Esther von Gera
Geb. ?
Gest. Schloss Eschelberg, 20.11.1611

Herkunft, Verwandtschaften: Eltern: Wolfgang von Stubenberg (†1597) und Susanna von Pögl (†1589); Geschwister: Sophia (†1604), verheiratet mit Graf Georg von Zríny (†1603); Kaspar (†1585); Wolfgang (†1587), verheiratet mit Katharina Kinský von Wichnitz auf Zasmuk (†1640); Andreas (†1598), verheiratet mit Maria Jakoba von Kainach; Georg (1560-1630), verheiratet in erster Ehe mit Barbara Khevenhüller zu Aichelberg (†1618), in zweiter Ehe mit Amalia von Liechtenstein-Murau (†1664); Susanna, verheiratet mit Graf Peter dem Jüngeren von Erdödy (†1613) von Monyorόkerek und Monoszlό (†1613); Kreszenzia (1574-1607), verheiratet mit Christoph Khevenhüller von Aichelberg, Freiher auf Lanskron, Wernberg, Hohenosterwitz und Karlsberg; Wulfing (†1575, wenige Tage nach der Geburt); verheiratet mit Hans Christoph von Gera, Herr von Arnfels (1560-1609), Kinder: Johann Christoph, verheiratet mit Maria von Bardewick in Holland; Wolf (1586-1634), verheiratet mit Maria Elisabeth von Volkersdorf; Wilhelm (geboren 1587); Erasmus II. (1588-1657), verheiratet mit Anna Benigna von Pappenheim (†1678), Esther (†1610), verheiratet mit Johann Joachim von Aspan (†1645); Felicitas (früh verstorben); Susanna (ledig verstorben).

Laufbahn: Über E. lässt sich nicht viel ausmachen. Sie entstammte der Kapfenberger Linie des bedeutenden steirischen Geschlechts der Stubenberg. Trotz seines Bekenntnisses zur Augsburger Konfession hatte E. v. G. s Vater, Wolfgang von Stubenberg, eine Vertrauensstellung am Hof Erzherzog Karl II. von Innerösterreich (1540-1590) inne. Er war Oberstjägermeister und Oberstkämmerer. Aufgrund des Erbes seiner Frau, Susanna von Pögl, gehörte er zu den reichsten Grundherrn in der Steiermark.
Wann und wo E. v. G. geboren wurde, lässt sich nicht ausmachen. Aufgrund ihrer Aufzeichnungen kann vermutet werden, dass sie, entsprechend der Forderung der Reformatoren, eine gründliche religiöse Unterweisung mit einer fundierten Kenntnis der Bibel erhalten hat. Erzogen wurde sie vermutlich auf den Gütern ihrer Eltern, vielleicht von ihrer Mutter, einem Prädikanten oder einem der Präzeptoren ihrer Brüder.
Von ihren neun Geschwistern dürfte ihr ihre ältere Schwester Sophia wohl am nächsten gestanden haben. In ihrem Nachruf auf Sophia in Gedichtform spricht sie von ihr als ihre besondere Bezugsperson und Ratgeberin und preist ihren hohen Verstand und ihre kunstfertige Hand.
Am 20. Jänner 1560 heiratet sie Hans Christoph von Gera, Herrn von Arnfels. Über die Frühgeschichte der Familie Gera ist wenig bekannt. Das erste gut dokumentierte Mitglied der Familie ist der Vater von Hans Christoph, Erasmus I. von Gera (1520-1567). In kaiserlichen Diensten stieg er zum Präsidenten der Hofkammer und zum kaiserlichen Geheimen Rat auf, fungierte für den Kaiser als Geldgeber und konnte die Besitzungen der Familie wesentlich erweitern. Hans Christoph von Gera wurde nach Beendigung seines Studiums in Italien und der anschließenden Kavalierstour durch verschiedene europäische Länder 1578 Kämmerer Erzherzog Karls von Innerösterreich. Als er 1583 großjährig wurde, konnte er das väterliche Erbe in der Steiermark und Oberösterreich antreten. 1596, nach dem Tod seines Bruders Karl, wurde Hans Christoph alleiniger Besitzer der Herrschaft Arnfels in der Steiermark. Die Familie Gera gehörte zu denjenigen Mitgliedern des steirischen Herrenstandes, die auch in konfessionellen Fragen großes Engagement zeigten. Mit der Heirat mit E. v. G. trat Hans Christoph von Gera in verwandtschaftliche Beziehung zu einer der bedeutendsten steirischen Adelsfamilien.
Aus der Ehe E. v. G.s und Hans Christophs von Gera gingen sieben Kinder hervor: die Söhne Hans Christoph, geboren zwischen 1583 und 1585, Wolfgang, geboren 1586, Wilhelm, geboren vermutlich 1587, Erasmus II., geboren 1588, sowie die Töchter Esther, Felicitas und Maria Susanna.
E. v. G.s Leben und das ihrer Familie war von der in Gang gesetzten Gegenreformation geprägt. Noch bevor die gegenreformatorischen Maßnahmen im landesfürstlichen Mandat von 1628 gipfelte, das vor die Alternative stellte, Konversion oder Emigration, nahm 1604 die Familie die verlustreiche Veräußerung ihrer Besitzungen in der Steiermark in Kauf und zog nach Oberösterreich, da dort die Lage noch günstiger schien. Dort war bereits zuvor begonnen worden, die 1560 erworbene kleine Burg Eschelberg mit ihren Gütern systematisch als neuen Herrschaftsmittelpunkt auszubauen. Zudem waren seit 1553 die große Herrschaft Waxenberg 1562 sowie die seit 1562 verpfändete Herrschaft Freistadt in ihrem Besitz, sodass die Familie über einen neuen Herrschaftskomplex im oberösterreichischen Mühlviertel verfügen konnte. Trotz dieses aus Glaubensgründen motivierten Weggangs aus der Steiermark kam es zu keinem gänzlichen Bruch mit dem innerösterreichischen Landesfürsten. Erzherzogin Maria (1551-1608) besuchte die Familie 1605 in Freistadt, und Hans Christoph von Gera reiste anschließend im Geleit der Erzherzogin Anna zu deren Vermählung nach Polen.
In Oberösterreich wurde Hans Christoph von Gera 1606 in den alten Herrenstand von Österreich ob der Enns aufgenommen und 1608 wurde er zum Herrenstandsverordneten gewählt. Am 12. September 1609 starb er an den Folgen eines während einer Sitzung der obderennsischen Stände erlittenen Schlaganfalls.
Auch in Oberösterreich war à la longue die Glaubensfreiheit nicht garantiert. Der Verbleib von E.s Kindern in Oberösterreich war abhängig von der Entscheidung für eine Rückkehr in die katholische Kirche. In vielen Familien musste sich ein Mitglied für den katholischen Glauben entscheiden, um den Besitz für die Familie zu halten. Während Erasmus II. eine politisch bedingte Konversion (Thomas Winkelbauer) vollzog, blieben Hans Christoph, Wolf und Wilhelm protestantisch und verließen das Land. E. war davon noch nicht tangiert. Sie starb am 20. Oktober 1611 auf Schloss Eschelberg. Dort in der Schlosskapelle ist sie auch begraben.

