.-D. war Mitglied des Zentralverbands f. Parität der Heilmethoden und des Freien Deutschen Hochstifts für Wissenschaft, Kunst u. höhere Bildung in Frankfurt a. M.
Werke
Die heutigen Behandlungsmethoden der Frauenkrankheiten für Ärzte und Gebildete aller Stände. Berlin, 1898.
Entstehung, Verhütung und Heilung der Frauenkrankheiten aller Altersstufen für Frauen und erwachsene Töchter. Berlin 1898, 1919 in der 5. Auflage.
Über die Reform der weiblichen Kleidung. Berlin, 1890.
Das Geschlechtsleben des Weibes – Eine physiologisch-soziale Studie mit ärztlichen Ratschlägen. Bermühler, Berlin, 1900, 1919 in der 19. Auflage.
Die Frau als Hausärztin. Verlag & Buchhandlung Georg Roppelt, Nürnberg, 1911.
Das Klimakterium. Ärztlich-literarische Besprechung des Klimakteriums. Hesperus Verlag, Berlin, 1911.
Mann und Weib. Gegenüberstellung des männlichen und weiblichen Körpers in anatomisch zerlegbaren Modellen. Album zu Die Frau als Hausärztin. Süddeutsches Verlagsinstitut, Stuttgart, 1913.
Der Geburtenrückgang – Ursachen und Bekämpfung vom Standpunkt des Weibes. Stuttgart, 1914.
Was lehrt uns der Krieg – Häusliche Krankenpflege in Kriegszeiten. Stuttgart, 1916.
Literatur / Quellen
Bleker, J. / Schleiermacher, S.: Ärztinnen aus dem Kaiserreich. Lebensläufe einer Generation. Deutscher Studienverlag, 2000.
Bleker, J.: Die ersten Ärztinnen und ihre Gesundheitsbücher für Frauen: Hope Bridges Adams-Lehmann (1855- 1916), Anna Fischer-Dückelmann (1856-1917) und Jenny Springer (1860-1917). In: Brinkschulte, E. (Hg.): Weibliche Ärzte. Die Durchsetzung des Berufsbildes in Deutschland. Berlin, 1995, S. 65-83.
Geber, E.: Die Frau als Hausärztin von Frau Dr. med. Anna Fischer-Dückelmann. In: Auf. Eine Frauenzeitschrift. Nr. 121, 2003. S. 22-24.
Steinecke, V.: Menschenökonomie. Der medizinische Diskurs über den Geburtenrückgang von 1911 bis 1931 (= Forum Frauengeschichte 9). Pfaffenweiler, 1996.
Ziegeler, B.: Weibliche Ärzte und Krankenkassen. Anfänge ärztlicher Berufstätigkeit von Frauen in Berlin 1893-1935 (= Ergebnisse der Frauenforschung 31). Weinheim, 1993.