W.: Die Aufzeichnungen in diaristischer Form, die E. v. G. hinterlassen hat, sind eine Mischung aus Rezepten zur Herstellung von Arzneien, Gedichten, Todesnachrichten, Familie-, Reise- und historische Notizen für die Jahre 1597 bis Juli 1611. Der Band in Kleinquart 19,7 × 16,2 cm (Linz, Oberösterreichisches Landesarchiv, Landschaftsarchiv, Hs. 523) trägt keinen originären Titel und wird als „Gerasches Gedächtnisbuch” in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnet. Die Eintragungen E.s finden sich folio 2r-27v, 82r; fortgesetzt wurden die Eintragungen von ihrer Enkelin Maria Susanna Weiß (†1663), Tochter des Erasmus II. und der Benigna von Pappenheim, folio 27r-32r, für die Jahre 1628/1647-1653 (ed. Scheutz/Tersch, 122-143; 180-186).
Das „Gerasches Gedächtnisbuch” ist das protestantische Selbstzeugnis einer adeligen Frau (Beatrix Bastl). Es steht in gewisser Weise in einem Nahverhältnis zu den beiden Leichenpredigten, die anläßlich des Ablebens ihres Mannes Hans Christoph von Gera vom Landschaftsprediger Clemens Anomäus (†1611) im Linzer Landhaus bzw. in Eschelberg gehalten und 1610 in Nürnberg gedruckt wurden (ed. Scheutz/Tersch, 201-266). Am biographischen Teil der Predigten hat E. direkt oder indirekt mitgewirkt.
L.: Bastl 1999, Bastl 2002, Loserth 1911, Scheutz/Tersch 2003, Tersch 1998, Winkelbauer 1999a, Witting 1919

Ingrid Roitner